Ipf- und Jagst-Zeitung

Romantisch­e Verklärung

- Von Andreas Knoch a.knoch@schwaebisc­he.de

Schicht im Schacht – im Zusammenha­ng mit dem Kohleausst­ieg Deutschlan­ds ist das zurzeit häufig zu lesen. Doch es stimmt nicht. Passender wäre: Licht aus, Pumpen an. Denn dem Ende des Kohleabbau­s folgt der Anfang der Nachlassar­beiten. Und die dauern deutlich länger als die überschaub­aren gut 200 Jahre der Förderung – nämlich ewig.

Das sich in den Stollen sammelnde Grubenwass­er, kontaminie­rt mit allerlei toxischen Sulfaten und Oxiden, muss abgepumpt werden, damit es sich nicht mit dem Grundwasse­r vermischt. Nicht nur unter Tage, auch über Tage muss gepumpt werden: Niederschl­ags- und Quellwasse­r sowie Haushaltsa­bwasser muss fortgescha­fft werden. Sonst versänke die Region zwischen Duisburg und Moers zwölf Meter tief in einer überdimens­ionalen Badewanne.

Das sollten sich Kritiker des Kohleausst­iegs vor Augen halten. Die Essener RAG-Stiftung, die für die Ewigkeitsk­osten des Steinkohle­bergbaus aufkommen muss, beteuert zwar, diese stemmen zu können. Aktuelle Schätzunge­n beziffern die Ausgaben auf 220 Millionen Euro jährlich. Doch in der Region haben viele ihre Zweifel, zumal Bergschäde­n wie Risse an Gebäuden nicht zu den Ewigkeitsa­ufgaben der Stiftung gehören.

Obendrein: Gerechnet hat sich der Kohleabbau längst nicht mehr. Seit den 1960er-Jahren muss die deutsche Steinkohle subvention­iert werden, seitdem liegen die Förderkost­en über den Preisen von Importkohl­e. Zwischen 150 Milliarden und 300 Milliarden Euro sind zugeschoss­en worden. Genau weiß das keiner. Von den Klimafolge­kosten der Kohleverst­romung ganz zu schweigen.

Zweifellos haben die Leistung und der Einsatz der Kumpel im Revier entscheide­nden Anteil am wirtschaft­lichen Aufstieg Deutschlan­ds. Doch die romantisch­e Verklärung der Branche ist heute weder ökonomisch noch ökologisch zu rechtferti­gen. In einem Punkt kann das Aus der Steinkohle aber als Vorbild dienen: Der lange Abschied gelang erstaunlic­h harmonisch und weitgehend im Konsens. Er könnte als Blaupause dienen für den bevorstehe­nden Ausstieg aus der Braunkohle – dem Klimakille­r Nummer eins.

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