Klimaschutzprojekt Energiewald köchelt auf Sparflamme
Nicht zuletzt weil Erdöl verhältnismäßig billig ist, haben sich die Hoffnungen nach einem Boom von Hackschnitzeln nicht erfüllt
FREISING/UFFENHEIM (dpa) - Sie versprechen einen schnellen Beitrag zum Klimaschutz, trotzdem köcheln landwirtschaftliche Energiewaldprojekte nach einem vielversprechenden Start inzwischen auf Sparflamme. Mit dem Ölpreistief in den vergangenen drei Jahren stagniert die Anbaufläche für Pappeln, Weiden, Robinien und Aspen – Baumarten, die wegen ihres rasanten Wachstums in kurzer Zeit große Mengen CO2 binden.
Landwirte scheuen inzwischen die Bepflanzung ertragsschwacher Wiesenflächen mit sogenannten Kurzumtriebsplantagen (KUP). Denn seitdem auch noch Sturmschäden, Trockenheit und Borkenkäferbefall die Energieholz-Berge wachsen ließen, ist der Markt für Hackschnitzel stark angespannt. Bundesweit sind derzeit rund 6000 Hektar mit Energiewäldern bepflanzt, in Bayern sind es knapp 1600 Hektar. Dabei bräuchte Deutschland nach Einschätzung des Deutschen Biomasseforschungszentrums schon aus Klimaschutzgründen ein Vielfaches dieser Anbaufläche.
Denn Kurzumtriebsplantagen – so der Fachbegriff – binden wegen ihrer Schnellwüchsigkeit „kurzfristig deutlich mehr Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre“als langsam wachsende Buchen, Eichen, Fichten oder Kiefern, hebt die bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising in ihrem jüngsten Energieholzbericht hervor.
Randolf Schirmer, EnergiewaldExperte beim Bayerischen Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht im oberbayerischen Teisendorf, spürt inzwischen das schwindende Interesse der Landwirtschaft deutlich: „Im Winter haben wir immer Anfragen von Landwirten in Sachen Energiewaldanbau. Vor ein paar Jahren war das noch sehr intensiv. Inzwischen sind die Anfragen dazu nur noch sehr verhalten“, berichtet er.
Von einer „zögerlichen Entwicklung“spricht auch Wolfram Kudlich von der Firma Wald 21 im mittelfränkischen Uffenheim. Das Unternehmen berät und unterstützt bundesweit Landwirte bei der Anlage von Energiewäldern. „Das hängt natürlich mit den zuletzt geringen Öl- und Gaspreisen zusammen.“Hinzu kämen die zuletzt milden Winter. „Und außerdem gibt es inzwischen extrem viel Energieholz am Markt“, sagt Kudlich.
Das war nicht immer so. Noch vor ein paar Jahren, so erinnern sich Kudlich und andere Fachleute, hatten der massive Öl- und Gaspreisanstieg für eine boomende Nachfrage nach Energieholz gesorgt. Selbst minderwertiges Ast- und Kronenholz war auf dem Energieholzmarkt auf einmal ein gefragtes Gut. Plötzlich wurde das Thema „Energiewald“auch für Landwirte interessant, etwa für Gerhard Stix aus Altdorf bei Landshut.
Dass die Marktlage für Holzhackschnitzel inzwischen ungleich schwieriger ist als noch bei der Pflanzung seiner rund 12 000 Pappelsetzlinge im Jahr 2012, lässt den Landwirt und Energiewaldbesitzer relativ kalt. Denn ein großer Teil des von Stix 2017 erstmals geernteten Pappelholzes wandert in seine eigene Holzhackschnitzelheizung – ein Umstand, der viele Landwirte zum Pflanzen von Energiewald bewegt.
Mit dem Holz eines Hektars Energiewald lassen sich jährlich zwischen 4000 bis 7000 Liter Heizöl sparen. Einen Teil seiner 2017-er Ernte hat der Landwirt als Stammholz verkauft – weit unter den einstmals kalkulierten Preisen. Aber das sei ihm „nicht so wichtig“, sagt er. Mit der Fläche hätte er ohnehin wenig anfangen können. Und Arbeit mache der Energiewald, wenn er erst einmal angelegt sei, ohnehin kaum noch. „Außerdem: Ich baue umweltfreundliche Energie an“, betont Stix.
Ähnlich war die Ausgangslage bei Thomas Schröder aus Ebenried bei Allersberg (Landkreis Roth), als er sich vor ein paar Jahren zum Pflanzen eines Energiewaldes entschloss. Die bisher für den Grünfutteranbau genutzte schattige Fläche am Waldrand hatte zuletzt nur noch wenig abgeworfen, berichtet der 55 Jahre alte Vollerwerbslandwirt.
„Inzwischen gibt es extrem viel Energieholz auf dem Markt.“Wolfram Kudlich, der Landwirte in Sachen Energiewald berät
Dafür nimmt Schröder in Kauf, dass er in wirtschaftlicher Hinsicht einen langen Atem mitbringen muss. Da er seine Hybridaspen als Stammholz vermarkten will, muss er sich rund zehn Jahre bis zur ersten Ernte gedulden.
In der langfristigen Bindung der Landwirte bei der Anlage von Energiewäldern sieht vor allem der Bayerische Bauernverband ein Problem. Im Schnitt sind solche Kurzumtriebsplantagen auf 20 Jahre angelegt. Auf Pachtbasis sei so etwas gar nicht möglich, macht etwa Verbandssprecher Markus Peters deutlich. Trotzdem halte man eine solche Nutzungsart für durchaus interessant. Grundsätzlich seien Energiewälder gut für die Umwelt.
Genau das hatten in letzter Zeit Umweltschützer bezweifelt und dabei auf die angeblich wachsende Feinstaubbelastung im Zuge des Holzofenbooms der vergangenen Jahre hingewiesen. Tatsächlich, so bestätigt das Umweltbundesamt in einer aktuellen Broschüre zum Thema „Heizen mit Holz“, gelange bei der Holzfeuerung Staub in die Luft, „zu über 90 Prozent als Feinstaub“. Bei richtiger Handhabung könne der Emissionsausstoß aber minimiert werden. Vor allem moderne Zentralheizungskessel zeigten inzwischen „gutes Emissionsverhalten“.
Das bayerische Forstministerium setzt derweil weiter auf die noch 2015 vom damaligen Forstminister Helmut Brunner (CSU) gefeierten Energiewälder. Kurzumtriebsplantagen seien „auf geeigneten Standorten ein wertvoller Beitrag zur nachhaltigen Energiegewinnung, diese Potenziale sollten genutzt werden“, betont ein Ministeriumssprecher. Wohl sehen auch die ministeriellen Forstexperten derzeit das Preisdilemma für Energieholz. Betreiber von Energiewäldern könnten dieses Problem aber dadurch umgehen, indem sie die Ernte auf später verschieben.
Langfristig optimistisch
Trotz aller aktuellen Widrigkeiten – Energiewaldexperten, wie Randolf Schirmer, sind, was die Zukunft von Energiewäldern angeht, durchaus optimistisch. Bestärkt sieht er sich nicht zuletzt durch Ergebnisse eines im Juni 2018 abgeschlossenen europaweiten Projekts. Dabei waren 30 Pappelsorten auf ihre Wuchsleistung und ihre Pilzresistenz hin überprüft worden. Als besonders vielversprechend habe sich eine belgische Pappelsorte erwiesen. Statt sieben bis acht Tonnen pro Hektar liefere diese Pappelart bis zu 16 Tonnen pro Hektar Energieholz, berichtet Schirmer.