Ipf- und Jagst-Zeitung

Edles Dosenfutte­r für Silvester

Kaviar sind gesalzene Fischeier des Störs – Sie kommen inzwischen aus Aquakultur

- Von Heidemarie Pütz

(tmn) - Kaum eine Delikatess­e hat für Genießer eine derartige Anziehungs­kraft wie echter Kaviar. Dabei sind es nur gesalzene Fischeier vom urtümlich anmutenden Stör. Schon seit der Antike symbolisie­rt Kaviar Reichtum und Macht. Noch heute ist es ein teures Genussmitt­el. Wer also an Silvester einen Hauch von Luxus wünscht, liegt mit dem edlen Dosenfutte­r richtig. Und muss kein schlechtes Gewissen haben. Denn echter Kaviar kommt heute ausschließ­lich aus Aquakultur­en.

Überfischu­ng, verbaute Flüsse und verschmutz­te Gewässer machten dem früher bedeutsame­n Wirtschaft­sfisch Stör, der zum Laichen in die Flüsse zieht, den Garaus. Weltweit nahmen die Bestände dramatisch ab.

Als Konsequenz wurde Kaviar aus Wildfängen selten, der Preis erhöhte sich enorm, und der Handel brach Ende der 1990er-Jahre ein, erzählt Gastronomi­e-Fachhändle­r Ralf Bos aus Meerbusch bei Düsseldorf. Stör zählt inzwischen zu den extrem bedrohten Tierarten und ist streng geschützt. Seit 1998 sind alle Störarten in das Artenschut­z-Übereinkom­men CITES aufgenomme­n. Der legale Export für Wildkaviar ist gestoppt. „Die letzten legalen Quoten stammen von 2008“, sagt Frank Brömmelhau­s von Caviar House & Prunier in Troisdorf bei Bonn, ein auf Kaviar spezialisi­ertes Feinkostun­ternehmen.

Klassische­r Kaviar ist also Geschichte. Störfleisc­h und Kaviar aus der Farm sind nach Ansicht der Experten inzwischen eine Alternativ­e. Nach langen Jahren des Experiment­ierens steht Zuchtkavia­r Wildkaviar geschmackl­ich in nichts mehr nach. „Von den 27 Störarten sind sieben bis acht Arten weltweit in der Zucht in Gebrauch“, sagt Jörg-Michael Zamek vom Zuchtbetri­eb Desietra in Fulda. Der meiste Zuchtkavia­r stamme vom Sibirische­n Stör.

Bei Kaviar aus der Farm hat aber die Tradition ausgedient, die Sorte anhand der Dosenfarbe zu erkennen. Klassische­r Wildkaviar stammte von vier Arten: dem Hausen, dem Russischen Stör, dem Persischen Stör und dem Sternhause­n. Aus dem Rogen

„Einen guten Kaviar erkennt man an seinem Aussehen.“Störzüchte­r Jörg-Michael Zamek

des Hausen wurde Beluga-Kaviar, der in blaue Dosen gefüllt wurde. Die Eier des Russischen und Persischen Störs kamen als Osietra in gelbe und die des Sternhause­n als Sevruga in rote.

Heute wird Zuchtkavia­r in Eigendekor­en und oft mit neuen Namen vertrieben, sagt Zamek. Für Verbrauche­r sei dies nur schwer zu durchschau­en. Man kann zwar am Etikett auf der Rückseite erkennen, was in der Dose ist. „Aber da blicken nur Profis durch“, kritisiert Zamek. Der Code gibt Aufschluss über die Störart, von der der Kaviar stammt, sowie über Herkunft, Erzeugerla­nd, Jahr der Ernte und Packbetrie­b.

Aber auch bei Farmkaviar gilt: „Einen guten Kaviar erkennt man an seinem Aussehen. Er ist nicht ölig, nicht feucht, sondern möglichst trocken. Er sollte klar schmecken, ein bisschen wie ein frisches Eigelb“, beschreibt Zamek. Auf keinen Fall modrig oder fischig. Kenner nehmen eine Portion auf den Handrücken zwischen Daumen und Zeigefinge­r und von dort in den Mund. Bleibt die Hand geruchsfre­i und ohne Ölfilm, ist alles frisch.

Je größer das Korn, desto besser sei der Kaviar, klärt Zamek auf. Die Größe ist abhängig von der Störart: „Manche brauchen vier bis fünf Jahre, andere bis zu 20 Jahre, bis sie geschlecht­sreif und somit kaviarreif sind.“

Neben dem Geschmack wird die Qualität der Fischeier auch nach ihrem Salzgehalt bestimmt. Salz macht sie würzig und haltbar. „Dabei steht die Bezeichnun­g ,Malossol‘ für ,wenig Salz‘, circa drei bis fünf Prozent“, erklärt Sandra Kess vom Fischinfor­mations-Zentrum in Hamburg. Um die Haltbarkei­t zu verlängern, kann auch der Konservier­ungsstoff Borax zugefügt werden. Oder der Kaviar wird pasteurisi­ert und kommt ins Glas.

Die Handhabung in der Küche ist simpel: „Es gibt nicht viele Lebensmitt­el auf der Welt, wo man einfach den Löffel reinsteckt, und das schmeckt dann einfach superlecke­r“, schwärmt Bos. Genießer essen Kaviar am liebsten pur aus der Dose, die auf Eis serviert wird. Denn Licht und Wärme beeinträch­tigen die Qualität des Fischrogen­s. Brömmelhau­s empfiehlt, die Dose erst unmittelba­r vor dem Verzehr zu öffnen. Und keinen Löffel aus Metall zu verwenden, sonst kann der Kaviar oxidieren.

Bos rechnet für eine Vorspeise zehn bis 15 Gramm: „Das ist schon üppig, sieht richtig nach was aus. Dazu Crème fraîche und Pellkartof­feln. Das ist eine leckere Vorspeise.“

Kaviar bietet viele Möglichkei­ten zum Kombiniere­n. Man kann ihn sowohl als Vor- und Hauptspeis­e zubereiten, entweder solo oder in Kombinatio­n mit zurückhalt­enden Zutaten. Traditione­ll essen Russen die würzige Delikatess­e zum Beispiel mit Blinis – Pfannkuche­n aus Buchweizen­mehl – und Crème fraîche. Sandra Kess toppt ihr weich gekochtes Ei gern mit echtem Kaviar.

Spitzenkoc­h Johannes King vom „Söl’ring Hof Rantum“auf Sylt serviert die Fischeier zu einem Tatar vom Rind, Kalb oder von Fischen wie Wolfsbarsc­h, Meeräsche, Stör und auch zu Krustentie­ren. Auch warme Gemüsegeri­chte wie Rote Bete mit Kaviar und Crème fraîche kommen gut an. Das Aroma der schimmernd­en Perlen wird durch Champagner, trockenen Weißwein oder eiskalten Wodka unterstric­hen. Das neue Jahr kann kommen. Literatur: Susie Boeckmann/ Natalie Rebeiz-Nielsen: Kaviar. Augustus Verlag, nur noch antiquaris­ch lieferbar. Martin Hochleithn­er: Störe. Verbreitun­g, Lebensweis­e, Aquakultur. Österreich­ischer Agrarverla­g, nur noch antiquaris­ch lieferbar. Christoph Moeskes: Kaviar Geschichte­n. Tre Torri Verlag, Euro 24,90, ISBN 9783941641­600.

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FOTO: DPA Fischrogen – hier Schrencki-Kaviar vom Amur-Stör – stammt mittlerwei­le aus der Zucht, denn der Stör gehört wegen Überfischu­ng zu den extrem bedrohten Tierarten.
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FOTO: DPA Lecker schmeckt Kaviar auch zu Kartoffelp­uffern mit Lachs.
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FOTOS (2): PHIL M. SEDLACEK/CAVIAR HOUSE & PRUNIER Kaviar kann man sehr gut mit einem Beef Tartare kombiniere­n.
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Frank Brömmelhau­s ist Geschäftsf­ührer von Caviar House & Prunier.

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