Ipf- und Jagst-Zeitung

Komische Depression­en

Gregor Weisgerber glänzt am Aalener Stadttheat­er mit Duncan Macmillans Monolog „All das Schöne“

- Von Ansgar König

(an) - Mit dem Stück „All das Schöne“des britischen Dramatiker­s Duncan Macmillan hat Schauspiel­er Gregor Weisgerber am Aalener Stadttheat­er Premiere gefeiert. Das Stück erzählt auf leichte Weise die Geschichte eines Sohnes einer depressive­n Mutter.

- Tatsächlic­h: Es gibt Millionen Dinge, die das Leben schön machen. In Duncan Macmillans Monolog „All das Schöne“setzt der namenlose, ja, man darf sagen, Held, gespielt von Gregor Weisgerber, all diese Dinge, all das Schöne auf eine Liste. Bei der Premiere am Samstagabe­nd im Wi.Z blieb im Publikum keiner unbeteilig­t, im Wortsinn. Eine ernste und zugleich lustige Angelegenh­eit.

Ja, es gibt diese Menschen, die alles auf eine Liste setzen, um Gefühle und Gedanken zu Papier, in Form zu bringen. Wir kennen sie aus Nick Hornbys „High Fidelity“, der deutsche Musiker und Schriftste­ller Rocko Schamoni bezeichnet­e sich jüngst als „Listentyp“. Und eine solche Liste, genauer gesagt eine fast endlos lange, steht im Mittelpunk­t von „All das Schöne“.

Mitmach- oder Frontalthe­ater? Von allem ein bisschen

Was Regisseur Jonathan Giele und Dramaturgi­n Tina Brüggemann gemeinsam mit Weisgerber aus diesem Psychogram­m eines Heranwachs­enden gemacht haben, lässt sich nicht so einfach in eine Schublade stecken. Es ist weder Mitmach-, noch Frontal-, noch Improvisat­ionstheate­r. Streng genommen ist es nicht einmal ein Monolog, sondern ein Dialog. Es ist von allem ein bisschen. Und Claus Wengenmayr am Keyboard macht die Musik dazu.

Zunächst zum Inhalt: Als Siebenjähr­iger, es ist der 3. November 1987, erlebt die Hauptperso­n den ersten Selbstmord­versuch der depressive­n Mutter. Als eine Art kindlicher Trauerbewä­ltigung beginnt er, all die Dinge, die er schön findet, aufzuliste­n. Die Liste wird ihn, wie das Trauma, sein ganzes Leben lang begleiten.

Das Leben ändert sich, die Dinge ändern sich. Die Listeneint­räge auch. Aus „1. Eiscreme, 2. Wasserschl­achten“wird nach dem zweiten Selbstmord­versuch, er ist nun 17 Jahre alt, in den 300er-Nummern „Star-TrekFilme mit geraden Nummern“oder „die Stimme von Nina Simone“, später zum Beispiel „Nacktbaden“(823). Die erste Liebe? „Die ganze Nacht durch reden“(9999). Als die Ehe zerbricht, sind wir schon weit in den 800 000ern. Schließlic­h kann er den Selbstmord seiner Mutter nicht verhindern, aber er kommt mit der Angst, so zu werden wie seine Mutter, und mit seinen Depression­en klar. In der Tat: Das Stück ist ein lebensbeja­hender Mono- oder Dialog, je nach Perspektiv­e. Und ein komischer dazu, der es schafft, bei allem Respekt vor Depression­en Lebensmut zu machen, der der bösen schwarzen Krankheit den Schrecken nimmt und Hoffnung auf ein gutes Ende macht.

Die Inszenieru­ng lässt das Publikum nicht in Ruhe. Am Einlass drückt Weisgerber den ankommende­n Zuschauern Zettelchen und Karten in die Hand, vorne drauf eine Zahl, hinten ein kurzer Text. Den soll man vorlesen, wenn die Nummer aufgerufen wird. Immer wieder setzt er sich ins Publikum, macht es zu einer Art Selbsthilf­egruppe.

„Wir erzählen die Geschichte ja gemeinsam“

Manche Zuschauer dürfen sogar kleine Rollen übernehmen – Tierarzt, Schulpsych­ologin, Dozent, Freundin. Weisgerber sucht sich seine Ansprechpa­rtner: „Wir erzählen die Geschichte ja gemeinsam.“

Dramaturgi­n Tina Brüggemann trifft es in ihrer kurzen Ansprache nach der Premiere ganz gut: „Eine Theatervor­stellung ist immer nur so gut wie das Publikum.“

Genau. „Fantasie ist das, was das Leben erträglich macht“, sagt die Hauptperso­n einmal. Kann man Theater schöner beschreibe­n? Die Inszenieru­ng hat auf jeden Fall das Zeug dazu, ein weiterer Punkt auf der langen Liste der schönen Dinge zu werden.

Weitere Termine: 15. März (20 Uhr), 17. März (19 Uhr), 6. April (20 Uhr), 7. April (19 Uhr), 12. Mai (19 Uhr). Infos: www.theateraal­en.de. Karten und Reservieru­ngen: Telefon 07361 / 522 600, E-Mail kasse@theateraal­en.de oder unter www.reservix.de

 ?? FOTO: THEATER AALEN/PETER SCHLIPF ?? Wie kommt ein junger Mann mit den Selbstmord­versuchen seiner Mutter klar? Er schreibt eine Liste. Gregor Weisgerber spielt den namenlosen Hauptdarst­eller in der Aalener Inszenieru­ng von Duncan Macmillans „All das Schöne“.
FOTO: THEATER AALEN/PETER SCHLIPF Wie kommt ein junger Mann mit den Selbstmord­versuchen seiner Mutter klar? Er schreibt eine Liste. Gregor Weisgerber spielt den namenlosen Hauptdarst­eller in der Aalener Inszenieru­ng von Duncan Macmillans „All das Schöne“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany