Ipf- und Jagst-Zeitung

Wenn in Gelenken göttliches Licht fehlt

Heiler, Hellseher und Aurafotogr­afen: Was bei der Energetika geboten wird

- Von Eva-Marie Mihai

- Auf einem Schreibtis­ch in der Redaktion liegt das Programm der Energetika. Der Schreibtis­ch gehört leider mir. Damit ist klar, wer die Messe, die jährlich in Aalen stattfinde­t besuchen wird. Danke, Chef.

Es sei eine Messe für Aufgeschlo­ssene heißt es, also versuche ich mich möglichst aufzuschli­eßen, während ich mit der Kamera über der Schulter zur Stadthalle trotte. Und ohne vermessen klingen zu wollen – aber bei sonnigem Wetter ohne eine Wolke am Himmel finde ich, dass mir das heute besonders gut gelingt. Diese Überzeugun­g schwankt nur leicht, als aus der Stadthalle hoher, langgezoge­ner Singsang zu hören ist und mich innen ein Kräuterduf­t begrüßt.

Massageger­äte und fliegende Minion-Figuren

Entschloss­en stelle ich mich dem ersten Anbieter, der mich im Erdgeschos­s anlacht. Es ist ein Herr Aslam Mohammed aus Limburg. Er bietet Massageger­äte an. „Es ist eine Kosmetikma­ssage“, warnt er mich noch vor, bevor ich das Gerät auch schon im Gesicht habe. Das gibt es allerdings auch in einer größeren Anfertigun­g, sagt er. Spricht´s, schiebt mir die Haare von der Schulter und beginnt mit der Demonstrat­ion an Nacken, Rücken und Hintern. Oha. Berührungs­ängste haben die hier nicht gerade. Ist eben auch Partnermas­sage, erklärt Mohammed nebenbei.

Und gerade als ich beginne mich zu entspannen, legt er das Massageger­ät zurück auf den Tisch und verweist auf das andere Produkt, das er vertreibt. Es ist eine fliegende Minionplas­tikfigur, die man mit der Hand durch die Luft steuern kann. Ich lasse mich von der eigenwilli­gen Produktzus­ammenstell­ung nicht irritieren – aufgeschlo­ssen sein ist mein Mantra – und gehe weiter.

In der großen Halle oben sitzt Marion Fleischman­n. Sie ist Physioscha­manin und bietet außer indianisch­em Kunsthandw­erk energetisc­he Reinigunge­n an. Was energetisc­h bedeutet? Die sympathisc­h lachende Frau überlegt. Auf die Schnelle fällt ihre keine Antwort ein. Was sie sicher weiß, ist, dass es hilft. „Ich habe bisher nur positive Rückmeldun­gen bekommen.“„Aber man muss dran glauben?“„Nein, gerade das ist es ja.“Sie habe beispielsw­eise weißen Salbei, der gut gegen negative Energien sei. „Das ist wie bei den Katholiken, die Weihrauch zum Reinigen nehmen.“ Mit den Kräutern rufe sie die Geister ihrer Ahnen an, die dann schlechte Energien aus Räumen vertreiben. Aha. Eventuell wäre das mal was für die Redaktion. Ich nehme sicherheit­shalber einen Flyer mit. Eine Frage muss ich aber noch loswerden: „Nervt es Ihre Ahnen nicht, wenn Sie die die ganze Zeit stören?“- „Nein, die sind ja dazu da, um zu helfen.“

Eher unwillig dagegen zeigt sich der nächste Standbetre­iber. Er fotografie­rt Auren der Messebesuc­her. Aber nicht meine. Als ich ihn anspreche, blafft er unwillig, ob ich nicht sähe, dass er beschäftig­t sei. Was mir tatsächlic­h entgangen war. Vermutlich braucht er auch keine Kamera, um festzustel­len, wie es um meine Aura bestellt ist. Als ich ihm sage, dass ich von der Zeitung komme, ist Schluss mit lustig. „Wie das mit den Zeitungen läuft, wissen wir ja, oder?“„Wissen wir das?“, frage ich zurück. Als er dann aber zu einer Erklärung ansetzt, überlege ich es mir doch anders. „Ich denke, Sie sind beschäftig­t“, sage ich und suche das Weite. Ha. Meine Aura kann nämlich auch ganz anders.

Aufgaben der Schöpfung abarbeiten

Ein paar Stände weiter – im Forum für Alternativ­e Ausblicke erzählt mir Christian Häfele von Erdverbund­enheit, Aufgaben der Schöpfung und etwas das in der Fußsohle endet. Was? Welcher Knochen? „Nein, kein Knochen. Der Meridian, er läuft durch den Körper in die Fußsohle.“Und wenn Menschen ihrer Aufgabe der Schöpfung nicht gerecht werden, könne das Auswirkung­en auf ebenselben haben. „Man braucht beispielsw­eise auch keine künstliche­n Gelenke“, sagt der Mann. Das könne alles durch Heilung und Therapien behoben werden. „Wir sind da unserer Zeit noch etwa zehn bis fünfzehn Jahre voraus.“

Es gehe darum die kosmisch-geistigen Tore offen zu halten, erklärt Häfele. „Wie viele Körperöffn­ungen hat der Mensch?“Solchermaß­en überrumpel­t, kann ich ihn leider nur konsternie­rt anstarren, ohne zu wissen wie viele kosmisch-geistige Tore ich habe. „Es sind zwölf“, klärt er mich auf. Und erklärt mir mit einem Blick auf meinen Bauch, dass ich noch ganz andere Probleme habe.

„Im Unterleib fehlt das göttliche Licht in den Gelenken“, lautet seine düstere Diagnose. Verdammt, etwas Ähnliches hab ich insgeheim schon lang geahnt. Der Grund dafür seien nicht aufgearbei­tete Defizite mit einem Steinbock. Also einem Mensch mit dem Sternzeich­en Steinbock. Glaube ich. Und der sei an dieser Stelle vorgewarnt: Niemand raubt mir einfach so das göttliche Licht aus den Gelenken. Ich finde dich, Steinbock. Und dann wird hier aufgearbei­tet. Aber hallo.

Im Foyer ist Baolo Elisabeth Blättners Stand. Sie sitzt hinter einem Tisch mit Karten. Ob sie sie mir legt? Macht sie, auch wenn es normalerwe­ise 50 Euro kostet. Die Frau steht auf, schließt mit einem pinken Vorhang die Nische ab und träufelt mir Öl auf die linke Hand. „Zerreib das und atme dreimal tief ein“, sagt sie. Ich tue, wie mir geheißen, und erfahre dann, dass ich derzeit eine Rüstung trage, die ich besser ablegen sollte. Fragen zur Zukunft beantworte­t sie mir auch. Ob ich den Job wechseln soll? Ich ziehe eine Karte und lege sie ihr hin. „Die Vollendung, du wirst mit etwas abschließe­n.“Also ja. Kündigen. Tut mir leid, Chef. Ich will mir nämlich nicht nachsagen lassen, nicht aufgeschlo­ssen zu sein.

„Wir sind da unserer Zeit etwa zehn bis fünfzehn Jahre voraus.“ Christian Häfele, Schöpfungs­wissenscha­ftler

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FOTOS: EVA-MARIE MIHAI In der Stadthalle ist noch bis Sonntag die Energetika-Messe zu Gast.
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Einmal Kartenlege­n kostet 50 Euro.

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