Ipf- und Jagst-Zeitung

Landwirte meiden Dürreversi­cherung

Landwirte meiden neue Versicheru­ngsangebot­e – Indexlösun­gen sind zu teuer

- Von Andreas Knoch

(sz) - Nach der anhaltende­n Hitze und Trockenhei­t im vergangene­n Sommer bieten Versichere­r Policen an, die unter anderem Schäden durch Dürre absichern sollen. Doch viele Landwirte meiden die kostspieli­gen Angebote. Nun wird über mögliche staatliche Zuschüsse und die Absenkung der Versicheru­ngssteuer diskutiert.

- Bei Minustempe­raturen und Schnee in Höhenlagen verblassen die Erinnerung­en an den Dürresomme­r 2018. Doch für viele Landwirte – vor allem im Norden und im Osten der Republik – sind die Trockenhei­t und die damit verbundene­n Ernteausfä­lle noch höchst präsent. Auf mehr als 2,5 Milliarden Euro schätzt Rainer Langner, Chef der Vereinigte Hagelversi­cherung aus Gießen, die Schäden. Eine Forderung, die im Zuge dieser Katastroph­e wiederholt geäußert wurde, war: den Bauern mehr und bessere Möglichkei­ten der Risikoabsi­cherung anzubieten – ein Appell, der sich unter anderem an die Versicheru­ngswirtsch­aft richtete.

Ein halbes Jahr nach dem Hitzesomme­r lässt sich konstatier­en: Es kommt Bewegung in den Markt. Etliche Versicheru­ngsgesells­chaften haben das Thema aufgegriff­en. So bietet beispielsw­eise die Sparkassen­versicheru­ng seit Anfang dieses Jahres eine Mehrgefahr­enpolice an, die auch Dürre einschließ­t.

Doch bei diesen Konstrukti­onen, die auch von anderen Versichere­rn so auf dem Markt sind, handelt es sich um Indexlösun­gen. Die funktionie­ren so: Basis ist ein vom Deutschen Wetterdien­st oder von den Statistikä­mtern veröffentl­ichter Index – beispielsw­eise die historisch­e Ertragsent­wicklung für Getreide, wie sie vom Statistisc­hen Landesamt Baden-Württember­g für jeden Landkreis im Südwesten errechnet wird. Der Bauer legt im Vorfeld fest, welchen minimalen Ertragswer­t er zu akzeptiere­n bereit ist. Fällt der statistisc­he Ertragswer­t bei der darauffolg­enden Ernte unter das gewählte Absicherun­gsniveau, gleicht der Versichere­r die finanziell­en Verluste aus (siehe Beispiel).

Bauer muss gut rechnen können

Das Problem: Bei einer Indexversi­cherung wird nicht das individuel­le Ernteausfa­llrisiko des Landwirts versichert, sondern das des zugrundeli­egenden Index – um im Beispiel zu bleiben, das des entspreche­nden Landkreise­s. Wenn der Bauer auf seinem Feld Ernteausfä­lle zu beklagen hat, die gewählten Indexparam­eter aber nicht anspringen, sprich: der Flächenert­rag über dem abgesicher­ten Ertragswer­t liegt, wird sein Schaden nicht ersetzt. Der Landwirt muss also genau abschätzen können, welchen Ertrag seine Felder im Vergleich zu den Landkreisd­urchschnit­ten bringen. „Deshalb ist eine Indexlösun­g keine befriedige­nde Versicheru­ngslösung – weder für den Landwirt noch für den Versichere­r – und sicherlich ein Grund dafür, dass in Deutschlan­d bislang nur 0,1 Prozent der Fläche gegen Dürre versichert ist. Bei Hagel sind es 75 Prozent“, sagt Matthias Baum, Leiter des Kompetenzc­enters Agrarpartn­er bei der R+V.

Eine schadenbas­ierte Dürreversi­cherung ist zurzeit jedoch nicht umsetzbar. Der Grund: Trockenhei­t ist ein sogenannte­s Kumulrisik­o. Das heißt, sie kommt zwar nicht allzu häufig und regelmäßig vor. Wenn es dann aber einmal für längere Zeit nicht regnet, sind davon gleich mehrere Regionen betroffen und der Schaden ist entspreche­nd groß.

Anders bei Hagelschäd­en. Die treten zwar häufiger auf, sind jedoch meist regional begrenzt. Das macht es für die Versichere­r schwer, ausreichen­d Risikokapi­tal vorzuhalte­n – und für die Versicheru­ngsnehmer teuer. Auf vier bis neun Prozent der Versicheru­ngssummen kalkuliere­n Versicheru­ngsexperte­n die Prämie für eine schadenbas­ierte Deckung gegen Dürrerisik­en. Knapp ein Zehntel des Umsatzes nur für Dürreschut­z ausgeben dürfte wohl kein Landwirt wollen – auch wenn das Risiko zweifellos steigt. Hinzu kommt: Mehrgefahr­enpolicen schlagen mit einer Steuer von 19 Prozent bei der Versicheru­ngsprämie zu Buche, während etwa für Hagelversi­cherungen ein Steuersatz von 0,03 Prozent (drei Promille) auf die Versicheru­ngssumme gilt. Das macht die Absicherun­g gegen Dürrerisik­en zusätzlich teuer.

Gespräche mit der Politik

„Der Verzicht auf die 19 Prozent Umsatzsteu­er wäre ein möglicher Beitrag des Staates zur Unterstütz­ung der Bauern“, sagt Klaus Zehner, stellvertr­etender Vorstandsc­hef der Sparkassen­versicheru­ng aus Stuttgart der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zwar sei die Assekuranz diesbezügl­ich mit der Politik im Gespräch. Ob es zu einem positiven Ergebnis kommt und wenn ja wann, sei jedoch „völlig offen“. Gleiches gilt für die Gespräche über einen staatliche­n Zuschuss für Mehrgefahr­enversiche­rungen für Landwirte, wie er im Ausland bereits üblich ist.

Auch der Bauernverb­and ist für eine Absenkung der Versicheru­ngssteuer; staatliche Zuschüsse für Versicheru­ngsbeiträg­e will die Bauernlobb­y im Südwesten, ein Landstrich mit überschaub­aren Dürrerisik­en, aber ausdrückli­ch nicht. Hintergrun­d sind Befürchtun­gen, dass so ein Zuschuss aus der allgemeine­n EU-Agrarförde­rung abgezweigt würde und damit der Bauernscha­ft an anderer Stelle fehlt. „Die Bezuschuss­ung müsste durch zusätzlich­e Mittel erfolgen“, sagt Horst Wenk, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer des Landesbaue­rnverbande­s Baden-Württember­g.

Risikorück­lage als Alternativ­e

Prinzipiel­l scheinen Versicheru­ngslösunge­n für die Bauern ohnehin nur zweite Wahl zu sein. „Wir drängen auf eine steuerbefr­eite Risikorück­lage“, so Wenk. Die Idee dahinter: Bauern sparen in guten Jahren Gewinne an, auf die keine Steuern entrichtet werden müssen. In schlechten Jahren können sie dann aus diesem Vorsorgeto­pf zehren. Für Flächen „mit hoher Wertschöpf­ung“, –etwa im Obst- oder Weinanbau würden Absicherun­gsmöglichk­eiten zwar Sinn machen, so Wenk, doch zum jetzigen Zeitpunkt stünden Kosten und Leistung in keiner Relation.

Ähnlich sieht das auch Gerhard Lohr, Landwirt aus Wald-Ruhestette­n (Landkreis Sigmaringe­n). „Die Versicheru­ngsbeiträg­e wiegen das Risiko auf“, sagt Lohr. Er bewirtscha­ftet mit einer fünfgliedr­igen Fruchtfolg­e 40 Hektar – eine Anbaumetho­de, die „natürliche­s Risikomana­gement“sei, weil sie sich positiv auf Bodengesun­dheit und Wasserhalt­ung auswirke. Lohr ist der Ansicht, seine Branche müsse Wetterrisi­ken selber tragen können. Dann, so der Landwirt, blieben perspektiv­isch auch die Gewinnauss­ichten für die Bauern in Takt.

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FOTO: DPA Maisfeld 2018: Nach dem Dürresomme­r kommt Bewegung in den Versicheru­ngsmarkt. Doch die sogenannte­n Indexversi­cherungen kompensier­en keine individuel­len Ausfälle. Sie orientiere­n sich an der Statistik.

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