„Wir wollen Mädchen für Raumfahrt begeistern“
Suzanna Randall bereitet sich seit einem Jahr darauf vor, die erste deutsche Frau im All zu werden
Suzanna Randall sitzt in der Cafeteria der Europäischen Südsternwarte (Eso) bei München – in den Händen einen Becher Kaffee, im Kopf einen Traum. Die 39-jährige Astrophysikerin von der Eso will als erste deutsche Frau in den Weltraum fliegen. Die private Initiative „Die Astronautin“hat sie vor genau einem Jahr als eine von zwei Finalistinnen ausgewählt. Seither trainiert Randall für den Trip ins All; im Jahr 2020 soll sie – oder ihre Konkurrentin Insa Thiele-Eich – in die Rakete klettern. Im Interview mit Patrik Stäbler spricht die 1,59 Meter große Randall unter anderem über Weltraumstar Alexander Gerst und die Schwerelosigkeit beim Parabelflug.
Frau Randall, wie viele Deutsche waren bis heute im Weltall?
Es waren elf. Elf Männer.
Und keine einzige Frau. Wie erklären Sie das einem elfjährigen Mädchen, wenn Sie bei einem Ihrer Schulbesuche sind?
Ganz ehrlich, dafür gibt es keine vernünftige Erklärung. Klar kann man argumentieren, dass Frauen unterrepräsentiert sind in den Ingenieursund Naturwissenschaften sowie in der Raumfahrt. Aber wenn man zum Beispiel in die USA blickt, dann ist man dort viel weiter. Bei der Nasa sind 40 bis 50 Prozent der neu ausgebildeten Astronauten weiblich. Das hat dann auch eine ganz andere Vorbildwirkung für Mädchen.
Hatten Sie in Ihrer Jugend ein Raumfahrt-Vorbild?
In Deutschland gab es da niemanden, und auch mit den männlichen USAstronauten konnte ich als Kind wenig anfangen. Mein Vorbild, wenn man so will, war Sally Ride, die 1983 als erste Amerikanerin ins All geflogen ist. Ich habe mir als Kind gedacht: Die sieht ein bisschen aus wie ich, ist klein und hat dunkle Locken. Außerdem fand ich sie sympathisch, und so habe ich angefangen, mich mit dem Thema Raumfahrt zu beschäftigen. Irgendwann habe ich dann beschlossen: Das, was sie macht, will ich auch machen.
Und in der Abizeitung haben Ihre Mitschüler über Sie geschrieben ...
... Suzie wird die erste Frau auf dem Mars.
Mit dem Mars wird es wohl nichts, aber Sie könnten die erste deutsche Frau im Weltraum werden. Dann wären Sie ein Vorbild für Mädchen, genau wie damals Sally Ride ...
Das ist ja eines der großen Ziele von „Die Astronautin“: Wir wollen Mädchen für die Raumfahrt begeistern, aber auch für Naturwissenschaften, Mathematik und Technik.
So wie es Alexander Gerst tut, der zum Raumfahrtstar geworden ist. Wie haben Sie seine letzte Mission erlebt?
Natürlich verfolge ich das jetzt intensiver. Wir kriegen ja zum Beispiel auch die Reports von der ISS und können nachlesen, was die Astronauten an Bord tun. Den Start habe ich auf allen Kanälen angeschaut, da war schon sehr großes Interesse da.
Und etwas Neid?
Ja, klar. Ich verfolge die Raketenstarts jetzt ganz anders, weil ich denke: Da könnte ich drin sitzen.
2020 will „Die Astronautin“die erste Deutsche ins All schicken. Wie realistisch ist dieser Zeitplan?
Schauen wir mal. Wir haben inzwischen einen relativ konkreten Vorschlag für einen Flug Ende 2020, allerdings verschieben sich Termine in der Raumfahrtbranche gerne mal nach hinten.
Und dann ist da noch die Frage der Finanzierung ...
Sie ist jetzt der Knackpunkt. Wir haben bereits erste Zusagen von Investoren über mehrere Hunderttausend Euro. Das kommt jetzt langsam in die Gänge ...
... ist aber nur ein Bruchteil der geschätzten 50 Millionen Euro, die es für die Mission braucht.
Ich sage immer, die erste Million ist die schwierigste. Wenn wir die beisammen haben, dann wird’s auch laufen. Wir verfolgen jetzt den Ansatz, dass wir sowohl in der Industrie als auch in der Politik werben.
Während „Die Astronautin“um Unterstützung wirbt, bereiten sich Insa Thiele-Eich und Sie auf einen Flug ins All vor – im Nebenjob?
Ich habe das Glück, dass mich die Eso unterstützt und ich 30 bis 50 Prozent meiner Arbeitszeit für die Astronautenausbildung aufwenden kann. Etliche Menschen denken ja, dass ich ein Survivaltraining nach dem anderen durchlaufe, aber in Wahrheit gehört sehr viel Theorie dazu – zumal ich als Astrophysikerin nicht aus der Raumfahrt stamme. Zum Beispiel lerne ich, wie der Wärmekreislauf an Bord der ISS funktioniert.
Und der praktische Teil?
Gleich am Anfang meiner Ausbildung waren wir in Frankreich und haben eine Serie von Parabelflügen gemacht, um die Schwerelosigkeit zu simulieren. Das war ein unglaubliches Gefühl, das man kaum beschreiben kann – und sicher eines der Highlights bisher.
Ihrem Traum vom Weltraumflug sind Sie so nah wie nie. Trotzdem könnte es dazu kommen, dass „Die Astronautin“die Finanzierung stemmt und eine Deutsche ins All schickt – aber nicht Sie, sondern Ihre Konkurrentin. Und dann?
Ich wäre riesig enttäuscht, keine Frage. Trotzdem ist es unser Hauptziel, dass überhaupt eine Frau ins All fliegt. Für mich wäre es viel schlimmer, wenn das Projekt platzen würde, als wenn am Ende sie zum Zug kommt. Ohnehin ist es ja so, dass ich durch „Die Astronautin“schon unglaublich viel Neues erlebt habe. Nehmen Sie allein die Parabelflüge. Oder neulich, da war ich in der ARDQuizshow „Ich weiß alles“. Auch das war ein tolles Erlebnis – obwohl ich früh rausgeflogen bin.