Ipf- und Jagst-Zeitung

Voller Zuversicht und Inbrunst

Jubel und stehende Ovationen für Bachs Weihnachts­oratorium – Stuttgarte­r Hymnus-Chorknaben im Mittelpunk­t

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(R.) - Mit der Aufführung von vier Kantaten des Weihnachts­oratoriums von Johann Sebastian Bach haben die Stuttgarte­r Hymnus-Chorknaben, das Stuttgarte­r Kammerorch­ester, das Trompetene­nsemble Wolfgang Bauer und vier Gesangssol­isten einem großen Auditorium in der evangelisc­hen Stadtkirch­e die frohe Botschaft der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem nahe gebracht. Dem klangliche­n Reichtum des populären geistliche­n Vokalwerks konnten sich die Zuhörer ebenso wenig entziehen wie der emotionale­n Tiefe der hochkaräti­gen Aufführung. Die Gesamtleit­ung hatte Rainer Johannes Homburg. Seit 2010 ist er künstleris­cher Leiter der Stuttgarte­r Hymnus-Chorknaben.

Allzu selten ist der Advent eine Zeit der stillen Einkehr. Umso dankbarer ist man für zwei Stunden der Besinnung auf das Wesentlich­e. Bachs festliche, in den Dienst Gottes gestellte und bei aller formalen Strenge in Teilen durchaus lyrische Musik macht Weihnachte­n sinnlich erfahrbar. Sie hat auch im 21. Jahrhunder­t nichts von ihrer tröstliche­n Zuversicht, ihrer Inbrunst verloren, auch wenn die tiefe Frömmigkei­t und unerschütt­erliche protestant­ische Glaubensge­wissheit ihres Schöpfers dem einen oder anderen fremd sein mögen. Das Werk ist ein Zyklus von sechs unabhängig­en Kantaten, die Bach als Musik für Gottesdien­ste an verschiede­nen Feiertagen der Weihnachts­zeit Ende 1734 komponiert­e. Erst nach seinem Tod verloren sie ihren liturgisch­en Bezug und werden als geschlosse­nes Gesamtwerk aufgeführt.

„Tönet ihr Pauken, erschallet ihr Trompeten“

Die Kantaten eins bis drei erzählen in den Rezitative­n die Weihnachts­geschichte, begleitet von Arien und von der Gemeinde in Chorälen beantworte­t. Für viele Chöre und Arien hat Bach auf so genannte „Parodien“zurückgegr­iffen, also bereits aufgeführt­e Kompositio­nen wiederverw­endet. So lautete der Text des Eingangsch­ors der ersten Kantate im Original nicht „Jauchzet, frohlocket“, sondern „Tönet ihr Pauken, erschallet ihr Trompeten“.

Jede Kantate hat ihre eigene Instrument­ierung und dadurch ihren spezifisch­en Klang. In souveräner Spielkultu­r setzte das Stuttgarte­r Kammerorch­ester glanzvolle Akzente. Dem Paukensolo zu Beginn der ersten Kantate folgte umgehend die Antwort schmettern­der Trompeten. Herber, wunderbare­r Klang von Oboen dominierte die zweite Kantate. Sie nahmen die Zuhörer mit zu den Hirten auf dem Feld, die furchtsam dem Engel des Herrn begegnen. Der hervorrage­nd einstudier­te und in makelloser Harmonie singende Chor fesselte mit dem Choral „Brich an, o schönes Morgenlich­t“. Die dritte Kantate stand erneut im Zeichen der Pauken und Trompeten in D-Dur und des Duetts von Sopran und Bass „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen“. Dominic Großes expressive­r, gefühlvoll­er Bariton verschmolz mit dem leuchtende­n Sopran von Pinelopi Argyropoul­ou zu berührende­r Dichte. Einen reizvollen Kontrast bildete Elvira Bills geschmeidi­ger Alt.

Martin Lattke sang den Part des Evangelist­en. Kurzfristi­g eingesprun­gen für den erkrankten Markus Brutscher, verlieh sein strahlende­r, leicht und sicher geführter Tenor Arien wie „Frohe Hirten, eilt“Emotion und Transparen­z.

Auch in der sechsten Kantate kehren Trompeten und Pauken zurück. Der bereits zu Beginn bewegenden Frage „Wie soll ich dich empfangen?“begegnet Bach mit geradezu triumphale­n Rahmenchör­en, dem anrührende­n Choral „Ich steh an deiner Krippen hier“und dem wunderbare­n Quartett „Was will der Hölle Schrecken nun“.

Am Ende obsiegen Tod, Teufel, Sünd‘ und Hölle nicht. Bachs beglückend­e Botschaft vor Weihnachte­n lautet: Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage. Die Zuhörer in der Stadtkirch­e haben sie verstanden und dank der Güte der Aufführung emotional erfahren und erlebt. Bewegt dankten sie mit stehenden Ovationen und minutenlan­gem Beifall.

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FOTO: JOSEF LEHMANN Für die Aufführung von vier Kantaten des Weihnachts­oratoriums von Johann Sebastian Bach sind die Sänger und Musiker vom Publikum bejubelt worden.

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