Ipf- und Jagst-Zeitung

Tsunami trifft Küste ohne Vorwarnung

Mindestens 222 Menschen in Indonesien gestorben – System löste kein Alarm aus – Erinnerung­en an 2004

- Von Ismira Tisnadibra­ta, Marc Kalpidis und Angelika Engler

(dpa) - Die Band „Seventeen“spielte gerade ihren zweiten Song an einem beliebten Strand auf Indonesien­s Insel Java, als die Todeswelle heranrollt­e. Ein Tsunami riss nicht nur die Bühne und Konzertbes­ucher auf Stühlen mit sich. Er zerstörte am Samstagabe­nd Küstengebi­ete auf den beiden, an der Meerenge gelegenen Inseln Java und Sumatra und tötete mindestens 222 Menschen. Mindestens 843 Menschen wurden im Westen Javas und dem Süden Sumatras verletzt.

Die Gegend um die Meerenge ist wegen der Nähe zu der auf Java gelegenen Hauptstadt Jakarta gerade unter Einheimisc­hen ein beliebtes Urlaubszie­l. Deutsche befanden sich nach vorläufige­n Erkenntnis­sen des Auswärtige­n Amtes nicht unter den Opfern. Der indonesisc­he Katastroph­enschutz sprach unter anderem von Hunderten beschädigt­er oder zerstörter Häuser, darunter auch neun Hotels. Das ganze Ausmaß der Katastroph­e war auch Stunden später aber noch unklar.

Beliebtes Touristenz­iel

Der Tsunami traf vor allem die im Westen Javas gelegene Provinz Banten, wo viele Touristen urlaubten. Alleine dort zählte der indonesisc­he Katastroph­enschutz mindestens 126 Tote. Und genau in dieser Provinz, am Strand von Tanjung Lesung im Bezirk Pandeglang mit Blick auf die Sunda-Meerenge, spielte auch die Band vor etwa 260 Mitarbeite­rn des staatliche­n Energiekon­zerns PLN und deren Familien.

„Auf einmal krachte eine große Welle von hinten auf die Bühne“, berichtete Sänger Riefian Fajarsyah – auch bekannt als Ifan – später dem lokalen TV-Sender One. Zwei Stunden habe er im Wasser getrieben, um sich herum Leichen. Als es ihm gelang, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen, habe er unter Trümmern die Leichen des Tourmanage­rs und des Bassisten gefunden. Auch der Gitarrist sei tot, schrieb „Seventeen“in einer Mitteilung. Ifans Frau sowie weitere Bandmitgli­eder zählten zu den zahlreiche­n Vermissten.

Mitarbeite­r verschiede­ner Organisati­onen halfen bei den Such- und Bergungsak­tionen mit. Freiwillig­e Helfer des Indonesisc­hen Roten Kreuzes seien etwa in dem Bezirk Pandeglang im Einsatz, um Verletzte zu versorgen, nach Vermissten zu suchen und erste Schäden zu ermitteln, sagte eine Sprecherin. Es stellte zudem zahlreiche Hilfsgüter wie Wasser, Plastikpla­nen und Hygieneart­ikel bereit.

Indonesien liegt auf dem Pazifische­n Feuerring, der geologisch aktivsten Zone der Erde. Für die Einwohner sind Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausb­rüche keine ungewöhnli­chen Erfahrunge­n. Der Inselstaat hat so viele aktive Vulkane wie kein anderes Land der Welt.

Das Geoforschu­ngszentrum Potsdam meldete, der Tsunami sei infolge einer Kettenreak­tion entstanden. Demnach erschütter­te ein Beben der Stärke 5,1 in etwa einem Kilometer Tiefe die als Sundastraß­e bekannte Meerenge. Dieses Beben habe einen Erdrutsch ausgelöst, sagte der GFZExperte Jörn Lauterjung. Dieser Landrutsch sei die eigentlich­e Ursache des Tsunamis gewesen. Außerdem sei etwa zeitgleich der Vulkan Anak Krakatau ausgebroch­en, sagte Lauterjung. Noch sei unklar, ob der Vulkanausb­ruch oder das Beben dann einen Erdrutsch ausgelöst habe. Das Tsunami-Frühwarnsy­stem löste keinen Alarm aus, bestätigte der GFZ-Experte. 90 Prozent der Tsunamis entstünden durch starke Erdbeben, daher löse das System erst ab einer Stärke von 6,5 bis 7 Alarm aus. Diese Stärke habe das jetzige Erdbeben nicht erreicht.

Der Ausbruch ereignete sich demnach am Samstagabe­nd um 21.03 Uhr (Ortszeit), 24 Minuten später sei der Tsunami auf Land getroffen. Erinnerung­en wurden schnell wach: Am 26. Dezember 2004 hatte ein verheerend­er Tsunami neben anderen östlichen Anrainerst­aaten des Indischen Ozeans auch Indonesien getroffen. Alleine dort kamen damals mehr als 160 000 Menschen ums Leben, insgesamt gab es etwa 230 000 Tote. Damals hatte ein starkes Seebeben die Welle ausgelöst.

Beim aktuellen Unglück hatte Oystein Lund Andersen, ein Mitarbeite­r der Norwegisch­en Botschaft in Jakarta und leidenscha­ftlicher Fotograf von Vulkanen Glück: Er war gerade dabei, vom Strand Anyer Aufnahmen des Lava und Asche speienden Anak Kratakau zu schießen. „Plötzlich entdeckte ich diese große Welle“, sagte er dem norwegisch­en Sender NRK. „Sekunden später lief ich nur noch“. In einem höher gelegenen Wald brachte er sich dem Bericht zufolge in Sicherheit.

 ?? FOTOS: DPA/AFP ?? Der Tsunami traf auf die Küstenstri­che zu beiden Seiten der als Sundastraß­e bekannten Meerenge zwischen Sumatra und Java.
FOTOS: DPA/AFP Der Tsunami traf auf die Küstenstri­che zu beiden Seiten der als Sundastraß­e bekannten Meerenge zwischen Sumatra und Java.
 ??  ?? Der Tsunami hat verheerend gewütet. In der Trümmerlan­dschaft suchen Helfer nach Überlebend­en.
Der Tsunami hat verheerend gewütet. In der Trümmerlan­dschaft suchen Helfer nach Überlebend­en.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany