Hilfe gegen Einsamkeit an Weihnachten
So kümmern sich Kirchen- und Privatleute darum, dass Menschen am Fest nicht alleine sind
- Eigentlich wollte Anja aus Friedrichshafen Weihnachten mit ihrem Freund in Mönchengladbach verbringen. Doch kurz vor den Feiertagen haben sich beide getrennt. Der Gedanke, jetzt Weihnachten alleine verbringen zu müssen, machte Anja traurig. „Letztes Jahr war ich auch schon allein“, erinnert sie sich.
Mit dieser Situation ist Anja jedoch nicht allein, viele fühlen sich an Heiligabend einsam: Sie sind verwitwet, haben keine Familie oder wollen nicht mit ihrer Familie feiern – wie etwa David aus Tuttlingen. „Der Bezug zu meiner Familie ist nicht das, was man sich wünscht. Aber wer ist schon gerne alleine an Weihnachten“, sagt er. Für Menschen wie Anja und David engagieren sich Bürger überall im Südwesten, die etwas gegen die Einsamkeit an Weihnachten tun wollen.
Seit 2003 lädt das Diakonische Werk Neu-Ulm etwa in die sogenannte Diakonie-Herberge ein. „Es gibt ein weihnachtliches Essen, das gesponsert wird, und eine Andacht“, erzählt Heike Bayer vom Diakonischen Werk. „Vor 16 Jahren haben wir mit acht Gästen angefangen. Im vergangenen Jahr waren es dann 360“, erzählt die Organisatorin. Diese Steigerung mache deutlich, wie groß die Not in der Region ist – finanziell wie psychisch. Denn die Herberge sei nicht nur für Obdachlose und Bedürftige, wie viele annehmen, sondern auch für Ältere und Menschen mit Migrationshintergrund.
Wachsende Nachfrage
Auch Peter Meyer bemerkt, dass solche Angebote auf eine wachsende Nachfrage stoßen. Er arbeitet bei der Stuttgarter Stadtmission der Evangelischen Gesellschaft. Die Einrichtung veranstaltet jedes Jahr eine Weihnachtsfeier für mittellose, alleinstehende und obdachlose Menschen in der Landeshauptstadt. Mehr als 1200 Gäste seien im vergangenen Jahr dabei gewesen. „Das Fest ist wichtig, auch in einer wirtschaftsstarken Region wie Stuttgart leben immer mehr Menschen, die sich an Heiligabend nicht einmal ein warmes Essen leisten können, die alleine sind“, sagt Meyer.
Nicht immer kommen Fremde zusammen, weil sie sich einsam fühlen. So veranstaltet Rita Thurner und zwei weitere Frauen aus Ravensburg zum dritten Mal ehrenamtlich ein Weihnachtsfest im Pfarrsaal der Christköniggemeinde für all diejenigen, die an Heiligabend gerne etwas Neues probieren und das Fest in Gemeinschaft verbringen wollen. „Die Weihnachtsfeier richtet sich an Menschen jeden Alters und jeder Herkunft, über Kirchengrenzen hinweg“, meint Rita Thurner.
Um Obdachlosen in der Region ein schönes Weihnachtsfest anzubieten, sind auch auf der Ostalb Ehrenamtliche an Heiligabend eingebunden: „Wir schmücken unsere Räume und bieten neben einer Andacht auch ein Mittagessen an, das gespendet wird“, erklärt Wolfgang Lohner von der Wohnungslosenhilfe der Caritas Ost-Württemberg. Bis zu 60 Personen feierten so jeweils in Aalen, Schwäbisch Gmünd und Heidenheim.
Auch online werden immer mehr Angebote für die Menschen vermittelt, die sich für Heiligabend Gesellschaft wünschen. Eine Art bundesweite Vermittlungsbörse für Weihnachten hat beispielsweise Christian Fein aus Worms im vergangenen Jahr auf Twitter gegründet. „Nach der Trennung von meiner Frau habe ich Ablenkung an den Feiertagen gesucht“, erzählt der Initiator. Auf seinen Aufruf hatten sich zahlreiche Menschen, die auch alleine waren, gemeldet. „Das hat mir gezeigt: Das Bedürfnis für so ein Angebot ist da, Einsamkeit zieht sich quer durch die Gesellschaft“, berichtet Fein.
In sozialen Netzwerken tätig
Nachdem die evangelische Kirche auf Fein zugegangen war, entwickelte er ein größeres Konzept für dieses Jahr, das in sozialen Netzwerken unter dem Hashtag „keinerbleibtallein“beworben wird. Eine Woche vor Heiligabend haben sich Fein zufolge bereits 7300 Menschen gemeldet, die entweder einsame Menschen aufnehmen möchten oder ein Angebot suchen. Fein will mit seiner Aktion Einsamkeit bekämpfen. „Gerade an Weihnachten hat man da den Vorteil, dass die Menschen offen und bereit sind, auf andere zuzugehen“, sagt er.
Auf dem gleichen Prinzip basiert die Aktion „Weihnachten (nicht) allein“auf Facebook. Die ehemalige Stuttgarterin Heike Paulus rief die Gruppe vor einem Jahr ins Leben. „Damals habe ich nur Leute in Baden-Württemberg vermittelt. Dieses Jahr läuft das Ganze bundesweit“, erklärt Paulus. Während vor allem in großen Städten wie Hamburg oder Berlin Menschen zusammengebracht werden könnten, sei es im ländlichen Raum durchaus schwieriger. Sarah Blaschke aus Welzheim bei Stuttgart war Gastgeberin im vergangenen Jahr. „Ich habe zwei Frauen um die 40 Jahre zu mir nach Hause eingeladen, mit denen ich davor nur kurz telefoniert hatte. Die Harmonie war sofort da zwischen uns und ich kann das jedem nur empfehlen“, erzählt die 28-Jährige.
Anja aus Friedrichshafen und David aus Tuttlingen wollen in diesem Jahr bei der Aktion von Heike Paulus mitmachen. Wenige Tage vor Weihnachten haben sie zwar noch keinen Gastgeber gefunden. Doch schon der Austausch in der Gruppe hat geholfen, sagen die beiden. „Die Aktion ist toll und wenn ich selbst einen Christbaum hätte, würde ich auch Leute einladen“, sagt Anja.