„Ruck, ruck, ruck, Schätzle vom Lumpenbuck“
Der idyllische Fußweg zum Schloss war in den 60ern auch die Rennstrecke der Pennäler nach der Tanzstunde
- Eine der schönsten Aussichten auf die Stadt bietet der Lumpenbuck. So heißt der Fußweg zum Schloss, der bei der Mohrei zwischen den beiden Buckeln rechts und links hinauf zum Schloss führt. Nach dem Wäldchen ist die Aussicht herrlich: Von unten mit Sicht auf das Schloss und von den buckeligen Höhen auf die etwas hinter den Bäumen versteckte Basilika und die Stadt.
Aber warum heißt das Wegle Lumpenbuck? Die Herkunft des Namens hat unter Heimatforschern manches Streitgespräch ausgelöst. In den Ellwanger Jahrbüchern und einem Artikel der „Ipf- und Jagst-Zeitung“aus dem Jahr 1952 wurden verschiedene Theorien vorgetragen. Die originellste Erklärung steht in Verbindung mit der Bewirtschaftung einer Außenstelle der Mohrei auf einem der Buckel. Die Wirtschaft hatte dort Holztische aufgestellt, die durstigen Zecher wurden mittels einer kurzen Drahtseilbahn bewirtet, mit der man die vollen und leeren Biergläser transportierte. Auf diesem Buckel sei also „so ein bissle g’lumpt wore“und darum heiße der Buckel Lumpenbuck, war eine Theorie. In diesem Zusammenhang wurden sogar Liebesgedichte an die spätere Wirtin verfasst, wie es in dem Artikel heißt: „Mohren-Annele, ruck, ruck, ruck, du mein Schatz vom Lumpenbuck.“
Die Musikbox in der Schloss-Schenke war der Magnet
Andererseits soll der Name bereits im Ellwanger Häuserverzeichnis von 1786 vorkommen. Letztlich einigte man sich auf die plausible Erklärung, dass auf einem der Buckel ein Lumpensammler ansässig war und dessen Gewerbe dem Weg seinen Namen gab. Von den anderen Handwerkern, wie Kürschner, Säckler und Goldschmied, erhielten ja auch verschiedene Gassen ihren Namen. Im Flurnamenbuch von Peter Löffelad wird dies bestätigt; amtlich heißt der Weg allerdings Sandweg und das Gewand Vorderer Berg.
In alten Zeiten war der Lumpenbuck ein beliebter Spazierweg für die Ellwanger Bürger und Gäste, wie eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1908 zeigt. 1966 jedoch wurde der Fußweg eine Zeitlang zur abendlichen Rennstrecke für die Pennäler Tanzstunde und gelumpt wurde nur in sehr bescheidenem Maß.
Eine zum Abschlussball herausgegebene Zeitung der Tanzschüler gibt darüber Auskunft. Das vergilbte Exemplar wurde noch mit Schreibmaschine geschrieben und per Matrize vervielfältigt. Chefautor war Reinhardt Hamich aus Schwäbisch Hall, er war auch einer der Gründungsväter und Chefredakteur der Schülerzeitung „Die Lupe“am Peutinger-Gymnasium, die in den 60er Jahren gegründet wurde.
Die Tanzschüler stiegen jede Woche zur Schloss-Schenke hoch, weil dort im Nebenzimmer eine Musikbox stand. Noch wichtiger war manchem Paar der ungestörte nächtliche Abstieg zur Stadt. Nach alkoholfreiem Tango, Walzer und Foxtrott mit Tanzlehrer Kruger im Wilden Mann, gab es als Belohnung für den Aufstieg zur Schloss-Schenke von Gastwirt Jablonski Alkoholisches in die Gläser und aus der Musikbox die aktuelleren Hits wie „Marmor, Stein und Eisen bricht“von Drafi Deutscher oder „The Last Time“von den Stones.
Beim Grand Prix wird die Familienehre verteidigt
Isolde Schindler erinnert sich gerne an die Zeit: „Allein wegen der Musik hat sich der Aufstieg gelohnt, so konnten wir unsere Tanzkünste gleich anwenden.“
Am „Rennen aufs Schloss“waren heute stadtbekannte Persönlichkeiten beteiligt und es galt, die Familienehre zu verteidigen und den „Grand Prix d’Ellwangen“zu gewinnen. Die Reportage in der Tanzstundenzeitung schildert dramatisch den Rennverlauf: Gleich am Start beim „Wilden Mann“gab es eine banale Schikane, als „lärmend die Schranken heruntergingen, unter höhnischem Grinsen des Bahnwärters“. Das änderte sich erst mit der Stilllegung der Bahnübergänge Ende der 80er Jahre nach dem Bau der Westtangente. Die Herren trugen zu damaliger Zeit noch brav ihre wenn auch bunten Krawatten.
Zum Ende der Strecke sah man die Schloss-Schenke auftauchen und „auf den Tischen die Gläser goldgelben Bieres“. Die Tanzzeitung kommentierte den Endkampf: „Drei Paare rasen dem Ziel entgegen: Elke M. wirft sich vor, Uli W. überholt, Reinhard H. springt, Marianne D. ihm nach, Josef L. lacht, Ziel!“Gleichstand? Wer gewonnen hatte, konnte nur das Zielfoto entscheiden und wird nicht verraten.
Der Abstieg war mitunter beschwerlich. Einer der Herren annoncierte deshalb in der Tanzzeitung: „Wer führt mich abends heim? Habe öfters Höhennebel.“Nach dem Abschlussball war mancher der Herren froh, die schwere Prüfung heil überstanden zu haben: „Jetzt kann ich tanzen – doch oh Gott! Bin aber an Leib und Seel’ bankrott.“Das Schlusswort der Tanzstundenzeitung zeigte vorausschauend schon einiges an Lebenserfahrung der 16- bis 17-jährigen Pennäler: „Mit 50 mancher drüber lacht, was mit 17 er gemacht!“