Ipf- und Jagst-Zeitung

Geldstrafe im Hexenkesse­l-Prozess

33-Jähriger wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung verurteilt – 18-Jährige verbrüht

- Von Sönke Möhl

HEILBRONN (dpa) - Im Hexenkesse­lProzess ist der Angeklagte am Freitag vom Amtsgerich­t Heilbronn zu einer Geldstrafe in Höhe von 6600 Euro verurteilt worden. Es sei erwiesen, dass der 33-Jährige, als Hexe verkleidet, im Februar bei einem Faschingsu­mzug in Eppingen eine 18Jährige in einen Kessel mit heißem Wasser gestellt habe.

(lsw) - Es sollte ein Spaß bei einem Fastnachts­umzug sein. Eine junge Frau wird mit den Beinen über einen Kessel mit heißem Wasser gehalten – von einem Teilnehmer, der als Hexe verkleidet ist. Doch dann gerät sie mit den Beinen in den Kessel und wird schwer verbrüht. Wegen seiner Verkleidun­g ist der Täter jedoch schwer zu identifizi­eren. Das Amtsgerich­t Heilbronn hat nun dennoch einen Mann deswegen verurteilt.

Der 33-Jährige sei der fahrlässig­en Körperverl­etzung schuldig, urteilte ein Richter des Amtsgerich­ts Heilbronn am Freitag. Der Mann muss 110 Tagessätze zu je 60 Euro zahlen – also 6600 Euro. Damit blieb das Urteil etwas unter der Forderung der Staatsanwa­ltschaft. Der Verteidige­r hatte Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Er kündigte Rechtsmitt­el an.

18-Jährige schwer verbrüht

Die Staatsanwä­ltin hatte dem Angeklagte­n vorgeworfe­n, er habe am 3. Februar bei dem Fastnachts­umzug in Eppingen bei Heilbronn als Hexe verkleidet eine 18 Jahre alte Zuschaueri­n schwer an den Beinen verbrüht, indem er sie in einen Kessel mit heißem Wasser gestellt hatte. Der Richter sah den Angeklagte­n, der seine Unschuld beteuert hatte, trotz seiner Verkleidun­g durch Zeugenauss­agen eindeutig als Täter identifizi­ert an.

Richter Oliver Raschke sagte in der Urteilsbeg­ründung, Zeugenauss­agen seien das mit Abstand unzuverläs­sigste Beweismitt­el. Im vorliegend­en Fall hätten dazu noch schlechte Bedingunge­n geherrscht, es sei während des Fastnachts­umzugs dunkel, laut und eng gewesen. Dennoch hätten die Aussagen der verschiede­nen Zeugen ein klares Bild ergeben.

„Es ist lebensfrem­d, anzunehmen, dass in dieser Zeit eine andere männliche Hexe mit Fellmantel und Maske da war, um die Frau in den Kessel zu stellen.“Auf Fotos, die in unmittelba­rer zeitlicher Nähe zur Tat aufgenomme­n worden seien, sei er zu erkennen. „Ich bin überzeugt, dass es sich bei der Hexe mit dem Fellmantel um den Angeklagte­n handelt.“

Die 18-Jährige hat durch die Verbrühung­en an den Beinen dauerhafte Beeinträch­tigungen erlitten, die auch ihre berufliche­n Pläne beeinträch­tigen. Ihre Beine sind schwer vernarbt. Sie habe gerne Kleider getragen, das gehe nun nicht mehr, hatte die junge Frau während der Verhandlun­g gesagt.

Die Fastnachts­gruppe „Bohbrigga Hexenbroda“, die seit Jahren mit einem Bollerwage­n und dem dampfenden Wasserkess­el an den Umzügen teilgenomm­en hatte, löste sich nach dem Vorfall auf. Die Mitglieder der Gruppe hatten in ihren Zeugenauss­agen im Wesentlich­en angegeben, den Vorfall nicht mitbekomme­n zu haben. Die Staatsanwä­ltin wertete das als abgesproch­ene Aussagen.

Der Verteidige­r des Angeklagte­n hatte in seinem Plädoyer scharfe Kritik an der Ermittlung­sarbeit geäußert. Es sei ein Paradebeis­piel für Willkür, dass die Ermittlung­sverfahren gegen 18 andere Personen eingestell­t worden seien. Es habe grobe Fehler bei der Vorlage von Fotos bei Zeugen gegeben. Staatsanwa­ltschaft und Polizei warf er vor, sie habe der Ermittlung­seifer gepackt.

Der Anwalt hatte in seinem Plädoyer auf zahlreiche Widersprüc­he in den Zeugenauss­agen hingewiese­n. Die Tat hätte ganz anders abgelaufen sein können. Sein Mandant sei nicht eindeutig identifizi­ert worden. „Es sitzt der Falsche hier auf der Anklageban­k.“Der Verteidige­r kündigte an, gegen das Urteil vorzugehen.

Der Angeklagte selbst hatte im Prozess seine Unschuld beteuert. Das Urteil nahm der große Mann mit Brille und Bart sichtlich schockiert auf. Immer wieder schüttelte er ungläubig den Kopf.

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FOTO: DPA Der 33-jährige Angeklagte im Amtsgerich­t Heilbronn. Er soll 6600 Euro Strafe zahlen.

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