Der alte Mann will noch mehr
Ribéry bereitet Bayern München fast im Alleingang einen versöhnlichen Jahresabschluss
(SID) - Für einen kurzen, einen wirklich sehr kurzen Moment wirkte Franck Ribéry dann doch wie ein alter Mann. Als Bayern Münchens Routinier bei seiner Auswechslung kurz vor dem Schlusspfiff vom Feld trottete, da konnte man tatsächlich meinen, einen 35-Jährigen auf der Zielgeraden seiner Karriere zu beobachten. Den eindrucksvollen Gegenbeweis hatte Ribéry allerdings in den 90 Minuten zuvor angetreten – und seinen Club mit einem Doppelpack zum 3:0 (1:0) bei Eintracht Frankfurt geschossen.
Im Grunde seit der Ankündigung von Präsident Uli Hoeneß, dass der französische Altmeister gemeinsam mit Flügelpartner Arien Robben seine wohl letzte Saison bei den Bayern bestreitet, spielt Ribéry groß auf. Am Samstagabend ebnete er dem nur anfangs etwas wackeligen Rekordmeister mit seinen Treffern (35. und 79.) fast im Alleingang den Weg zum Sieg. Der kuriose Schlusspunkt durch Rafinhas Flankentor (89.) war am Ende nur Nebensache.
Stattdessen wurde Ribéry von allen Seiten mit Lob überhäuft. Die Fans feierten ihren Liebling mit Sprechchören, die Mitspieler bedachten ihn mit „ein paar warmen Worten für die Festtage“, wie es Nationalspieler Thomas Müller formulierte. „Wenn ich mit 35 noch so rennen kann, dann bin ich sehr froh“, befand etwa der zwölf Jahre jüngere Youngster Niklas Süle anerkennend: „Er ist ein positiv Verrückter. Ich bin glücklich, dass ich ihn noch erleben darf.“
Ribéry hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Bayern nach einem turbulenten ersten Halbjahr pünktlich zu Weihnachten wieder in der Spur sind. Unter der Woche hatte er bereits beim 1:0 gegen RB Leipzig als Siegtorschütze geglänzt, traf nun erstmals seit 2015 wieder bei drei Bundesliga-Einsätzen in Serie. Obwohl sie personell auf dem Zahnfleisch gingen – in Frankfurt fehlten sieben Feldspieler – stiegen die Münchner erstmals seit dem neunten Spieltag zum direkten Verfolger von Herbstmeister Borussia Dortmund auf. Nicht umsonst sendet Trainer Niko Kovac dem sechs Punkte vorauseilenden BVB schonmal eine klare Botschaft: „Natürlich werden wir attackieren.“Und auch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge ist sich sicher: „Das war ein wichtiges Ausrufezeichen. Wir sind jetzt dran.“Nach fünf Liga-Siegen in Serie ist auch bei Rummenigge die Zuversicht zurückgekehrt, dass der Rekordmeister die Hierarchie im deutschen Club-Fußball in der Rückrunde wiederherstellen kann. „Der Fußball, den wir spielen, ist wieder FC Bayern-like“, stellte Rummenigge zufrieden fest. „Wir werden nicht kampflos aufgeben.“
Der Einfluss, den dabei der vermeintlich alternde Superstar Ribéry noch immer auf seine Mannschaft haben kann, ist auch den Verantwortlichen bei den Bayern nicht entgangen. „Es gibt keine alten Spieler, es gibt nur gute und weniger gute“, bekräftigte Rummenigge.
Ob sie deshalb aber den sehr konkret angedeuteten Abschied ihrer Club-Ikone noch einmal überdenken, wollten sie allerdings ebenso wenig kommentieren wie all die anderen Gerüchte rund um Transfers womöglich schon in der Winterpause. „Ich habe jetzt erst mal frei. Aber Sie können davon ausgehen, dass ich mein Handy dabeihabe“, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic.
Kovac jedenfalls wirkte, als würde er den Ausnahmekönner Ribéry nur allzu gerne noch ein Weilchen länger an Bord haben. „Was Franck auf und neben dem Platz für die Mannschaft leistet, ist immens. Es freut mich, dass ein Weltklassespieler wie er sich nicht ausruht auf seinen Lorbeeren, sondern immer Vollgas gibt. Es ist schön, dass wir ihn haben“, schwärmte er. Und Salihamidzic stellte fest: „Franck war der beste Mann auf dem Platz. Er hat ein riesiges Spiel gemacht.“
Beim Thema Vertragsverlängerung machte aber auch Kovac dicht. „Ich werde immer missinterpretiert, deshalb werde ich zu Namen und Transfers nichts mehr sagen“, meinte der 47-Jährige mit einem Grinsen.
Und Ribéry selbst? Der scherzte in der Kabine bereits über einen neuen Vertrag und ließ auch im Interview keinen Zweifel daran, dass er gerne noch eine 13. Saison bei seinem Herzensclub dranhängen würde. „Natürlich habe ich noch Lust. Ich liebe Bayern, die Bayern lieben mich“, bekannte er: „Du weißt im Leben nie, was passiert.“
Niklas Süle