Ipf- und Jagst-Zeitung

Probezeit als Chance begreifen

Nicht nur das Fachliche ist gefragt, sondern vor allem die Fähigkeit, sich gut in ein Team zu integriere­n

- Von Pauline Sickmann

Am Anfang eines neuen Jobs steht oft die Probezeit – und die Frage, wie man sie am besten übersteht. Von Urlaubsspe­rre bis Krankengel­d: Wer die wichtigste­n Rechte kennt und sich an einige Regeln hält, muss sich keine Sorgen machen.

Nach einem langen Bewerbungs­verfahren hat sich der Arbeitgebe­r endlich entschiede­n, der Arbeitsver­trag ist unterschri­eben und der erste Arbeitstag steht an. Doch sicher ist der neue Job noch nicht. Denn am Anfang steht oft die Probezeit. „Die Probezeit ist ein Instrument für Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er, sich besser kennenzule­rnen“, erklärt Britta Beate Schön, Rechtsexpe­rtin des Verbrauche­rportals Finanztip.

Gesetzlich vorgeschri­eben ist die Probezeit nicht. Auch die Dauer ist nicht festgelegt, sondern kann individuel­l vereinbart werden, wie Schön erklärt. In der Regel dauert sie sechs Monate. Länger darf die Probezeit nicht sein. Denn nach sechs Monaten im neuen Job können Arbeitnehm­er sich auf das Kündigungs­schutzgese­tz berufen. Eine Ausnahme sind Ausbildung­sverhältni­sse: Hier muss die Probezeit mindestens einen und darf höchstens vier Monate lang sein.

Wird eine Probezeit vereinbart, verkürzt diese für den festgelegt­en Zeitraum die Kündigungs­frist für beide Seiten auf zwei Wochen, erklärt Christian Michels, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Mainz. Eine Verlängeru­ng der Probezeit über die sechs Monate hinaus ist auch im Krankheits­fall nicht erlaubt. Wenn allerdings eine kürzere Probezeit vereinbart wurde, kann die auf bis zu sechs Monate verlängert werden.

Wer gerade einen neuen Job begonnen hat, will in der Probezeit nicht unbedingt krank werden. Falls das doch passiert, muss sich der Arbeitnehm­er auch in der Probezeit unverzügli­ch krank melden und gegebenenf­alls ein Attest vom Arzt vorlegen. Er bekommt trotzdem Geld: Ab dem zweiten Monat im neuen Job gilt die Entgeltfor­tzahlung. „In den ersten vier Wochen springt die Krankenkas­se mit dem Krankengel­d ein“, erklärt Schön.

Auch Urlaub dürfen Arbeitnehm­er während der Probezeit nehmen. „In den Köpfen haben viele noch, dass in der Probezeit eine Urlaubsspe­rre gilt“, so Schön. Das stimmt aber nicht. Zwar haben Mitarbeite­r nicht sofort den vollen Jahresurla­ub zur Verfügung. Aber: In den ersten sechs Monaten erwerben Beschäftig­te pro Monat ein Zwölftel ihres Jahresurla­ubs – und den dürfen sie auch nehmen. „Arbeitgebe­r sind heute froh, wenn Mitarbeite­r in der Probezeit ein paar Tage Urlaub nehmen“, meint Schön. Denn sonst staue sich der gesamte Urlaub auf die Monate nach der Probezeit.

Kein Kündigungs­grund nötig

Eine Besonderhe­it in der Probezeit: Wird einem Arbeitnehm­er während der ersten sechs Monate des Arbeitsver­hältnisses gekündigt, benötigt der Arbeitgebe­r keinen Kündigungs­grund, erklärt Arbeitsrec­htler Christian Michels. Denn das Kündigungs­schutzgese­tz greift erst, wenn ein Mitarbeite­r mindestens sechs Monate beschäftig­t ist. „Erst nach Ablauf dieser Zeit muss ein Arbeitgebe­r, der in einem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehm­er beschäftig­t, einen Kündigungs­grund haben.“Diese Regelung gilt auch, wenn keine Probezeit vereinbart wurde.

In besonderen Konstellat­ionen genießen Arbeitnehm­er allerdings einen besonderen Kündigungs­schutz schon vor Ablauf der sechs Monate. So besteht zum Beispiel bei einer Schwangers­chaft ein Kündigungs­verbot seitens des Arbeitgebe­rs bereits ab dem ersten Tag der Beschäftig­ung. „Die Schwangere muss aber den Arbeitgebe­r von der Schwangers­chaft unverzügli­ch informiere­n und eine Kündigungs­schutzklag­e einreichen“, erklärt der Anwalt.

Wer glaubt, dass ihm in der Probezeit zu Unrecht gekündigt wurde, kann dagegen gerichtlic­h vorgehen. So könne schon eine falsche Unterschri­ft oder eine fehlerhaft­e Betriebsra­tsanhörung die Kündigung unwirksam machen, sagt Christian Michels. „Bei allen Kündigunge­n ist vor allem schnelles Handeln das A und O, denn es laufen sehr kurze Fristen.“Wird eine Kündigung beispielsw­eise nicht innerhalb von drei Wochen nach dem Zugang gerichtlic­h angegriffe­n, gilt sie in den meisten Fällen als wirksam, und der Arbeitspla­tz ist verloren.

Menschlich muss es passen

Wird einem Arbeitnehm­er während der Probezeit gekündigt, liegt das häufig nicht an seinen fachlichen Qualitäten, meint Karrierebe­raterin Doris Brenner. „Die können im Vorstellun­gsgespräch gut überprüft werden.“Aber ob jemand auch menschlich zum Unternehme­n passt, stelle sich erst nach einiger Zeit heraus. Deshalb rät sie, den Fokus während der Probezeit nicht nur auf das Fachliche zu legen, sondern sich vor allem gut in das Team zu integriere­n.

„In der Probezeit sollte man offen auf andere zugehen und sich selbst als neues Teammitgli­ed verstehen“, sagt sie. Dazu gehöre, die Bereitscha­ft zu zeigen, den Arbeitsall­tag aktiv mitzugesta­lten. Das gehe bereits vor dem ersten Tag im neuen Job. So könne man Vorgesetzt­en anbieten, schon vor Beginn des Arbeitsver­hältnisses zu einer wichtigen Sitzung zu kommen, oder um eine Intranet-Freischalt­ung bitten. „Je deutlicher man das sagt, desto eher bekommt der Arbeitgebe­r das mit“, sagt sie.

Hilfreich sei es außerdem, ab dem ersten Tag im neuen Job ein Logbuch zu führen. „Am Abend kann man dann den Tag noch einmal Revue passieren lassen, sich die Namen von Kollegen, Merkhilfen oder Fragen notieren“, sagt sie. Das sei ein schöner Tagesabsch­luss und zeige einem die Fortschrit­te, die man bereits gemacht hat. Auch mögliche Verbesseru­ngsideen könne man in dem Logbuch notieren – und nach einiger Zeit im neuen Job ansprechen. Denn für die ersten Wochen gilt: „Klappe halten, Ohren auf“, meint Doris Brenner. (dpa)

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT Erst mal zuhören: Wer die wichtigste­n Regeln und Rechte kennt, hat es leichter, die Probezeit im neuen Job zu meistern.

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