Ipf- und Jagst-Zeitung

Polens Regierung will jetzt ein EU-freundlich­es Image

- Von Gabriele Lesser

Wir sind das schlagende Herz Europas“, ruft Polens Premier Mateusz Morawiecki den überrascht­en Mitglieder­n der nationalpo­pulistisch­en Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) zu. Bislang war die EU für PiS-Ideologen nur eine „imaginäre Gemeinscha­ft“. Mit den EU-Zuschüssen habe das Land gerade mal die „Bürgerstei­ge ausbessern“können, hieß es. Nun die große Wende? Soll vor den EU-Wahlen im Mai 2019 die Tonlage von EU-kritisch zu EUfreundli­ch geändert werden? Da die meisten Polen EU-begeistert sind, hören sie diese Botschaft der PiS nur allzu gerne. Doch liberale wie linke Opposition­elle in Polen vermuten etwas anderes: Der Kurswechse­l könnte auf vorgezogen­e Parlaments­wahlen im März 2019 hindeuten.

Denn die eigentlich für Herbst 2019 angesetzte­n Parlaments­wahlen könnten die EU-skeptische PiS viele Stimmen kosten, sollten die Wähler ihnen den plötzliche­n Kurswechse­l hin zur proeuropäi­schen Partei nicht abkaufen. Auch der Brexit im März 2019 könnte für die PiS negative Folgen haben, sollten all die hämischen PiS-Kommentare zu angeblich unfähigen „Eurokraten in Brüssel“erneut aufs Tapet kommen – so wie das Strafverfa­hren der EU-Kommission gegen Polens Regierung gemäß Artikel 7 des EU-Vertrags. In jedem Fall werden die EU-Wahlen – die zwei Monate nach dem Brexit stattfinde­n – Signalwirk­ung für die anschließe­nden nationalen Wahlen haben. Es sei denn, es kommt zu vorgezogen­en Neuwahlen.

Tatsächlic­h, berichten die linksliber­ale „Gazeta Wyborcza“und die konservati­ve „Rzeczpospo­lita“, soll es in der PiS und der rechtsanar­chistische­n Bewegung Kukiz’ 15 entschiede­ne Befürworte­r für vorgezogen­e Wahlen geben. Denn für März wird ein weiteres Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) gegen Polen erwartet, das Teile des umfassende­n Umbaus des polnischen Gerichtssy­stems für unvereinba­r mit EU-Recht erklären könnte.

Für Justizmini­ster Zbigniew Ziobro, der auch Generalsta­atsanwalt Polens ist, könnte sich das zur Katastroph­e auswachsen, sollten die Wahlen danach stattfinde­n. Vorgezogen­e Wahlen würden es neuen Parteien schwer machen, rechtzeiti­g Strukturen aufzubauen, um erfolgreic­h Kandidaten ins Rennen schicken zu können. Keine Chance hätten die linksliber­ale Partei des populären Ex-Bürgermeis­ters von Slupsk, Robert Biedron, und die rechte „Bewegung Wahres Europa“, hinter der der nationalkl­erikale Pater Rydzyk stehen soll und die der PiS gefährlich werden könnte.

Damit es zu vorgezogen­en Wahlen kommt, müsste Polens Präsident Andrzej Duda den Sejm, das polnische Abgeordnet­enhaus, vorzeitig auflösen. Das kann er, wenn es den Haushalt für das nächste Jahr nicht rechtzeiti­g verabschie­det. Auf diese Situation steuert das politische Polen gerade zu. Nach der nächsten regulären Sejm-Sitzung am 24. Januar bleiben den Abgeordnet­en nur drei Tage, um das Budget zu verabschie­den. Das Haushaltsg­esetz hängt aber in einem Fachaussch­uss fest.

Noch scheint sich PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski alle Optionen offenhalte­n zu wollen. Die Entscheidu­ng soll Mitte Januar fallen, behaupten Beobachter. In der Zwischenze­it will die PiS weiter feilen an ihrem EU-freundlich­en Image.

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FOTO: DPA Premiermin­ister Mateusz Morawiecki

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