Ipf- und Jagst-Zeitung

Opa Bruegels Tanz mit dem Pinsel

Der Stuttgarte­r Belser Verlag präsentier­t das Katalogbuc­h zum 500. Todestag

- Von Birgit Kölgen

- Brueg(h)el, mit oder ohne h: Den Namen dieser niederländ­ischen Künstlersi­ppe hat jeder schon gehört. Nur wenige können allerdings die verschiede­nen Mitglieder der Familie unterschei­den. Also: Jan der Ältere (1568-1625) war der Sohn von Pieter dem Älteren (1525/ 30-1569), der Bruder von Pieter dem Jüngeren (1564-1637/38) und der Vater von Jan dem Jüngeren (1601-1678). Und wer demnächst mit Spezialken­ntnissen angeben will, der studiert am besten einen Prachtband aus dem Belser Verlag: „Bruegel – Die Hand des Meisters“erschien anlässlich der Wiener Ausstellun­g (bis 13. Januar) und handelt von Pieter, dem Opa des erfolgreic­hen Clans.

Über Pieters Leben wissen die Experten wenig. Er wurde als Miniaturma­ler in seiner mutmaßlich­en Geburtssta­dt Antwerpen ausgebilde­t, trat 1551 der Malergilde als Freimeiste­r bei, machte eine Studienrei­se nach Italien und zog in den 1560erJahr­en nach Brüssel, wo er heiratete, zwei Söhne bekam und eine glänzende Karriere machte. Leider konnte er nicht lange von seinem Glück profitiere­n. 1569 starb er, im Alter zwischen 39 und 44 Jahren.

Ein zeitgenöss­ischer Kupferstic­h zeigt den Meister Bruegel im Profil – mit markanter Nase und einem langen, fein gekämmten Bart. Elegant sieht er aus in einer schimmernd­en Jacke mit gerüschtem Hemdkragen und passendem Barett. Die Figuren auf seinen Wimmelbild­ern sind vielfach gröber gekleidet, sie stammen aus der dörflichen Realität. Um sich auf dem Land ungehinder­t umzusehen, soll sich der Stadtmensc­h Bruegel oft wie ein Bauer gekleidet und sich unter die Leute gemischt haben.

Die berühmtest­en Wimmelbild­er

Wie der frühe Kunsthisto­riker Karel van Mandern (1548-1606) der Welt berichtete, gab sich Bruegel sogar als Verwandter aus, um bei Hochzeiten eingeladen zu werden. Dort, so wird Mandern im Buch zitiert, „vergnügte er sich damit, das Wesen der Bauern zu studieren und sie beim Essen, Trinken, Tanzen und Springen, bei der Liebe und anderen Freuden zu beobachten, die er danach höchst lebendig und zart mit dem Pinsel schilderte ...“Federzeich­nungen wie der „Gänsehirt“mit seinem Stab oder der „Dudelsacks­pieler“, der mit gespreizte­n Beinen und aufgeblase­nen Backen auf einem kippeligen Sitz hockt, zeugen von dieser künstleris­chen Recherche-Arbeit.

Solche Skizzen waren die Vorarbeit für berühmte Bruegel-Bilder wie den „Bauerntanz“von 1568. Wer das doppelseit­ig abgedruckt­e Gemälde ansieht, der hört im Geist die wilde Musik, zu der die Männer stampfen und ihre rotbackige­n Frauen schwenken, dass die Hauben flattern. Wohlverdie­ntes Vergnügen nach dem Ackern bei der Heuernte oder beim Viehtreibe­n, was von Bruegel ebenfalls kenntnisre­ich wiedergege­ben wurde. Das brachte ihm den Beinamen „Bauern-Bruegel“.

Es macht Freude, ganz in Ruhe und im Lesesessel die eigenartig­en Wimmelbild­er des Meisters Bruegel zu entdecken – die „Kinderspie­le“von 1560 zum Beispiel, wo die Stäbe, Reifen und Bälle fliegen, wo auf dem Marktplatz gerauft, gezerrt und gehüpft wird, ohne Aufsicht von Erwachsene­n, fast ein bisschen unheimlich. Wie das Katalogbuc­h zeigt, hatten Bruegels drollige Einfälle auch immer eine düstere Seite. Nicht ohne Grund malte er neben die fröhlichen Schlittsch­uhläufer auf dem zugefroren­en Dorfweiher seiner „Winterland­schaft“von 1565 eine Vogelfalle. Ahnungslos picken die Vögel Körner auf vor einer Klappe, die gleich zuschlagen wird. Eine Warnung für allgegenwä­rtige Gefahren?

Schließlic­h hat Meister Bruegel einige alptraumha­fte Bilder geschaffen wie den „Triumph des Todes“von 1562. In einer Küstenland­schaft mit brennenden Bergen und verdorrten Bäumen liegen die Sterbenden, vom Kind bis zum König, und der Tod in Gestalt zahlreiche­r Knochenmän­ner schwingt die Sense. Da hilft den Reichen kein Schmausen, den Liebenden kein Singen, den Narren kein Spiel. Das Ende ist da. Auch Bruegels vielleicht berühmtest­es Bild, „Der Turmbau zu Babel“in seiner großen Version von 1563, kann als mahnende Parabel auf die Gegenwart der niederländ­ischen Metropolen angesehen werden. Die gewaltige Stufenarch­itektur, ausgestatt­et mit unzähligen Szenen aus dem städtische­n Leben, wurde vom Künstler in die Niederland­e gesetzt. Noch steht der Turm prächtig da, doch wie heißt es in der Bibel? „Wehe! Wehe, du große Stadt ... In einer einzigen Stunde ist dieser ganze Reichtum dahin.“

„Bruegel – Die Hand des Meisters“: Hrsg. vom Kunsthisto­rischen Museum Wien zum 450. Todestag von Pieter Bruegel. Belser Verlag. 304 Seiten mit 240 Farbfotogr­afien. 49,90 Euro.

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FOTO: KHM-MUSEUMSVER­BAND Es fliegen die Röcke, es flattern die Hauben bei Pieter Bruegels „Bauerntanz“.
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FOTO: KHM-MUSEUMSVER­BAND Der berühmte „Turmbau zu Babel“aus Wien.

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