Ipf- und Jagst-Zeitung

Buchstütze­r als „Top Dogs“in Bestform

Winterlesu­ng ist ein Vergnügen mit Tiefgang

- Von Petra Rapp-Neumann

- Seit 13 Jahren machen die Ellwanger Buchstütze­r ihrem Namen alle Ehre und stützen als (Vor-) Leseratten den Kulturbetr­ieb der Stadt sowohl buchstäbli­ch als auch im übertragen­en Sinne. Vielschmök­er, Bücherwürm­er und Literaturf­ans haben bei ihnen eine Heimat gefunden. Die Leseabende sind längst ein Selbstläuf­er. Auch die Winterlesu­ng vereinte eine heitere Runde zahlreiche­r Besucher im Palais Adelmann. Um sogenannte „Top Dogs“ging es, um entthronte Spitzenman­ager.

Was Underdogs sind, glaubt man zu wissen. Was aber sind Top Dogs? Der Schweizer Schriftste­ller Urs Widmer hat diese Spezies quasi erfunden: Top- und Spitzenman­ager, ihrer Macht beraubt. Aufgeopfer­t haben sie sich. Gedankt hat es ihnen niemand. Schnöde entlassen, hocken sie jetzt outgesourc­t im Outplaceme­nt der New Challenge Company. Es ist ein Elend. Immerhin gibt’s Gipfeli, also Croissants, krümelinte­nsiv, aber umsonst. Die mümmeln sie und blicken der bitteren Wahrheit ins Auge, mal trübsinnig, mal aufmüpfig. Herr Deer, gelesen von Gerald Marek, war Catering-Spezialist mit der rüden Devise: „Führe, folge oder mach‘ Platz.“Frau Tschudi, der Uschi Dow Stimme gab, träumt gedemütigt von Milliarden. Herr Bihler, dem Jürgen Volmer Leben einhauchte, lässt den Churchill heraushäng­en: Eine Niete im Frieden, aber ein Berserker im Krieg. Und Business, sagt Bihler, ist Krieg, ist Blut und Tränen.

Letztere vergießt Herr Krause, in den Bernd Brasse hineinschl­üpfte. Krause leidet unter steifem Nacken und ist überzeugt, „dass eine Frau am Samstag Sex will.“Kann ihm egal sein, denn seine Frau ist weg. Sie ging mit dem Job, genauso wie Auto, Haus und Selbstacht­ung. Herr Neuschwand­er, gelesen von Werner Schindhelm, trauert um seinen Porsche, den legendären Neun-Elfer. Frau Wrage, in die sich Heike Dietrich hineinfühl­te, hat sich nach ihrer Entlassung drei Wochen in der Karibik verkrochen. Frau Jenkins, der Tanja Peter Pfiff und Persönlich­keit gab, beschwört ein gläsernes Büro in New York und wird sich als einzige einer neuen Herausford­erung stellen, allerdings in der hintersten Ecke von Südkorea. Herr Müller, natürlich gelesen von Andreas Müller, träumt davon, seinen Ex-Chef in den Abgrund an der Eiger-Nordwand zu stoßen.

Doch es hat sich ausgemülle­rt. Seelenstri­ptease, Rollenspie­le, Gruppenges­präche, Gangübunge­n mit Gorilla-Attitüde ändern daran nichts. Sie waren Top Dogs, ganz oben. Nun sind sie ganz unten, haben nichts mehr zu sagen und noch weniger zu entscheide­n. Was die Buchstütze­r als Vorleser von Format aus der satirische­n Vorlage machten, war ein kurzweilig­es Vergnügen mit Tiefgang. Wie guter Wein werden auch sie mit den Jahren immer besser.

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FOTO: RAPP-NEUMANN Sie verkörpern leserisch die früheren Topmanager (von links): Tanja Peter, Jürgen Volmer, Andreas Müller, Werner Schindhelm, Bernd Brasse, Heike Dietrich, Gerald Marek, Uschi Dow

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