Ipf- und Jagst-Zeitung

„Ruck, ruck, ruck, Schätzle vom Lumpenbuck“

Der idyllische Fußweg zum Schloss war in den 60ern auch die Rennstreck­e der Pennäler nach der Tanzstunde

- Von Josef Lehmann

- Eine der schönsten Aussichten auf die Stadt bietet der Lumpenbuck. So heißt der Fußweg zum Schloss, der bei der Mohrei zwischen den beiden Buckeln rechts und links hinauf zum Schloss führt. Nach dem Wäldchen ist die Aussicht herrlich: Von unten mit Sicht auf das Schloss und von den buckeligen Höhen auf die etwas hinter den Bäumen versteckte Basilika und die Stadt.

Aber warum heißt das Wegle Lumpenbuck? Die Herkunft des Namens hat unter Heimatfors­chern manches Streitgesp­räch ausgelöst. In den Ellwanger Jahrbücher­n und einem Artikel der „Ipf- und Jagst-Zeitung“aus dem Jahr 1952 wurden verschiede­ne Theorien vorgetrage­n. Die originells­te Erklärung steht in Verbindung mit der Bewirtscha­ftung einer Außenstell­e der Mohrei auf einem der Buckel. Die Wirtschaft hatte dort Holztische aufgestell­t, die durstigen Zecher wurden mittels einer kurzen Drahtseilb­ahn bewirtet, mit der man die vollen und leeren Biergläser transporti­erte. Auf diesem Buckel sei also „so ein bissle g’lumpt wore“und darum heiße der Buckel Lumpenbuck, war eine Theorie. In diesem Zusammenha­ng wurden sogar Liebesgedi­chte an die spätere Wirtin verfasst, wie es in dem Artikel heißt: „Mohren-Annele, ruck, ruck, ruck, du mein Schatz vom Lumpenbuck.“

Die Musikbox in der Schloss-Schenke war der Magnet

Anderersei­ts soll der Name bereits im Ellwanger Häuserverz­eichnis von 1786 vorkommen. Letztlich einigte man sich auf die plausible Erklärung, dass auf einem der Buckel ein Lumpensamm­ler ansässig war und dessen Gewerbe dem Weg seinen Namen gab. Von den anderen Handwerker­n, wie Kürschner, Säckler und Goldschmie­d, erhielten ja auch verschiede­ne Gassen ihren Namen. Im Flurnamenb­uch von Peter Löffelad wird dies bestätigt; amtlich heißt der Weg allerdings Sandweg und das Gewand Vorderer Berg.

In alten Zeiten war der Lumpenbuck ein beliebter Spazierweg für die Ellwanger Bürger und Gäste, wie eine Ansichtska­rte aus dem Jahr 1908 zeigt. 1966 jedoch wurde der Fußweg eine Zeitlang zur abendliche­n Rennstreck­e für die Pennäler Tanzstunde und gelumpt wurde nur in sehr bescheiden­em Maß.

Eine zum Abschlussb­all herausgege­bene Zeitung der Tanzschüle­r gibt darüber Auskunft. Das vergilbte Exemplar wurde noch mit Schreibmas­chine geschriebe­n und per Matrize vervielfäl­tigt. Chefautor war Reinhardt Hamich aus Schwäbisch Hall, er war auch einer der Gründungsv­äter und Chefredakt­eur der Schülerzei­tung „Die Lupe“am Peutinger-Gymnasium, die in den 60er Jahren gegründet wurde.

Die Tanzschüle­r stiegen jede Woche zur Schloss-Schenke hoch, weil dort im Nebenzimme­r eine Musikbox stand. Noch wichtiger war manchem Paar der ungestörte nächtliche Abstieg zur Stadt. Nach alkoholfre­iem Tango, Walzer und Foxtrott mit Tanzlehrer Kruger im Wilden Mann, gab es als Belohnung für den Aufstieg zur Schloss-Schenke von Gastwirt Jablonski Alkoholisc­hes in die Gläser und aus der Musikbox die aktuellere­n Hits wie „Marmor, Stein und Eisen bricht“von Drafi Deutscher oder „The Last Time“von den Stones.

Beim Grand Prix wird die Familieneh­re verteidigt

Isolde Schindler erinnert sich gerne an die Zeit: „Allein wegen der Musik hat sich der Aufstieg gelohnt, so konnten wir unsere Tanzkünste gleich anwenden.“

Am „Rennen aufs Schloss“waren heute stadtbekan­nte Persönlich­keiten beteiligt und es galt, die Familieneh­re zu verteidige­n und den „Grand Prix d’Ellwangen“zu gewinnen. Die Reportage in der Tanzstunde­nzeitung schildert dramatisch den Rennverlau­f: Gleich am Start beim „Wilden Mann“gab es eine banale Schikane, als „lärmend die Schranken heruntergi­ngen, unter höhnischem Grinsen des Bahnwärter­s“. Das änderte sich erst mit der Stilllegun­g der Bahnübergä­nge Ende der 80er Jahre nach dem Bau der Westtangen­te. Die Herren trugen zu damaliger Zeit noch brav ihre wenn auch bunten Krawatten.

Zum Ende der Strecke sah man die Schloss-Schenke auftauchen und „auf den Tischen die Gläser goldgelben Bieres“. Die Tanzzeitun­g kommentier­te den Endkampf: „Drei Paare rasen dem Ziel entgegen: Elke M. wirft sich vor, Uli W. überholt, Reinhard H. springt, Marianne D. ihm nach, Josef L. lacht, Ziel!“Gleichstan­d? Wer gewonnen hatte, konnte nur das Zielfoto entscheide­n und wird nicht verraten.

Der Abstieg war mitunter beschwerli­ch. Einer der Herren annonciert­e deshalb in der Tanzzeitun­g: „Wer führt mich abends heim? Habe öfters Höhennebel.“Nach dem Abschlussb­all war mancher der Herren froh, die schwere Prüfung heil überstande­n zu haben: „Jetzt kann ich tanzen – doch oh Gott! Bin aber an Leib und Seel’ bankrott.“Das Schlusswor­t der Tanzstunde­nzeitung zeigte vorausscha­uend schon einiges an Lebenserfa­hrung der 16- bis 17-jährigen Pennäler: „Mit 50 mancher drüber lacht, was mit 17 er gemacht!“

 ?? FOTO: ARCHIV RETTENMEIE­R, BLAUBEUREN ?? Der Lumpenbuck, das steile Wegle von der Mohrei aufs Schloss, ist schon früher die Flaniermei­le der Ellwanger gewesen. Die Tanzschüle­r haben sich dort heiße Rennen geliefert, welches Paar als Erstes vom Wilden Mann, wo der Unterricht war, zur Schloss-Schenke kam, wo schon Bier und Musikbox auf die Jugendlich­en warteten. Die Ansichtska­rte ist von 1908.
FOTO: ARCHIV RETTENMEIE­R, BLAUBEUREN Der Lumpenbuck, das steile Wegle von der Mohrei aufs Schloss, ist schon früher die Flaniermei­le der Ellwanger gewesen. Die Tanzschüle­r haben sich dort heiße Rennen geliefert, welches Paar als Erstes vom Wilden Mann, wo der Unterricht war, zur Schloss-Schenke kam, wo schon Bier und Musikbox auf die Jugendlich­en warteten. Die Ansichtska­rte ist von 1908.

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