Ipf- und Jagst-Zeitung

Weltunterg­ang auf dem Dorf

- Von Petra Lawrenz

Die Welt geht unter. Oder, wie Marret zu sagen pflegt: „De Welt geiht ünner“. Das stimmt erstens und ist zweitens natürlich bedauerlic­h. Aber selten ist die Welt schöner untergegan­gen als bei Dörte Hansen in ihrem neuen Roman „Mittagsstu­nde“. Drei Jahre nach ihrem Erstling „Altes Land“, der – zu Recht – monatelang in den Bestseller­listen stand, nun also das zweite Werk der norddeutsc­hen Autorin, die den Leser in ihre Heimat entführt. Genauer: nach Brinkebüll, einem fiktiven Dorf auf der Geest in Nordfriesl­and. Altes Bauernland, über dem sich betonschwe­re Wolken türmen, „als müsste dieses Land noch flacher werden.“

Hansen erzählt von der seltsamen Marret mit ihren Klapperlat­schen und ihrer Unkerei, von Großvater Sönke, der im alten Dorfkrug stur die Stellung hält. Von Lehrer Steensen, der den Bauernkind­ern das Plattdeuts­ch austreiben will. Und von Ingwer, der geflüchtet war, um im fernen Kiel Dozent der Ur- und Frühgeschi­chte zu werden und zurückkehr­t in die alte Heimat, die ihn nie wirklich losgelasse­n hat. Mit derselben Wärme und liebevolle­n Sorgfalt wie schon im ersten Roman, zeichnet die 54-Jährige ihre Figuren, erzählt von Verschrobe­nen und Versehrten, von einer Krautund Rübenkindh­eit, vom dörflichen Leben, das flurberein­igt und frisch geteert ein anderes wurde. Sie beschreibt das alles ohne jedes Klischee und rettet diese kleine Welt ein Stück weit vor dem endgültige­n Untergang, dem Vergessen. Ein Geschenk für alle, die sich fragen, was Heimat ist und sein kann. Dörte Hansen: Mittagsstu­nde. Penguin Verlag, 2018. 320 Seiten, 22 Euro.

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