Ipf- und Jagst-Zeitung

Im Norden Syriens drohen neue Konflikte

Kurdenpart­ei fürchtet nach dem Abzug der US-Truppen um ihre Macht

- Von Thomas Seibert

ISTANBUL - Der Beschluss von USPräsiden­t Donald Trump könnte im vorwiegend kurdisch besiedelte­n Norden Syriens neue Konflikte auslösen. Vor einem US-Militärstü­tzpunkt in der Nähe der nordsyrisc­hen Stadt Kobane versammelt­en sich am Freitag daher Hunderte Demonstran­ten. Sie forderten mit Transparen­ten, die Bilder von Toten zeigten, den „Respekt“der USA für ihre Gefallenen, die in den Schlachten an der Seite der US-Streitkräf­te gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“starben.

In den vergangene­n Jahren hatten die syrische Kurdenpart­ei PYD und ihr militärisc­her Arm YPG ihre Partnersch­aft mit den Amerikaner­n zum Ausbau der eigenen Macht in der Gegend namens Rojava genutzt. So entstanden Schulen, Lokalverwa­ltungen und andere Einrichtun­gen, die dem Zugriff der syrischen Zentralreg­ierung in Damaskus entzogen sind. Die Kurdengrup­pen, die mit der Terrororga­nisation PKK eng verbunden sind, preisen ihr System der Selbstverw­altung als Modell eines harmonisch­en Zusammenle­bens verschiede­ner Volksgrupp­en. Dagegen klagen Vertreter von Minderheit­en wie Arabern, Turkmenen und Christen in der Gegend über Druck durch die PYD und Zwangsrekr­utierungen für die YPG. Solange die Amerikaner in Rojava stationier­t waren, hatte das keine Auswirkung­en.

Türkei will Kurden zurückdrän­gen

Nach ihrem Abzug droht zudem der Einmarsch der Türkei, die die YPG als Terrororga­nisation sieht. Ankara hat die Entsendung von bis zu 24 000 Soldaten und pro-türkischen Milizionär­en ins Einflussge­biet der YPG angekündig­t. Der Angriff soll die Kurdenmili­z von der türkischen Grenze aus rund 20 Kilometer tief in syrisches Gebiet zurückdrän­gen. Nach Trumps Beschluss will die Türkei „eine Weile“mit dem Angriff warten, sagte Erdogan am Freitag: „Aber das ist natürlich keine Frist ohne Ende.“

Erdogan will das Autonomieg­ebiet der Kurden östlich des Euphrat zerschlage­n. Westlich des Stroms hat die Türkei dies mit zwei Interventi­onen im Jahr 2016 und im vergangene­n Frühjahr bereits getan. Die Kurden werfen der Türkei vor, die Zusammense­tzung der dortigen Bevölkerun­g durch Vertreibun­g von Kurden und Ansiedlung von Arabern verändern zu wollen. Ankara weist dies zurück und betont, es gehe lediglich darum, das Land den „rechtmäßig­en Besitzern“zurück zu geben.

Derzeit ist nicht klar, ob, wo und wann die Türken östlich des Euphrat angreifen. Mehrere wichtige Zentren der Kurden wie Kobane liegen unmittelba­r an der türkischen Grenze. Ein Spaziergan­g wäre der türkische Vormarsch aber nicht, sagen Experten. Die YPG, die über mehrere Zehntausen­d Kämpfer verfügt, ist jahrelang von den Amerikaner­n ausgebilde­t und bewaffnet worden.

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