Lucha fordert Bitterstoffe für K.o.-Tropfen
Minister im Süden wollen strengere Regeln – Chemie-Industrie sieht Pläne kritisch
(seli) - Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) will die Hersteller von K.o.-Tropfen verpflichten, die Substanz mit Bitterstoffen zu versehen. Eine entsprechende Initiative dazu werde auf der nächsten Gesundheitsministerkonferenz vorgestellt, sagte ein Sprecher auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Bisher unterliegt die Substanz Gamma-Butyrolacton (GBL) lediglich freiwilligen Selbstkontrollen.
- Immer wieder werden der Polizei in Baden-Württemberg und in Bayern Fälle gemeldet, bei denen vor allem junge Frauen Opfer einer unfreiwilligen Einnahme von K.o.-Tropfen geworden sind. Um das Phänomen zu bekämpfen, fordert Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) jetzt rechtliche Auflagen vom Bund.
Als K.o.-Tropfen werden unterschiedliche betäubende Substanzen bezeichnet, die geruch- und geschmacklos sind und enthemmend wirken. Die meisten sind laut Landeskriminalamt Baden-Württemberg rezeptpflichtig oder unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. „Die eigentliche Problemsubstanz ist GBL, Gamma-Butyrolacton, ein wichtiger Grundstoff für die chemische Industrie, weil sie in großen Mengen verfügbar und legal ist“, erklärt Toxikologe Uwe Stedtler von der Vergiftungs-Informations-Zentrale in Freiburg.
Überdosis kann tödlich sein
Wird GBL genutzt, um potenzielle Opfer willenlos zu machen, kann das lebensgefährlich sein. Während wenige Tropfen noch stark anheitern, führen ein paar Tropfen zu viel schon dazu, dass das Opfer das Bewusstsein verliert oder sogar stirbt. Das Verhängnisvolle dabei ist: „Gerade GBL ist nur wenige Stunden im Körper nachweisbar“, sagt Uwe Stedler. Später könnten sich die Opfer kaum erinnern. Die Dunkelziffer ist deshalb hoch. 2017 waren der Polizei in Baden-Württemberg zumindest 111 Fälle bekannt, bei denen K.o.-Tropfen verwendet wurden. Das Landeskriminalamt Bayern erfasst keine gesonderten Zahlen dazu.
Dabei wirkt nicht das GBL direkt auf die Opfer berauschend – sondern der Stoff GHB, Gamma-Hydroxybuttersäure, in das der Körper GBL umwandelt. In der Partyszene ist GHB als Liquid Ecstasy bekannt. Für manche Jugendliche ist es eine billige Droge, die leicht vom Körper aufgenommen wird, sagt Hans-Peter Hermann von der Drogenhilfe in Ulm. Er ergänzt: „Die Zahl der Abhängigen ist bei uns aber gering. Wir sind weit von einem Massenphänomen entfernt.“
Um Abhängige wie Kriminelle abzuschrecken, fordert Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne), GBL künftig mit Bitterstoffen zu versehen. „Aus dem Blickwinkel des Gesundheitsschutzes erscheinen weitergehende Regelungen zum Umgang mit derartigen Substanzen sinnvoll, überfällig und sehr wünschenswert“, schreibt ein Sprecher des Ministers. Für den Verkauf von GBL hält Lucha deshalb spezielle Regelungen nicht nur bundes-, sondern europaweit für erforderlich.
In Bayern finden Luchas Pläne Zustimmung. Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) geht noch einen Schritt weiter. Ihre Forderung: GBL soll wegen seiner „allgemein gesundheitsschädigenden Wirkung“und seines Missbrauchspotenzials unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, wodurch GBL unter noch strengeren Auflagen verkauft werden müsste, wie ein Sprecher des Ministeriums erklärt.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler (CSU) sieht für Luchas Pläne zu der sogenannten Vergällung, also der Veränderung des Geschmacks, von GBL wenig Aussichten auf Erfolg. „Die geforderte Vergällung des Stoffes dürfte das Problem nicht lösen, da das in Deutschland als K.o.-Tropfen oder als Rauschmittel eingesetzte GBL nach unseren Erkenntnissen nicht aus deutscher Produktion stammt“, sagt eine Sprecherin.
Drogenbeauftragte gegen Pläne
Die im Internet kursierenden Angebote von ausländischen Anbietern wären von einer Gesetzesänderung nicht betroffen. Stattdessen forderten die Drogenbeauftragte eine umfassende und seriöse Aufklärung über die Gefahren, die von K.o.-Tropfen ausgehen.
Auch die chemische Industrie kritisiert den Vorschlag Luchas. Die Beimischung von Bitterstoffen würde zur Verunreinigung des Stoffes und der Folgeprodukte wie etwa Medikamenten führen, sagt eine Sprecherin des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Zudem würden die Firmen sich bereits an strenge Richtlinien halten. „Für die Pharma-, Chemie- und Agrarindustrie würde die Beimischung von Bitterstoffen den Verlust wertvoller Produkte bedeuten, die aus dem Alltag kaum wegzudenken sind“, ergänzt ein Sprecher des BASF-Konzerns. Herstellung, Transport und Verkauf von GBL in den von der Industrie benötigten Mengen könnten praktisch unmöglich werden. Rund 50 000 Tonnen produziert BASF an Standorten in Ludwigshafen, Amerika und Malaysia, 20 Prozent davon werden weiterverkauft. Verdächtige Aufträge würden an den Zoll und das Bundeskriminalamt gemeldet werden, betont der Sprecher. Effektiver sei „eine lückenlose Kontrolle der GBL-Lieferkette und eine Selbstverpflichtung der Industrie mit umfassenden Sicherheits- und Kontrollmechanismen“.
Gesundheitsminister Lucha sowie seine bayerische Kollegin Huml wollen trotz der Kritik aus der Industrie an ihren Plänen festhalten. Eine entsprechende Initiative will Lucha auf der nächsten Gesundheitsministerkonferenz vorstellen und den Bund dazu bewegen, die nötige rechtliche Grundlage zu schaffen.