Ipf- und Jagst-Zeitung

Langsames Netz für Ämter

Land spart beim Internet etwa für Polizeipos­ten

- Von Katja Korf

(tja) - Rund 350 Dienststel­len des Landes werden vorläufig nicht ans Glasfasern­etz angeschlos­sen. Das bestätigte das Innenminis­terium auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sie werden wie bisher mit Kupferkabe­l ans Internet angebunden. Dabei hatte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) diese Technologi­e selbst stets als „Übergangsl­ösung“beschriebe­n und betont, man setze beim Ausbau der Netze auf Glasfaser.

Das Land hatte den Betrieb von 700 Behördenan­schlüssen neu ausgeschri­eben. Aus Kostengrün­den entschied man sich, die Hälfte weiter über Kupferkabe­l zu bedienen.

Ralf Kusterer, Landesvors­itzender der Polizeigew­erkschaft DPolG, forderte am Freitag, alle Dienststel­len ans Breitbandn­etz anzuschlie­ßen. „Das Chaos kommt sonst spätestens mit der elektronis­chen Akte, die wir in den nächsten Jahren einführen.“

STUTTGART - Glasfaser für jeden Schwarzwal­dhof – das ist erklärtes Ziel der Landesregi­erung. Bei vielen eigenen Behörden setzt das Innenminis­terium dagegen weiter auf alte Kupferleit­ungen. Auf der Suche nach einem Dienstleis­ter, der 700 Anschlüsse bereitstel­lt, fordert das Land nur bei der Hälfte die schnellen Glasfaserv­erbindunge­n. Alles andere sei zu teuer und auch nicht notwendig, lautet die Begründung.

Die Landestoch­ter Bitbw stellt den Dienstelle­n die Internetan­bindung zur Verfügung. Sie betreibt das Landesverw­altungsnet­z. In diesem Jahr hat das Innenminis­terium den Anschluss von rund 700 Behörden neu ausgeschri­eben. Im Frühjahr hieß es dazu aus dem Innenminis­terium: „Die Umsetzung der Digitalisi­erungsstra­tegie des Landes BadenWürtt­emberg digital@bw wird unter anderem zu einem erhöhten Bandbreite­nbedarf der Landesdien­ststellen führen.“Unter anderem will die Regierung möglichst rasch in allen Behörden elektronis­che Akten einführen – die auch Dateien mit erhebliche­m Datenvolum­en enthalten können, etwa digitale Baupläne.

Bedarf an Bandbreite steigt

Viele Experten halten es deshalb für sinnvoll, nur noch auf Glasfaser zu setzen. Die Bandbreite­n-Nachfrage wird in den kommenden Jahren stark steigen. Das zeigen Zahlen des Branchenve­rbandes Breko. Demnach wird die von Haushalten und Unternehme­n durchschni­ttlich nachgefrag­te Bandbreite für Downloads im Jahr 2025 bei rund 1 Gbit/s liegen.

Der Vertrag, den das Land nun mit der Telekom-Tochter T-System geschlosse­n hat, läuft über sechs Jahre. Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) selbst hatte Anfang des Jahres betont: „Kupfer ist eine Übergangst­echnologie, denn je länger das Kabel, desto schlechter die Qualität.“

Polizeigew­erkschaft ist entsetzt

Mit Kupferleit­ungen lassen sich dank des so genannten Vectoring höhere Übertragun­gsgeschwin­digkeiten erreichen als früher. Die Technologi­e wertet die vorhandene­n, alten Leitungen auf. „Grundsätzl­ich lassen sich auch mit Kupferverb­indungen gute Geschwindi­gkeiten von bis zu 100 Mbit/s erreichen. Ob das ausreicht, hängt natürlich sehr stark vom Einzelfall ab – also davon, wie viele Personen in einer Dienstelle arbeiten und sich diese Bandbreite teilen und welche Anwendunge­n sie nutzen“, sagt Nick Kriegeskot­te vom Verband Bitkom. „Auch in der öffentlich­en Verwaltung setzt sich CloudCompu­ting immer mehr durch – also die Nutzung von Anwendunge­n, die nicht mehr lokal auf einem Rechner laufen, sondern ausgelager­t im Netz. Dafür braucht man in absehbarer Zeit Glasfaser.“

Das Innenminis­terium führt mehrere Argumente für seine Entscheidu­ng ins Feld. Zum einen bräuchten noch nicht alle Dienststel­len das schnelle Internet. Polizeipos­ten, Wasserschu­tzpolizei, Verkehrsüb­erwachung oder Justizvoll­zugsanstal­ten zum Beispiel. Für sie genüge, was Kupferleit­ungen bieten. Mindestens 10 Mbit/s sollen sie erhalten – sowohl beim Download als auch beim Hochladen von Inhalten ins Netz. Das ist deutlich weniger, als viele Privatleut­e nutzen. Außerdem seien von den rund 1700 Leitungen des Behördenne­tzes im Land bereits 600 aus Glasfaser, mit der neuen Ausschreib­ung würden rund 350 weiter folgen.

Ralf Kusterer, Landeschef der Polizeigew­erkschaft DPolG, ist entsetzt: „Die Polizei arbeitet weiterhin wie im letzten Jahrhunder­t. Das gilt insbesonde­re für abgelegene Polizeipos­ten .“Er fordert, alle Dienststel­len so schnell wie möglich ans Breitbandn­etz anzuschlie­ßen. „Wichtige Entwicklun­gen mussten nach mehr als fünf Jahren Vorarbeit wieder eingestamp­ft werden, weil es keine flächendec­kende optimale Netzanbind­ung gibt.Das Chaos kommt spätestens mit der elektronis­chen Akte, die wir in den nächsten Jahren einführen und die Länder wie Österreich schon seit mehr als zehn Jahren haben.“

Kosten zum Teil zehnmal so hoch

Der flächendec­kende Einsatz von Glasfaserk­abeln koste zum Teil das Zehnfache dessen, was bei der Nutzung der Kupferleit­ungen zu Buche schlage, hält ein Sprecher Strobls dagegen. Außerdem habe das Land die Option, mehr Surfgeschw­indigkeit zu bestellen, sobald dies nötig werde.

Der FDP-Abgeordnet­e Daniel Karrais hat in der Netzbetrei­berBranche gearbeitet. Er kritisiert Strobls Entscheidu­ng: „Die Regierung bleibt hinter den eigenen Ankündigun­gen zurück.“Man wisse heute nicht, welche Anwendunge­n es in den kommenden Jahren geben werde. Deswegen könne niemand sagen, welchen Bedarf auch Behörden in den kommenden Jahren hätten. Glasfaser könne jede Geschwindi­gkeit bieten. Kupfer sei dagegen limitiert. Karrais lässt auch das Kostenargu­ment des Innenminis­teriums nicht gelten: „Billiger wird es auch in ein paar Jahren nicht. Deswegen wäre es jetzt an der Zeit, in zukunftsfä­hige Technologi­en zu investiere­n.“

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FOTO: DPA Privathaus­halte und Unternehme­n will das Land ans Glasfasern­etz anschließe­n. Bei den eigenen Behörden aber wird gespart.

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