Nationaler Notstand aus Trotz
US-Präsident Trump zieht die letzte Karte für eine Grenzmauer – Klagewelle droht
- Donald Trump redet im Rosengarten des Weißen Hauses. Im Kern sagt er dasselbe, was er bereits nach Neujahr gesagt hat, in einer Fernsehansprache zur besten Sendezeit. Wie schon damals zeichnet er die Lage an der Grenze zu Mexiko in düsteren Farben. „Wir reden von einer Invasion“, sagt er. „Wir reden von Drogen, Menschenschmugglern, allen möglichen Kriminellen und Banden.“Dann ruft er den nationalen Notstand aus.
Es ist ein extremer Schritt, aber auch der Versuch, eine Niederlage im Ringen mit seinen parlamentarischen Widersachern zu kaschieren. Trump hat ein Pokerspiel verloren. Beim Thema Mauer haben ihm die Demokraten, die nunmehr im Abgeordnetenhaus den Ton angeben, die Grenzen seiner Macht aufgezeigt. Dass er den Kürzeren zog, zeigen die Konturen eines Kompromisses, auf den sich Vertreter beider Parteien im Kongress einigten, um die Regierungsarbeit bis September zu finanzieren und einen Shutdown abzuwenden, den zweiten innerhalb von zwei Monaten.
Angst vor dem zweiten Shutdown
Demnach wird die Legislative nur 1,4 Milliarden Dollar für den Bau von Sperranlagen an der mexikanischen Grenze bewilligen. Das ist deutlich weniger als die 5,7 Milliarden, die der Präsident noch im Dezember gefordert hatte. Damals wollte er seine Gegenspieler zum Einlenken zwingen, indem er einen Shutdown provozierte, die Lähmung wichtiger Ministerien und Behörden, die 800 000 Staatsbedienstete 35 Tage lang um ihren Lohn brachte.
Nach drei Wochen zäher Verhandlungen, um den nächste Shutdown abzuwenden, steht er in der entscheidenden Frage mit leeren Händen da. Von einer Betonmauer ist in dem Haushaltspaket keine Rede mehr, lediglich von physischen Barrieren. Auf knapp 90 Kilometern Länge sollen neue beziehungsweise stabilere Zäune errichtet werden, hauptsächlich im Tal des Rio Grande, in Texas. In dem Punkt hat sich die Opposition durchgesetzt, zumal die fürs Zäune-Aufstellen geplante Summe nur marginal über dem Betrag liegt, den sie Trump zu Beginn des Tauziehens zugestehen wollte. Um die Konservativen das Gesicht wahren zu lassen, sollen die Patrouillen der Border Patrol um 1200 Beamte aufgestockt werden. An den Grenzübergangsstellen, wo Drogenschmuggler das Gros ihrer Ware getarnt in Lastwagen und Pkws ins Land bringen, soll die Durchleuchtungstechnik verbessert werden. Neue Flugzeuge werden angeschafft, neue Radargeräte installiert.
Trump, so berichtet es die „Washington Post“, soll noch am Donnerstag, als der Deal bereits in Sack und Tüten war, gedroht haben, ihm die Unterschrift zu verweigern. Dreimal, schreibt die Zeitung, habe ihn Mitch McConnell, die Nummer eins der Republikaner im Senat, an dem Tag anrufen müssen, um ihm eine Trotzreaktion auszureden.
Um am Ende doch noch als Sieger dazustehen, ruft Trump den Notstand aus. Damit fährt er einen Umweg, um die Mauer auch ohne Zustimmung des Parlaments bauen zu können. Nur stehen seine dramatischen Worte im Widerspruch zur tatsächlichen Lage. An der Grenze steigt die Zahl illegaler Einwanderer zwar wieder an, nachdem sie in den Monaten nach Trumps Amtsantritt stark gesunken war. Von den Rekordwerten zu Beginn der Nullerjahre indes ist sie noch weit entfernt.
Im politischen System der USA ist es allein die Legislative, die über die Staatsausgaben entscheidet. Der Chef der Exekutive kann versuchen, sie von Fall zu Fall zu überzeugen. Er kann darum bitten, Etatposten aus zwingendem Grund umzuschichten. Er kann werben, Druck ausüben, Konsequenzen ausmalen. Lässt ihn der Kongress abblitzen, bleibt ihm jedoch nach den Regeln der Gewaltenteilung nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden. Dass Trump den Notstand ausruft, um bewährte Kontrollmechanismen auszuhebeln, lässt Nancy Pelosi, die Mehrheitsführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, auf die Barrikaden gehen. Der Kongress, betont sie, werde verteidigen, was ihm die Verfassung an Befugnissen zuteile. Ob die Demokraten juristische Schritte folgen lassen – und wenn ja, welche – bleibt vorläufig offen.
Was heißt Notstand eigentlich?
Eine Klagewelle dürfte in jedem Fall auf die Regierung zurollen. Landbesitzer in Texas könnten materiellen Schaden geltend machen, der ihnen durch zusätzliche Barrieren entsteht. Zieht Trump Mittel aus dem Militäretat ab, um sie für die Mauer zu verwenden, könnten sich Kommunen zur Wehr setzen, die geplante Vorhaben zurückstellen müssten, etwa die Reparatur maroder Dämme durch das Armee-Ingenieurkorps .
Was genau unter einem nationalen Notstand zu verstehen ist, lässt die Gesetzgebung des US-Bundes im Vagen. In den 1970er-Jahren, im Zuge des Watergate-Skandals, der Richard Nixon das Amt kostete, verabschiedete das Parlament den National Emergencies Act, eine Novelle, die klarer definiert, wo groß der Spielraum des Weißen Hauses ist und wo er endet. Demnach liegt es in der Macht des Kongresses, eine vom Präsidenten erklärte Ausnahmesituation zu beenden, wenn beide Kammern dafür stimmen und der Staatschef kein Veto einlegt. Zudem ist ein Notstand nach 180 Tagen automatisch beendet, falls der Präsident ihn vor Ablauf der Frist nicht verlängert.