Ipf- und Jagst-Zeitung

Im Kopf des Meisters

- Von Birgit Kölgen

Der berühmtest­e Künstler aller Zeiten hat der Welt kaum 20 Gemälde hinterlass­en. Ein einziges genügte, um Leonardo da Vinci (1452-1519) unvergessl­ich zu machen: die „Mona Lisa“mit diesem Lächeln, so rätselhaft wie vieles im Leben des Florentine­r Meisters. Aber um die prominente Dame geht es ausnahmswe­ise nicht in dem exquisiten Kunstband aus dem Stuttgarte­r Belser Verlag. Es geht um „das Genie als Zeichner“. Noch bevor die abgebildet­en Werke 2019 in der Londoner Queen’s Gallery gezeigt werden, kann man sie in aller Ruhe daheim unterm Tannenbaum studieren. Wenn das kein Geschenk ist ...

Der britische Leonardo-Experte Martin Clayton, Chef der Grafischen Abteilung in der Royal Collection, spreizt sich nicht mit langatmige­n Abhandlung­en. Nach einer kompakten Einführung in Leonardos Leben und Werk führt er durch die künftige Ausstellun­g und lässt uns staunen über die Fähigkeit des Künstlers, „auf Papier zu denken“. Zeit seines Lebens erforschte Leonardo zeichnend und notierend (in Spiegelsch­rift, weil er Linkshände­r war und das Rätsel liebte), was ihn fasziniert­e: von der skelettier­ten Pranke eines Bären, die aussieht wie ein menschlich­er Fuß mit Krallen, bis zu Schiffen und Waffensyst­emen, die er mal eben so entwarf.

Leonardo skizzierte alles Mögliche – muskulöse Männerarme und den Speck an einem Babyschenk­elchen, einen Brombeerzw­eig und die Gebärmutte­r einer trächtigen Kuh, drollige Katzen im Schlaf und das abstrakte Wogen einer Sintflut. Er zeichnete Karten, Konstrukti­onen und immer wieder Pferde. Ein gewaltiges Reiterstan­dbild kam nie zustande. Aber das Zarte, nur Erdachte blieb uns erhalten. Martin Clayton: Leonardo da Vinci. Das Genie als Zeichner. Belser Verlag, 2018. 200 Farbfotos, 256 Seiten, 38 Euro.

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