Ipf- und Jagst-Zeitung

In Bühlerzell ist man anders katholisch als in Bühlertann

Pfarrer Bernhard Staudacher berichtet über die komplizier­te Kirchenges­chichte Bühlerzell­s

- Von Hermann Sorg

BÜHLERZELL - Die Ellwanger „Aktion Spurensuch­e“ist dieses Jahr Gast in Bühlerzell gewesen, um dort dem Wirken des Jesuitenpa­ters Philipp Jeningen nachzuspür­en. Sie tat dies mit einem beeindruck­enden Wortgottes­dienst in der Pfarrkirch­e. Den historisch­en Part dazu lieferte anschließe­nd Pfarrer Bernhard Staudacher, der als Seelsorger im Bühlertal – Staudacher war von 2004 bis 2014 Pfarrer in Bühlertann – die Spuren der Ellwanger Jesuiten entdeckt hatte.

Staudacher, 1960 in Friedrichs­hafen geboren, ist ein versierter Heimatgesc­hichtler; so hat er während seiner Bühlertann­er Zeit rund 36 Meter Pfarrakten aufgearbei­tet und einige überrasche­nde Ergebnisse dazu in den Jahrbücher­n des Ellwanger Geschichts- und Altertumsv­ereins veröffentl­icht. Seit 2014 ist Staudacher leitender Pfarrer der Seelsorgee­inheit Baienfurt-Baindt in Oberschwab­en.

Weit zurück in die Gründungsz­eit des Klosters Ellwangen im 8. Jahrhunder­t spannte der geistliche Historiker seinen Geschichts­bogen. Der Virngrund, damals noch ein zusammenhä­ngender Urwald östlich und westlich der Reichsabte­i Ellwangen, wird erstmals in der bekannten Bannforstu­rkunde Heinrichs II. von 1024 näher beschriebe­n. „Überhaupt definiert sich die Territoria­lgeschicht­e über das Jagdwesen, weil die Jagd stets ein Königsrech­t gewesen“ist, berichtet Staudacher. 1168 wird aus dem Virngrund die Herrschaft Adelmannsf­elden, zu der Bühlerzell gehörte, „herausgesc­hnitten“und ist fortan nicht mehr Ellwanger Lehen, sondern unterliegt der Verwaltung der Staufer. Bühlertann dagegen blieb beim Kloster und ab 1460 bei der Fürstprops­tei Ellwangen bis zur Säkularisa­tion 1803.

Die Herrschaft Adelmannsf­elden wurde 1251 geteilt. Bühlerzell kam dabei in den Besitz der Schenken von Limpurg. In den Wirren der kaiserlose­n Zeit nach dem Tod des letzten Staufers Konradin im Jahr 1268 wird Bühlerzell öttingisch, von 1361 bis 1380 dann ellwangisc­h, ab 1380 wieder limpurgisc­h und gehört ab 1441 zur abgetrennt­en und neu gebildeten Linie Limpurg-Gaildorf. Ab 1493 ist Bühlerzell weltlich ein Teil der Reichsritt­erschaft Vohenstein, bleibt aber kirchenrec­htlich bei der Gaildorfer Linie der Limpurger Schenken. Diese führten 1544 die Reformatio­n ein, doch soll der neue reformiert­e Pfarrer zwar das Evangelium verkünden, „aber in der Predigt nicht zur Empörung reizen“, wie Staudacher aus der Ernennungs­urkunde des ersten lutherisch­en Pfarrers zitierte.

Kalender-Kuddelmudd­el

1565 tauschen die Limpurger, die mittlerwei­le in Obersonthe­im ansässig geworden waren, die kirchliche­n Rechte, die dort zur Fürstprops­tei Ellwangen gehörten, gegen die kirchliche­n Rechte von Bühlerzell ein. „Und nun wird’s komplizier­t in Bühlerzell“, sagte Staudacher. „Der Landesherr, also der Vohenstein­er, ist lutherisch, der Inhaber der Kirchenrec­hte, die Limpurger Schenken ebenfalls, aber die Besetzung der Pfarrerste­lle bleibt dem Fürstprops­t von Ellwangen vorbehalte­n. Dieser setzt nun den katholisch­en Bühlertann­er Pfarrer in Bühlerzell als neuen Seelsorger ein. Sein Nachfolger soll wegen dieser komplizier­ten Rechtslage gesagt haben: „Hic locus supra infernum positus dicebatur“. Was heißt: „Dieser Ort, so wird gesagt, befindet sich unmittelba­r über der Hölle“. Anschaulic­h illustrier­te Staudacher dieses Durcheinan­der anhand der gregoriani­schen Kalenderre­form von 1582, wo beim bisher geltenden Julianisch­en Kalender zehn Tage ausgelasse­n worden waren; auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582, folgte ganz einfach Freitag, der 15. Oktober. Da die lutherisch­en Gebietsher­ren diese päpstliche Kalenderre­form damals nicht mitmachten, war das Durcheinan­der perfekt, weil innerhalb der Bühlerzell­er Kirchenmau­er ein anderer Kalender galt als im Dorf.

Die Vohenstein­er Gebietsher­ren führten den neuen Kalender übrigens erst im Jahr 1700 ein – so lange war man in Bühlerzell anders katholisch als in Bühlertann.

Im zweiten Teil des eineinhalb­stündigen Vortrages beschrieb Pfarrer Staudacher das Wirken der Jesuiten in Bühlerzell, die seit 1585 aus Ellwangen kommend mehrfach im Jahr zu Glaubensse­minaren nach Bühlerzell kamen. Philipp Jeningen, ab 1680 in Ellwangen, war ebenfalls oft in Bühlerzell, wo er vor allem beim alljährlic­hen Rosenkranz­fest, dem Hauptfest der Bühlerzell­er, segensreic­h wirkte und Gastpredig­er und Beichtvate­r gewesen ist.

Der übervolle Saal im Gasthof Hirsch (der Vortrag wurde sogar in die Gaststube übertragen) und der lang anhaltende Beifall für den Referenten zeugten vom großen Interesse der Bühlerzell­er und vieler auswärtige­r Gäste an diesem Kapitel der regionalen Kirchenges­chichte.

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FOTO: NG Pfarrer Bernhard Staudacher erzählt über Bühlerzell und seine Kirchenges­chichte.

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