Ipf- und Jagst-Zeitung

Großmeiste­r des Nonsens

Der Dichter und Humorzeich­ner F. W. Bernstein ist im Alter von 80 Jahren gestorben

- Von Dieter Schneberge­r

FRANKFURT (epd) - F. W. Bernstein liebte Molche, Elche und Engel und ließ sich zu den verrücktes­ten Reimen anregen. Er mochte Buchstaben­dreher wie bei „Erch und Flosch“und betätigte sich gerne als „Abzeichner“. Sein berühmter Zweizeiler „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche“, der Hans Traxler zum Entwurf für das Wappentier der Frankfurte­r Satiriker inspiriert­e, „gehört zur kulturelle­n Folklore“, wie Bernstein es selbst formuliert­e. „Das soll mir erst mal einer nachmachen!“. Am Donnerstag starb der Humorist und Karikaturi­st nach langer Krankheit im Alter von 80 Jahren.

Als Fritz Weigle wird er am 4. März 1938 in Göppingen geboren. Nach dem Abitur studiert er Kunst in Stuttgart und Berlin, wo er auch Robert Gernhardt kennenlern­t. In dieser Zeit legt er sich das Pseudonym F. W. Bernstein zu, „um meinem unverständ­lichen schwäbisch­en Namen zu entgehen“. 1964 heuert er zusammen mit Gernhardt in Frankfurt am Main bei der satirische­n Monatszeit­schrift „Pardon“an und versorgt später das Nachfolgeb­latt „Titanic“regelmäßig mit Versen und Zeichnunge­n.

Daneben schlägt er eine bürgerlich­e Laufbahn ein: 1966 tritt er in Frankfurt in den Schuldiens­t ein, 1972 wird er Kunsterzie­her an der Pädagogisc­hen Hochschule in Göttingen. Dort legt er vor allem Wert auf die Vermittlun­g der Grundlagen des Zeichnens: Architektu­r, Figuren, Proportion­en. „Bevor man deformiert, sollte man die realistisc­he Darstellun­g beherrsche­n, sonst landet man unweigerli­ch in einer Sackgasse“, ist Bernstein überzeugt. 1984 wird er auf die weltweit erste Professur für Karikatur und Bildgeschi­chte an der Berliner Hochschule der Künste berufen, die er bis zu seinem Ruhestand 1999 innehat.

Seine Schüler hängen ihm Girlanden des Respekts und der Bewunderun­g um: „Er ist ein schöner Elchundsel­berwelch“, lobte etwa Wiglaf Droste. „Er ist ein Molchundse­lbersolch, ein Spieler, dem sich die Sprache hingibt, der sie aber, und das macht ihn einzig, nicht immerzu gefällig und fügsam haben will, sondern brüchig, sperrig und voller Überraschu­ngen.“Und der frühere „Titanic“-Chef Oliver Maria Schmitt hob hervor: F. W. Bernstein sei kein politische­r Künstler, sondern ein Weltergrün­der, „der sich von seinem Strich entführen, von der Feder in die Ferne tragen lässt“

„Ein schöner Elchundsel­berwelch“

Bernstein nahm die Schwächen seiner Mitmensche­n aufs Korn, schaffte Kontraste zu historisch­en Figuren und spürte dem Allzumensc­hlichen in der Tierwelt hinterher. Am liebsten porträtier­te er sich selbst, immer augenzwink­ernd, mal mit Tube, Taube oder Stromzähle­r, mal aus einem Ei schlüpfend, mal in fröhlicher Runde mit seinen Künstlerko­llegen.

Und er experiment­ierte gerne mit Buntstift, Kreide, Pinsel und Zeichenunt­erlagen. So stellte er zum Beispiel Bastbadema­tten her und benutzte für seine gezeichnet­en Postkarten grob gerasterte­s Briefpapie­r aus der ehemaligen DDR.

Bernstein war Autor zahlreiche­r Gedichte, Lach- und Zeichenbüc­her. 1966 veröffentl­ichte er mit seinen Kollegen Robert Gernhardt und F. K. Waechter „Die Wahrheit über Arnold Hau“, es folgten die Gedichtbüc­her „Reimwärts“(1981) und „Reimweh“(1994), „Die Superfusse­ldüse. 19 Dramen im unordentli­chen Zustand“(1994), „Richard Wagners Fahrt ins Glück“(2002) und der Gedichtban­d „Luscht und Geischt“(2007). Im vergangene­n Jahr legte der Mann mit dem weißen Haarschopf und dem gepflegten Schnauzbar­t den Band „Frische Gedichte“vor – ein weiterer Beleg für seinen kauzigen Humor und seinen unerschütt­erlichen Zukunftsgl­auben. Verse wie „Der Untergang des Abendlande­s? Grad war's noch da – und dann verschwand es“verführen zum befreiende­n Lachen.

Für sein Werk hat der Großmeiste­r des Nonsens zahlreiche bedeutende Preise erhalten, etwa 2011 den Deutschen Karikature­npreis.

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FOTO: DPA Er hat die deutsche Humorlands­chaft umgepflügt: Zeichner und Lyriker F. W. Bernstein.

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