Schatzkisten der Erinnerungen öffnen
Warum für die Aalener Therapeutin und Fachbuchautorin Maria Metzger Biografiearbeit so wichtig ist
- „Jeder Mensch hat seine ganz eigene Schatzkiste an Erinnerungen, die es zu öffnen gilt.“Dieses „Öffnen“ist der Aalener Therapeutin Maria Metzger seit Jahren ein großes Anliegen. Einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit ist die Erinnerungsund Biografiearbeit mit Senioren, auch mit solchen, die an Demenz erkrankt sind. Aktivierung nennt Metzger den Griff in die Schatzkiste der Erinnerungen. Zur Messe Altenpflege im April in Nürnberg, der Leitmesse der Pflegewirtschaft, wird Metzger ihr dann sechstes Fachbuch präsentieren: den „Aktivierungsblitz für Männer“.
Neben ihrer eigenen Praxis in Aalen als Therapeutin für klassische Entspannungsmethoden und Stressbewältigung ist Maria Metzger freiberuflich als Dozentin tätig. Sie unterrichtet an Altenpflegeschulen im Bereich Aktivierung, hält Fachvorträge, leitet Seminare und Workshops für Mitarbeiter in Seniorenheimen, für Betreuungsassistenten, pflegende Angehörige sowie ehrenamtlich tätige Personen und Hospizmitarbeiter.
Betreuungsassistenten sind ein Fortschritt
Als einen ganz wichtigen Schritt hat es Metzger empfunden, dass mit dem seit 2015 geltenden ersten Pflegestärkungsgesetz des Bundes die Arbeit der sogenannten Betreuungsassistenten nun allen Pflegebedürftigen in voll- und teilstationären Einrichtungen zugute kommen kann. Zuvor durften sich Betreuungsassistenten nur um Demenzkranke oder um Pflegebedürftige mit anderen geistigen und psychischen Erkrankungen kümmern.
Für den Griff in die Schatzkiste der Erinnerungen hat, so Metzgers Erfahrung, das Pflegepersonal in den Pflegeund Seniorenheimen in der Regel gar nicht die Zeit. Er ist aus ihrer Sicht aber immens wichtig – um weiteren geistigen Abbau zu verhindern, um die Menschen so lange wie möglich geistig fit zu halten oder einfach nur um positive Alltagsgefühle zu wecken. Die Betreuungsassistenten können hier ansetzen. Viele von ihnen, so Metzger, seien aber entweder sehr jung oder hätten einen Migrationshintergrund. Um die Grenzen zwischen Generationen und Kulturkreisen zu überwinden, auch dafür wollen Metzgers aus der täglichen Praxis heraus entstandenen, leicht verständlich geschriebenen und übersichtlich strukturierten Fachbücher einen Beitrag leisten.
Impulse sind kein Abfragen
„Es ist ganz schlimm, wenn in einem Heim die Gesprächsbereitschaft unter den Senioren gar nicht vorhanden ist“, sagt Maria Metzger. Weil bei manchen der Bewohner Resignation vorherrsche, weil sie neu im Haus seien – oder weil ganz einfach niemand den Anstoß dazu gebe. Dabei reiche oft schon der richtige Impuls aus, um ein Gespräch von Senioren mit- und untereinander in Gang zu setzen. Dafür brauche es allerdings die richtigen Anknüpfungspunkte – und eine lockere Atmosphäre. „Impulse zu setzen heißt aber nicht, die Menschen abzufragen“, sagt Metzger. Denn abgefragt zu werden könne für den einen oder die andere immer auch mit schlechten Erinnerungen und Erfahrungen verbunden sein.
Wer aber den richtigen Impuls, das richtige Thema oder die passende Atmosphäre findet, der könne gerade ältere Menschen regelrecht aufschließen, sagt Metzger weiter. Und selbst erfahrene Fachkräfte wunderten sich dann, was aus dem Gegenüber herauszusprudeln beginnt. Ganz wichtig ist für Metzger dabei der „rote Faden“im Leben eines Menschen, der viel wichtiger und bestimmender sei als die reine, oft beruflich geprägte Biografie. „Der rote Faden macht den Menschen als Mensch aus“, sagt Metzger. Er offenbare, was einen Menschen geprägt und womit er sich umgeben habe, was ihm in seinem Leben bisher wirklich wichtig gewesen sei.
Männer brauchen etwas länger, bis sie erzählen
„Männer sind insofern vielleicht etwas schwieriger, weil sie länger brauchen, bis sie mal mit dabei sind“, erklärt Metzger, warum sie einen „Aktivierungsblitz“explizit für Männer geschrieben hat. Männer, so die Erfahrung der Therapeutin, ließen sich schwerer öffnen – „aber dann sind sie echt klasse“, hätten ein unglaubliches Erzählbedürfnis.
Der Türöffner zu den Erinnerungen zu sein, das, so Metzger, funktioniere nicht bei allen Menschen. Man müsse ein Gespür dafür entwickeln, wer überhaupt „aufgeschlossen“werden möchte. Und bei wem man einen anderen Weg als den über die richtigen Stichworte gehen muss. Bei Demenzkranken etwa. Bei ihnen, so sagt Metzger, müsse man Impulse anders als über Worte vermitteln: über die Haptik von Stoffen etwa, über Gerüche, Bilder oder alte Postkarten zum Beispiel. Schließlich können sich für Maria Metzger solche Impulse auch daraus ergeben, wenn sich Seniorenheime und Pflegeeinrichtungen selbst öffnen – wenn sie das wirkliche Leben draußen ins Haus hinein lassen. Mit Kindern und Jugendlichen etwa, mit Veranstaltungen der Gemeinde oder Kirchengemeinde. Die Menschen in einer Einrichtung an diesem Leben teilhaben zu lassen, auch das sei eine unheimlich wichtige Form von Aktivierung, ist Metzger überzeugt.