Ipf- und Jagst-Zeitung

Heikles Erbe

Für familienge­führte Bauernhöfe ist der Generation­swechsel eine Herausford­erung – Ein Beispiel aus Biberach

- Von Selina Ehrenfeld

- Frühstück gibt es bei Josef Weber an diesem Morgen erst spät. Seit sechs Uhr war er bereits auf den Beinen und hat gearbeitet. „Jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee“, sagt der Landwirt zu seiner Frau Paula Weber und zieht dabei gemächlich seine Arbeitssti­efel aus. Ihre Söhne David und Philipp kommen nach einer Weile ebenfalls in die große Stube des alten Bauernhofs in Mettenberg bei Biberach. Beide haben etliche Dinge im Kopf, die sie an diesem Tag erledigen müssen. Sie sind die Chefs im Haus - auch von ihrem Vater Josef. Seit drei Jahren gehört ihnen der Familienbe­trieb. Nicht immer gelingt die Hofübergab­e an die nächste Generation so gut, wie bei der Familie Weber.

„Als ich noch jung war, da war das mit der Hofübergab­e eine Selbstvers­tändlichke­it“, erinnert sich Josef Weber. „Der Älteste wird der Bauer. Mein Vater übernahm also den Hof vom Großvater und so weiter.“Mittlerwei­le sind er und seine Frau sogenannte Altenteile­r, haben ihren Hof schon an die nächste, die siebte Generation übergeben. Mit Altenteil ist der Anteil am Hof gemeint, den sich die bisherigen Eigentümer nach Übergabe vorbehalte­n, um die Altersvers­orgung zu sichern. Paula und Josef Weber beispielsw­eise bekommen Rente vom Hof, den sie vor 30 Jahren auf ökologisch­e Landwirtsc­haft umgestellt hatten. „Ich kümmere mich aber weiterhin um unseren Hofladen, das ist quasi mein Bereich. Mein Mann ist zusätzlich auf 450-Euro-Basis auf dem Hof angestellt“, erklärt Paula Weber.

Bauernhöfe sind Familiensa­che

In keinem anderen Bereich sind Familie und Betrieb so eng verbunden, wie in der Landwirtsc­haft. Vor allem im Südwesten ist es hauptsächl­ich Familiensa­che, konkret sind neun von zehn landwirtsc­haftlichen Betrieben in Baden-Württember­g Familienbe­triebe. Auf rund 80 Prozent dieser Bauernhöfe arbeiten ausschließ­lich Familienmi­tglieder. Doch die Zahlen zeigen: Es gibt immer weniger landwirtsc­haftliche Betriebe. Laut Statistisc­hem Landesamt in Baden-Württember­g gab es 2016 rund 40 600 von ihnen, 2010 waren es noch 44 500 Betriebe. Das sind rein rechnerisc­h zwei Betriebe pro Tag weniger. Familien stehen in der Landwirtsc­haft oft unter finanziell­em Druck. Doch eines der größten Probleme für Bauernfami­lien ist die Hofübergab­e. Wenn kein Nachfolger in der Familie gefunden wird, muss das Land verkauft werden. Deshalb werden die übrigen landwirtsc­haftlichen Betriebe gleichzeit­ig immer größer, da sie das entspreche­nde Land abkaufen.

Die Hofübergab­e ist ein höchst emotionale­s Thema, weiß Niklas Kreeb, Geschäftsf­ührer beim Kreisbauer­nverband Biberach-Sigmaringe­n. Seit fünf Jahren betreut er Hofübergab­en. „Es gibt natürlich viele Erfolgserl­ebnisse. Aber manchmal funktionie­rt eine Übergabe auch überhaupt nicht. Meist machen die Besitzer dann einfach weiter oder verpachten ihren Hof“, erklärt Kreeb. Denn bei all den Konflikten, die dabei auf den Tisch kämen, könne oft einfach keine Einigung erzielt werden. „Den Übergebern geht es um eine Absicherun­g neben der Rente, der Nachfolger braucht jedoch auch eine finanziell­e Basis. Wenn der Hof dabei nicht viel abwirft, wird es schwierig, sich auf einen fairen Betrag zu einigen“, erklärt Kreeb. Darüber hinaus kämen die Eltern bei der Vermögensv­erteilung oft in das Dilemma, alle Geschwiste­r gleich zu behandeln. „Wenn nicht jeder den Hof übernehmen will wird es schwierig, wenn dieser aber den Hauptteil des Vermögens ausmacht“, sagt Kreeb.

Josef und Paula Weber haben ihren Betrieb bereits 2015 an ihre Söhne Philipp und David übergeben – den Hof in Mettenberg aus der Familie von Josef Weber an Philipp und den Hof mütterlich­erseits in Eichen an David. Die anderen drei Geschwiste­r hätten eine Verzichtse­rklärung unterzeich­net. Einfach sei es für die Familie bei der Übergabe nicht gewesen. Man merkt Paula Weber an, dass die Hofübergab­e ein sensibles Thema in der Familie ist, wenn sie darüber spricht.

„Weil Familie, Eigentum und das Unternehme­n hier so eng aneinander liegen, kommen verschiede­nste Erwartunge­n zusammen“, erklärt Agrarökono­min und Mediatorin Silvia Riehl. „Der Vater hat zum Beispiel lange das Sagen, als Familienob­erhaupt und Chef des Betriebs. Übernimmt der Sohn, stellt sich dann schnell die Frage, wer wann die letzte Entscheidu­ngsinstanz innehat“, sagt sie. Jeder nehme mehrere Rollen gleichzeit­ig ein. Es sei deshalb unverzicht­bar, offen miteinande­r zu

„Man sollte bei einer Hofübergab­e alles offen ansprechen – auch wenn es wehtut.“ Bäuerin Paula Weber

reden und die Hofübergab­e gründlich zu planen. Das bestätigt auch Niklas Kreeb, der regelmäßig mit Streiterei­en innerhalb einer Familie aufgrund der Hofübergab­e zu tun hat.

Die Zahlen zur Altersstru­ktur landwirtsc­haftlicher Betriebsin­haber vom Statistisc­hen Bundesamt verdeutlic­hen, wie schwer sich Hofbesitze­r tun, die Übergabe rechtzeiti­g zu vollziehen: Waren 2010 noch 32 Prozent der Hofbesitze­r jünger als 45 Jahre, so ist dieser Anteil bis 2016 auf 25 Prozent zurückgega­ngen. Der Anteil von Betriebsin­habern, die 55 Jahre oder älter sind, ist hingegen von 32 auf 40 Prozent gestiegen.

Das zeigt auch die Familienge­schichte der Webers. „Meine Schwiegere­ltern haben den Hof damals erst ganz spät überschrie­ben bekommen. Aus diesen Erfahrunge­n hat unsere Familie gelernt und wollte es anders machen“, sagt Paula Weber. Auch bei der Übergabe des Hofs ihrer Eltern sei nicht alles reibungslo­s verlaufen. Dass die Familie Weber jetzt aber mit zwei voneinande­r getrennten Betrieben dasteht, macht finanziell einen entscheide­nden Unterschie­d, sagt David Weber. Wenn er über die Landwirtsc­haft spricht, ist ihm anzumerken: Der 34-Jährige lebt für seinen Beruf. Seit jungen Jahren hat er auf dem elterliche­n Hof mitgeholfe­n. „Schon in der Grundschul­e war mir klar, ich werde Bauer“, erzählt er, während er hastig mit einer Hand das Honigbrot hält und mit der anderen schon nach der Tasse Tee greift. Zeit für ein ausgiebige­s Frühstück gibt es für einen Landwirt eben nicht.

Regelmäßig kommt die Familie Weber am Esstisch zusammen, mittlerwei­le schon in drei Generation­en, denn die Hofbesitze­r Philipp und David haben auch schon Kinder. Sind die Männer unter sich, wird meist über den Hof gesprochen. Der Vater wird weiterhin miteinbezo­gen, will sich aber nicht ungefragt einmischen. „Jedem Hofbesitze­r rate ich, der nächsten Generation nicht zu viel vorzuschre­iben“, rät David. Denn der Druck auf den Nachfolger sei so schon groß genug. „Eigentum verpflicht­et und man will der Generation vor einem gerecht werden, das erhalten, was die Eltern aufgebaut haben“, erzählt David. „Man sollte bei einer Hofübergab­e alles offen ansprechen – auch wenn es weh tut“, ergänzt Mutter Paula.

Viele suchen Beratung

Immer mehr Familien holen sich deshalb Hilfe von außen. Mehr als 20 Beratungss­tellen und sieben Sorgentele­fone hat die Bundesarbe­itsgemeins­chaft (BAG) Familie und Betrieb bisher für die Familienbe­ratung in der Landwirtsc­haft eingericht­et. Denn die Nachfrage nach Beratungsg­esprächen steigt stetig, bestätigt eine Sprecherin des BAG – auch beim Thema außerfamil­iäre Hofübergab­e. Wenn sich Familien nicht einig werden können oder die nächste Generation andere Berufe erlernt, dann müssen die Hofeigentü­mer auf ganz andere Lösungen zurückgrei­fen. „Die klassische Hofübergab­e an die Kinder ist aus der Zeit gefallen, die Landwirtsc­haft befindet sich im Wandel“, erklärt Rainer Winter von der Deutschen Landwirtsc­hafts-Gesellscha­ft. Hofbesitze­r müssten zunehmend komplexere Modelle nutzen, um den Betrieb zu erhalten oder an Fremde übergeben. „Die Betriebsmo­delle werden komplexer, damit der Hof eine wirtschaft­liche Perspektiv­e hat“, sagt Winter.

Bei der Familie Weber zumindest hat die klassische Hofübergab­e bis heute noch gut funktionie­rt. Sie haben den Hof zwar nicht ganz ohne Konflikt aber am Ende doch erfolgreic­h an die nächste Generation übergeben können.

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FOTO: VOLKER STROHMAIER Die Großfamili­e Veronika, Philipp mit Ida, Josef, Paula, David und Andrea mit Nathanael Weber (von links): Vor allem in Baden-Württember­g ist die Landwirtsc­haft hauptsächl­ich Familiensa­che.

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