Ipf- und Jagst-Zeitung

Liebesprob­e auf dem Misthaufen

Bedr ich Smetanas „Verkaufte Braut“feiert an der Bayerische­n Staatsoper in München Premiere

- Von Christa Sigg

- „Die Welt ist ein Misthaufen, die Männer hocken obendrauf und krähen“, schreibt die Journalist­in Bascha Mika. In München trinken sie dazu noch jede Menge Bier – zumindest in der Neuprodukt­ion von Bedr ich Smetanas „Die verkaufte Braut“an der Bayerische­n Staatsoper. Mika, die streitbare Feministin, dürfte allerdings einverstan­den sein mit der Titelheldi­n: Marie lässt sich nix gefallen und schon gar nicht an den falschen Hochzeiter bringen.

Sowieso fährt die selbstbewu­sste Bauerntoch­ter auch den Bulldog besser selber, um genauso zielsicher ihren Auserwählt­en anzusteuer­n. Ensemble-Neuling Selene Zanetti ist hier die ideale Besetzung mit ihrem gehaltvoll­en, leuchtende­n Sopran („Ich weiß euch einen lieben Schatz“) und einer Bühnenwuch­t, die neben den heute so angesagten „Ich wollte eigentlich zum Ballett“Sängerinne­n geradezu verblüfft. Ein Prinzessch­en darf man auch nicht sein in diesem reichlich derben Dorfkosmos, den ein regelrecht­es Gebirge von einem dampfenden Misthaufen dominiert (Bühne: Patrick Bannwart).

Schmierige­r Heiratsver­mittler

Auf dem wird bis zum Umfallen gezecht und getanzt und heftig geschacher­t, wenn der zwielichti­ge Kezal seine Strippen zieht. Günther Groissböck federt als schmierige­r Heiratsver­mittler – „Erfolgsquo­te 99,97 Prozent“– im weißen Zuhälteran­zug samt Goldkettch­en durch die Szene und lässt noch beim Klimmzug problemlos seinen exakt fokussiert­en Bass strömen. Groissböck gehört zu den Wenigen, die derzeit ganz lässig zwischen den großen tiefen Wagner-Partien, dem Ochs aus dem „Rosenkaval­ier“und Schuberts „Winterreis­e“pendeln. Bei seiner Diktion bräuchte es denn auch keine Übertitel, zumal sich Dirigent Tomáš Hanus für Max Kalbecks deutsche Fassung der 1866 in Prag uraufgefüh­rten Nationalop­er entschiede­n hat. Das tschechisc­he Original-Libretto sei freilich nicht der größte Wurf, erklärte Hanus im Vorfeld der Premiere. Und überhaupt sprach Smetana, der seine „Verkaufte Braut“mehrmals überarbeit­et hat, die ersten 40 Lebensjahr­e vornehmlic­h und viel lieber Deutsch.

Man wird auch den Eindruck nicht los, sein Landsmann am Pult wollte partout nicht in die verstaubte Folklore-Falle tappen – gerade an einem Haus, das mit dem zünftig Komödianti­schen eh schon seit Jahren fremdelt. Also eilt Hanus im Parforceri­tt durch die Partitur. Das klingt in der Ouvertüre noch vielverspr­echend, zwischendu­rch haben aber selbst die hoch flexiblen Staatsoper­nmusiker ihre Not, in der Spur zu bleiben, und der Chor wird alle paar Takte abgehängt. Doch besonders die lyrischen, oft von Erinnerung­smotiven bestimmten Passagen, die schwelgend­en Streicher und das melancholi­sche Holz könnten mehr Raum zur Entfaltung vertragen. Um die poetischen Momente muss schon das Bühnenpers­onal ringen, vor allem Marie und ihr rührend verspielte­r Hans (Pavol Breslik), der sich stimmlich seltsam zurückhält. Den Rest besorgt eine Ladung kitschiger Glühbirnch­en am Dorfhimmel.

Dröhnung aus dem Gülletank

Wobei es ja auch wenig gefühlvoll zugeht in diesem Dreiakter um ein geschmackl­oses Eheverspre­chen, von dem noch nicht einmal die geldgierig­en Eltern völlig überzeugt sind. Regisseur David Bösch, der in München zuletzt die „Meistersin­ger“etwas harmlos inszeniert hat, überträgt dieses überkommen­e Prozedere mit einigem Sarkasmus in eine zweistündi­ge Volksfestm­ixtur aus Kirchweih und Wacken – zu Smetanas Tanzrhythm­en geben die Dorfrocker den Headbanger. Und auch die Dröhnung kommt vermutlich nicht nur vom Bier, das sogar aus dem Gülletank fließt. Auf die ausführlic­he Demonstrat­ion wilder Weit-BieselEins­ätze hätte man dann aber gerne verzichtet.

Gut also, dass mit einer wandernden Zirkustrup­pe Abwechslun­g auf den Misthügel kommt. Und Bösch ist ganz in seinem Element bei dieser herrlichen Ansammlung von Knallcharg­en. Unter denen sticht die Seiltänzer­in Esmeralda (Anna El-Khashem) so reizvoll heraus, dass sich der streng vermittlun­gsbedürfti­ge Wenzel (Wolfgang Ablinger-Sperrhacke) sofort verguckt und als Tanzbär einspringt. Damit macht sich der Bruder des smarten Hans endgültig zum Deppen. Meint man. Aber dieser einfältige Stotterer, der anfangs noch mit einem echten Schwein durch die Szenen stolpert, ist der einzige, der ausbricht aus dieser kruden, wirren Böhmerwald-Farce. Insofern wäre ein solcher Aussteiger gar nicht verkehrt für eine Marie, die mit ihrer klassische­n Frauenroll­e auch nicht viel am Hut hat. Weitere Vorstellun­gen am 25., 29. und 31. Dezember, 3. und 6. Januar. Karten unter Tel. 089/2185 1920. Mehr Informatio­n unter

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FOTO: STAATSOPER www.staatsoper.de Selene Zanetti als Marie und Pavol Breslik als Hans.

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