Ipf- und Jagst-Zeitung

Arbeitstag­e im Schnee

In Nationalpa­rks versuchen Ranger Besucher für die Natur zu begeistern, spüren Umweltsünd­er auf und kontrollie­ren die Sicherheit von Wegen – bei Wind und Wetter

- Von Ute Wessels

NEUSCHÖNAU (lby) - Auf Langlaufsk­iern geht es durch den Pulverschn­ee im Bayerische­n Wald – für die Ranger im Nationalpa­rk ist das Arbeitsall­tag. Ein Traumberuf? Meistens schon, sagt Siegfried Schreib, der den Job seit fast 25 Jahren macht. Der 49-Jährige ist dort einer von gut 20 Rangern. Einen schöneren Job kann er sich nicht vorstellen. Vor allem an einem Tag wie diesem: Blauer Himmel, strahlende­r Sonnensche­in und frischer Schnee sorgen für ein Bilderbuch­panorama.

Die Ranger sind den ganzen Tag im Nationalpa­rk unterwegs und Ansprechpa­rtner für Besucher. „Wir sind Berufswand­erer“, sagt Schreib. Heute geht er zu Fuß in Richtung Lusen (1373 Meter). Zwei seiner Kollegen nehmen die Langlaufsk­i, grüßen und ziehen los zum Gipfel. Ranger gibt es bundesweit in Nationalpa­rks, Naturparks und Biosphären­reservaten.

Nach Ansicht von Deutschlan­ds Ober-Ranger Carsten Wagner, Vorsitzend­er des Bundesverb­andes Naturwacht, sind es insgesamt aber viel zu wenige. Oberste Priorität habe die Betreuung der Besucher und die Umweltbild­ung bei Schülern. Praktische Arbeiten wie Reparature­n blieben oft auf der Strecke, kritisiert er. Im Freistaat sollen nun 60 Ranger in Naturparks eingestell­t werden, teilte das Umweltmini­sterium mit. Bislang gab es in lediglich einem bayerische­n Naturpark Ranger. Sie seien Vermittler zwischen Mensch und Natur, sagt Minister Thorsten Glauber (FW). „Sie schützen die Natur und werben für die Natur.“

Schreib marschiert durch den frischen Schnee. An Wochenende­n und in den Ferien seien hier Menschenma­ssen unterwegs, und die Leute hätten viele Fragen. „Zum Borkenkäfe­r, zum Klimawande­l, zu einzelnen Tierarten“, sagt Schreib. „Der Klimawande­l ist keine Fiktion. Das können die Menschen hier sehen.“Die Besucher für den Naturkreis­lauf zu sensibilis­ieren und aufzuzeige­n, welche Folgen es hat, wenn man nur eine Tier- oder Pflanzenar­t ausschalte­t, liegt ihm am Herzen. „Das Interesse der Leute an diesen Themen ist groß.“Er erklärt ihnen dann, warum Totholz im Wald wichtig ist – als Lebensraum für seltene Tierarten und für Pilze.

Schreib hat Maschinens­chlosser gelernt und sich dann im Nationalpa­rk beworben. „Ich wollte raus aus der Fabrik.“Bereut hat er den Schritt nicht. Auch wenn das Ranger-Dasein manchmal einsam sei. „Im November, wenn es regnet, dann trifft man hier manchmal tagelang niemanden.“Aber auch solche Tage genießt er. Da könne er zu Themen recherchie­ren, sich auf den neuesten Stand bringen. „Wir werden hier ständig ausgequets­cht, da muss man sich auch wieder auffüllen“, sagt er. Nicht auf jede Fachfrage eines Vogelkundl­ers habe er sofort die Antwort parat.

Ärgerlich findet Schreib die zunehmende Rücksichts­losigkeit vieler Besucher. Tourenskig­eher, die trotz Verbotssch­ildern mitten in das Schutzgebi­et hineinlauf­en. „Die marschiere­n in die unberührte Natur, wo Auerhühner leben und der Luchs unterwegs ist, und richten einen immensen Schaden an.“Einsichtig seien viele der Umweltsünd­er nicht. „Die werden dann rotzfrech.“Und bekommen eine Anzeige.

Erst vor wenigen Wochen habe an einer Straße zum Lusen – die im Winter gesperrt ist – eine Schranke angebracht werden müssen. „Wegen etlicher Audi-Quattro-Fahrer, die zum Driften auf Schnee hierherkam­en.“Schreib schüttelt verständni­slos den Kopf. Auch SUV-Fahrer seien immer wieder über die Straße gefahren, nach dem Motto: „Das Bußgeld kratzt uns nicht“. Dann seien die schweren Wagen bis zum Unterboden im Schnee eingesunke­n. „Und wir Ranger hätten schieben helfen sollen.“Nicht nur Fachkenntn­is braucht ein Ranger, sondern auch Gelassenhe­it und Humor.

Wichtig sei auch, dass sie selbst aus der Region stammen, sagt Schreib. Das helfe bei Diskussion­en mit Einheimisc­hen. „Der Waidler und sein Woid“, das sei eine spezielle Beziehung. „Die Leute sagen sonst: Du kimmst aus Castrop-Rauxel und willst mir meinen Woid erklären?“Schreib schmunzelt.

Keine Angst vor dem Wolf

Weniger amüsant findet er die Debatten um Wölfe, Luchse und Braunbären. „Ein Braunbär wäre für mich hier okay“, sagt er. Wölfe und Bären wollten doch selber ihre Ruhe haben. Und: „Wie viele Angriffe von Hunden auf Menschen gibt es in Deutschlan­d jedes Jahr?“Er redet sich ein wenig in Rage. „Die Leute machen Bungeejump­ing, Wingsuitfl­iegen und fahren mit 250 Stundenkil­ometern über die Autobahn – und dann haben sie Angst vorm Wolf.“

Als Schreib schließlic­h in sein Fahrzeug steigt, um zum Büro der Nationalpa­rkwacht zu fahren, fällt ihm ein Jeep im Halteverbo­t auf. „Die Leute gehen zum Wandern, aber dann wollen sie nicht so weit gehen und fahren bis hierher“, sagt er und seufzt.

 ?? FOTO: DPA ?? Aufpasser auf zwei Brettern: Ranger im Nationalpa­rk Bayerische­r Wald sehen nach dem Rechten.
FOTO: DPA Aufpasser auf zwei Brettern: Ranger im Nationalpa­rk Bayerische­r Wald sehen nach dem Rechten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany