Buchstützer als „Top Dogs“in Bestform
Winterlesung ist ein Vergnügen mit Tiefgang
- Seit 13 Jahren machen die Ellwanger Buchstützer ihrem Namen alle Ehre und stützen als (Vor-) Leseratten den Kulturbetrieb der Stadt sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinne. Vielschmöker, Bücherwürmer und Literaturfans haben bei ihnen eine Heimat gefunden. Die Leseabende sind längst ein Selbstläufer. Auch die Winterlesung vereinte eine heitere Runde zahlreicher Besucher im Palais Adelmann. Um sogenannte „Top Dogs“ging es, um entthronte Spitzenmanager.
Was Underdogs sind, glaubt man zu wissen. Was aber sind Top Dogs? Der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer hat diese Spezies quasi erfunden: Top- und Spitzenmanager, ihrer Macht beraubt. Aufgeopfert haben sie sich. Gedankt hat es ihnen niemand. Schnöde entlassen, hocken sie jetzt outgesourct im Outplacement der New Challenge Company. Es ist ein Elend. Immerhin gibt’s Gipfeli, also Croissants, krümelintensiv, aber umsonst. Die mümmeln sie und blicken der bitteren Wahrheit ins Auge, mal trübsinnig, mal aufmüpfig. Herr Deer, gelesen von Gerald Marek, war Catering-Spezialist mit der rüden Devise: „Führe, folge oder mach‘ Platz.“Frau Tschudi, der Uschi Dow Stimme gab, träumt gedemütigt von Milliarden. Herr Bihler, dem Jürgen Volmer Leben einhauchte, lässt den Churchill heraushängen: Eine Niete im Frieden, aber ein Berserker im Krieg. Und Business, sagt Bihler, ist Krieg, ist Blut und Tränen.
Letztere vergießt Herr Krause, in den Bernd Brasse hineinschlüpfte. Krause leidet unter steifem Nacken und ist überzeugt, „dass eine Frau am Samstag Sex will.“Kann ihm egal sein, denn seine Frau ist weg. Sie ging mit dem Job, genauso wie Auto, Haus und Selbstachtung. Herr Neuschwander, gelesen von Werner Schindhelm, trauert um seinen Porsche, den legendären Neun-Elfer. Frau Wrage, in die sich Heike Dietrich hineinfühlte, hat sich nach ihrer Entlassung drei Wochen in der Karibik verkrochen. Frau Jenkins, der Tanja Peter Pfiff und Persönlichkeit gab, beschwört ein gläsernes Büro in New York und wird sich als einzige einer neuen Herausforderung stellen, allerdings in der hintersten Ecke von Südkorea. Herr Müller, natürlich gelesen von Andreas Müller, träumt davon, seinen Ex-Chef in den Abgrund an der Eiger-Nordwand zu stoßen.
Doch es hat sich ausgemüllert. Seelenstriptease, Rollenspiele, Gruppengespräche, Gangübungen mit Gorilla-Attitüde ändern daran nichts. Sie waren Top Dogs, ganz oben. Nun sind sie ganz unten, haben nichts mehr zu sagen und noch weniger zu entscheiden. Was die Buchstützer als Vorleser von Format aus der satirischen Vorlage machten, war ein kurzweiliges Vergnügen mit Tiefgang. Wie guter Wein werden auch sie mit den Jahren immer besser.