Ipf- und Jagst-Zeitung

Steinmeier wirbt für respektvol­len Streit

- Von Markus Sievers, Berlin

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier fordert in seiner Weihnachts­ansprache, wieder mehr miteinande­r zu reden und die demokratis­che Debatte zu wagen. „Mehr noch als der Lärm von manchen besorgt mich das Schweigen von vielen anderen“, so das Staatsober­haupt laut seinem Manuskript für die Rede, die am ersten Weihnachts­feiertag ausgestrah­lt wird. „Wir müssen wieder lernen zu streiten, ohne Schaum vor dem Mund, und lernen, unsere Unterschie­de auszuhalte­n.“

Smartphone­s, E-Mails, Chats per WhatsApp oder Facebook sind in Deutschlan­d allgegenwä­rtig geworden. Dennoch, trotz dieser permanente­n Kommunikat­ion, vermisst der Bundespräs­ident den Austausch untereinan­der. „Ich habe den Eindruck, wir Deutsche sprechen immer seltener miteinande­r. Und noch seltener hören wir einander zu.“Dass dies auch als Kritik an den Online-Foren zu verstehen ist, daran lässt Steinmeier keinen Zweifel. „Wo immer man hinschaut, erst recht in den Sozialen Medien: Da wird gegiftet, da ist Lärm und tägliche Empörung.“

Für Steinmeier, der seit seinem Amtsantrit­t im Schloss Bellevue den Einsatz für unsere Demokratie zu seinem Thema gemacht hat, ist damit auch eine politische Botschaft verbunden. Ihm geht es um den inhaltlich­en Diskurs, den harten, aber fairen Streit um die Sache, den eine lebendige Demokratie braucht. „Immer mehr Menschen ziehen sich zurück unter ihresgleic­hen, zurück in die eigene Blase, wo immer alle einer Meinung sind – auch einer Meinung, wer nicht dazugehört.“

Familie als positives Beispiel

Als positives Beispiel nennt das Staatsober­haupt die politische Diskussion beim Familienbe­such über die Feiertage, auch wenn es da unter Verwandten schon einmal zu Konflikten kommen könne. „Wie gut, dass wir diskutiere­n. Wie gut, dass wir miteinande­r reden. Wenn ich mir für unser Land eins wünschen darf, dann: mehr davon!“

„Sprachlosi­gkeit heißt Stillstand“– lautet die Warnung des Bundespräs­identen. Und so richtet er eine ganz direkte Aufforderu­ng an jeden Einzelnen, die er als seinen „Weihnachts­wunsch“bezeichnet: „Sprechen Sie mit Menschen, die nicht Ihrer Meinung sind. Sprechen Sie bewusst mal mit jemandem, über den Sie vielleicht schon eine Meinung haben, mit dem Sie aber sonst kein Wort gewechselt hätten.“

Trotz aller Sorgen aber steht Deutschlan­d mit seiner demokratis­chen Kultur im internatio­nalen Vergleich alles andere als schlecht da – auch dies hebt Steinmeier hervor. Und er erinnert an Gesellscha­ften, die auseinande­rdriften, weil „eine Seite mit der anderen kaum noch reden kann, ohne dass die Fetzen fliegen“. Beispiele dafür seien die brennenden Barrikaden in Paris, die tiefen politische­n Gräben in den USA, die Sorgen in Großbritan­nien vor dem Brexit und die Zerreißpro­ben für Europa in Ungarn, Italien und anderswo. Auch hierzuland­e gebe es Ungewisshe­it, Ängste, Wut. Aber Steinmeier betont auch: „Unsere Demokratie ist stark.“

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FOTO: DPA Frank-Walter Steinmeier

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