Große Koalition streitet über IS-Rückkehrer
CSU will Dschihadisten die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen – Dobrindt wirft Barley Verspätung vor
– Die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach der Rücknahme inhaftierter europäischer Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) durch ihre Heimatländer hat in Berlin zu Turbulenzen in der Großen Koalition geführt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnt SPD-Justizministerin Katarina Barley, einen Gesetzentwurf von Innenminister Horst Seehofer (CSU) zu verschleppen, ISKämpfern mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatszugehörigkeit abzuerkennen.
Auch wenn die Rücknahme der Dschihadisten aus Syrien Deutschland wie auch die anderen europäischen Staaten vor große Probleme stellt, herrscht doch weitgehend Einigkeit, dass dies sein muss. „Das ist eine relativ einfache Sache. Wenn einer nur den deutschen Pass hat, müssen wir ihn selbstverständlich zurückführen“, sagt Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus.
Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagt, es gebe kein Interesse an einem zweiten Guantanamo, dem umstrittenen amerikanischen Gefangenenlager auf Kuba. „Wenn Deutsche Straftaten verübt haben, müssen sie in Deutschland bestraft werden“, so Hofreiter. Allerdings stellt das die Justiz vor große Probleme. Innenstaatssekretär Günter Krings sagte im RBB-Inforadio: „Wir können nicht einfach einen Staatsanwalt oder Polizeibeamte da vor Ort hinschicken und Zeugenbefragungen machen.“Laut Innenministerium sind seit 2013 gut 1050 Personen in die Kriegsgebiete in Syrien und nach Irak aufgebrochen, ein Drittel sei zurückgekehrt. Rund 200 Personen seien ums Leben gekommen.
Klausel im Koalitionsvertrag
Doch was ist mit jenen, die in syrischen Gefangenenlagern sitzen, aber eine doppelte Staatsangehörigkeit besitzen? Aufgeschreckt durch die Aussichten, nun IS-Kämpfer nach Deutschland zurückholen zu müssen und hier in Gewahrsam zu nehmen, hat CSU-Landesgruppenchef Dobrindt Justizministerin Barley aufgefordert, endlich tätig zu werden und eine Klausel des Koalitionsvertrags umzusetzen. „Wir werden einen neuen Verlusttatbestand in das Staatsangehörigkeitsgesetz einfügen, wonach Deutsche, die eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren können, wenn ihnen die konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer Terrormiliz im Ausland nachgewiesen werden kann“, heißt es im Koalitionsvertrag. Innenminister Seehofer habe einen entsprechenden Gesetzentwurf vorbereitet, der jetzt aber „seit Längerem“im Justizministerium liege, so Dobrindt. Er erwarte „umgehend Stellungnahme“zu dem Entwurf. „Eine Verschleppung wäre fahrlässig“, so Dobrindt. Gleichzeitig sei es wichtig, eine Grundlage zu schaffen, rückkehrende IS-Kämpfer sicher verwahren zu können.
Justizministerin Barley wies die Vorwürfe zurück. Es gebe aktuell in der Bundesregierung Gespräche dazu. „Ich bin mir mit meinem Kollegen Horst Seehofer einig, dass wir dieses konkrete Vorhaben zeitnah umsetzen werden“, sagte sie der dpa. Der vom Innenministerium vorgelegte Gesetzentwurf enthalte allerdings Regelungen, die über den Koalitionsvertrag hinausgingen.
Die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft kann nach dem Rückwirkungsverbot von Gesetzen bei den IS-Kämpfern nicht nachträglich in Kraft treten. „Aber wenn sie weiter Teil eines terroristischen Netzwerkes sind“, so Alexander Dobrindt, könne den Kämpfern die Staatsbürgerschaft entzogen werden. „Wer für den IS kämpft, hat mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem deutschen Rechtsstaat nichts mehr zu tun hat.“Man müsse also erst einmal in jedem einzelnen Fall bei jenen, die im Lager sitzen, prüfen, ob die deutsche Staatsbürgerschaft rechtmäßig erlangt wurde.
Genau das dürfte allerdings schwierig werden. Denn Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte bereits darauf hingewiesen, dass man im Moment wenig Möglichkeiten habe, in Syrien zu überprüfen, ob tatsächlich deutsche Staatsangehörige betroffen sind.
Auch die AfD fordert bei ISKämpfern Konsequenzen. „Wenn sie keine ‚Bio-Deutschen’ sind, haben sie sich möglicherweise unsere Staatsbürgerschaft erschlichen“, so Armin Paul Hampel. In diesen Fällen sollte die deutsche Staatsbürgerschaft wieder aberkannt werden.