Abgesang in Detroit
US-Automesse kämpft ums Überleben – Auch ZF setzt auf Las Vegas
(dpa) - Ausstellerschwund hier, Konjunktursorgen und Zollstreit dort: Während die einst wichtigste US-Autoshow um ihr Überleben kämpft, blickt die Branche in eine ungewisse Zukunft. Ist der Niedergang der Detroiter Messe symptomatisch für die traditionelle Autowelt insgesamt?
Mit der Detroiter Autoshow läutet die Branche traditionell das Verkaufsjahr ein. Aber diesmal droht das große Schaulaufen, bei dem sich die Hersteller sonst mit aufwendigen Produktpräsentationen überboten und ihre Manager ins Rampenlicht stellten, ein Trauerspiel zu werden. Zu feiern gibt es ohnehin nicht viel – der Boom auf dem US-Markt ist vorbei, der Ausblick von Konjunkturund Zollsorgen getrübt. Noch kritischer als um die Industrie insgesamt ist es jedoch um das Event selbst bestellt.
Die Messe kämpfe ums Überleben, meint Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. „Man gewinnt fast den Eindruck, es ist eher ein Beerdigungskonvent, der sich da vom 14. bis 27. Januar im kalten Detroit versammelt.“Das sind harte Worte. Doch der Niedergang des Treffens in der US-Autometropole ist nicht von der Hand zu weisen. Etliche große Hersteller – darunter BMW, Mercedes, Audi und Porsche – bleiben diesmal fern.
Der Trend ist an sich nicht neu: Seit einigen Jahren stellt die kurz vorher in Las Vegas stattfindende Elektronik-Messe CES Detroit zunehmend in den Schatten. Angesichts der steigenden Bedeutung von Elektroantrieben, Roboterautos und Tech-Innovationen insgesamt ziehen mehr Autobauer es vor, hippe Produkte in Nevada zu enthüllen.
Nur 30 Neuvorstellungen
Oder sie ziehen für Modellpremieren gleich eigene Veranstaltungen auf, um die Aufmerksamkeit nicht mit anderen teilen zu müssen. So sind für Detroit in diesem Jahr nur noch 30 Vorstellungen geplant – im Vorjahr waren es immerhin noch 69 gewesen. Mit wichtigen Premieren rechnen Beobachter hier nun kaum mehr.
Ein Beispiel dafür ist auch der Autozulieferer ZF aus Friedrichshafen: Während ZF-Chef Wolf-Henning Scheider zur CES nach Las Vegas reiste und dort in einer eigens anberaumten Pressekonferenz den ersten Kunden für den gemeinsam mit einem Partner entwickelten Kleinbus „People Mover“vorstellte, besuchte der Vorstandsvorsitzende die North American Motor Show gar nicht. Zwar ist das Friedrichshafener Unternehmen mit einem Stand in Detroit vertreten, Veranstaltungen mit dem Vorstand oder größere Präsentationen plant ZF aber nicht.
Ist der Bedeutungsverlust der einst wichtigsten US-Automesse eine logische Folge des voranschreitenden Branchenwandels? Tatsächlich wirkt das protzige Kräftemessen mit den PS-strotzenden SUVs, Pickups und Luxusschlitten – auch in der Ära von „#MeToo“noch immer präsentiert von aufreizenden Hostessen – verglichen mit den digitalen Highlights der CES wie aus der Zeit gefallen. Da scheint es folgerichtig, dass der derzeit wohl angesagteste USAutobauer Tesla sich 2015 das letzte Mal mit einem Stand in Detroit blicken ließ.
Dass sich etwas ändern muss, ist den Veranstaltern bewusst. Ab 2020 soll die Motor-Show in den Juni verlegt werden. Ob es etwas bringt? Dudenhöffer bezeichnet das ganze Konzept als antiquiert – was jedoch kein exklusives Problem sei: „So wie Detroit geht es nahezu allen klassischen Automessen.“Auch die Frankfurter IAA habe unter einem bedenklichen Ausstellerschwund zu leiden. Technikmessen wie die CES zeigten, wie es geht: Statt zwei Wochen lang Karossen zu zeigen, dauerten sie nur wenige Tage und verzichteten auf „Dauerberieselung“.
Die Schwierigkeiten des über 100 Jahre alten Messe-Urgesteins sind gewissermaßen auch symptomatisch für die US-Autoindustrie insgesamt.
Bei Trends wie E-Antrieben und autonomem Fahren, die die Zukunft der Branche bestimmen dürften, müssen die alteingesessenen Schwergewichte wie General Motors (GM) und Ford aufpassen, nicht gegenüber den Tech-Konzernen aus dem Silicon Valley ins Hintertreffen zu geraten. Um mit Tesla, Google, Apple, Uber und Co. mitzuhalten, sind Milliarden-Investitionen nötig – was bei GM und Ford bereits zu massiven Sparprogrammen und Stellenabbau führte.
Verkaufszahlen leicht im Plus
Da ist es wenig hilfreich, dass inzwischen auch noch der lange Zeit boomenden US-Autokonjunktur die Luft ausgeht. Nach einem Rückgang 2017 hielten sich die Verkaufszahlen im vergangenen Jahr bei rund 17,3 Millionen Pkw, SUVs und Pick-ups zwar leicht im Plus. Angesichts der brummenden US-Wirtschaft, Steuersenkungen und gestiegener Einkommen war das aber kein Grund zum Jubeln. „Wir gehen davon aus, dass das Geschäft 2019 eine Herausforderung wird“, heißt es im Ausblick des größten US-Autohändlers Autonation.
Der Handelsstreit der USA mit China und der EU hängt zudem weiter wie ein Damoklesschwert über der Branche. Sollte Präsident Donald Trump mit seiner Drohung ernst machen, die Einfuhrzölle auf Autos anzuheben, träfe dies die Hersteller mit voller Wucht. Gegenwind liefert auch die Geldpolitik: Die Zinserhöhungen der US-Notenbank dürften den so beliebten Autokauf auf Pump dämpfen. Die US-Investmentbank Jefferies rechnet 2019 mit 16,8 Millionen verkauften Autos. Arndt Ellinghorst vom Analysehaus Evercore schätzt einen geringeren Rückgang auf 17,1 Millionen Fahrzeuge.
Gerüchte um VW-Kooperation
Immerhin könnten von der Messe am zugig kalten Detroit River doch noch wichtige Signale an die Branche ausgehen – dann nämlich, wenn der deutsche Autoriese Volkswagen mit dem zweitgrößten US-Hersteller Ford an dessen Heimstätte eine weitreichende Allianz verkünden sollte. Seit Monaten sprechen die Unternehmen darüber, wo und wie sie sinnvoll Kosten teilen können. Als wahrscheinlich gilt, dass es zur Zusammenarbeit bei leichten Nutzfahrzeugen kommt.
Womöglich geht es aber auch noch um zukunftsweisendere Dinge wie Elektroantriebe und autonomes Fahren. Bislang wollten sich die Konzerne nicht dazu äußern, doch die Anzeichen für Neuigkeiten in Detroit verdichteten sich.
Sollten sich die zwei traditionellen Schwergewichte in diesem umkämpften Bereich gegen die Emporkömmlinge aus dem Silicon Valley zusammentun, hätte die Messe doch noch etwas Richtungsweisendes zu bieten.