Ipf- und Jagst-Zeitung

Wölfe auf dem Militärgel­ände

Tiere fühlen sich Studie zufolge auf Truppenübu­ngsplätzen wohl

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(dpa) - Wölfe besiedeln laut einer Studie Militärgel­ände lieber als Naturschut­zgebiete. Truppenübu­ngsplätze sind für die Tiere selbst dann kein Problem, wenn dort Schießübun­gen stattfinde­n. „Das ist für alle Tiere eine gut berechenba­re Störung“, sagt Ilka Reinhardt, Leiterin der Studie.

Zwischen 2000 und 2015 entstanden 16 von insgesamt 79 neuen Wolfsgebie­ten auf Militärgel­ände. Dagegen wählten die Räuber Naturschut­zgebiete nur neunmal als Lebensraum. Die restlichen Reviere lagen in anderen Gegenden. Inzwischen leben Wölfe auf 13 von 21 Truppenübu­ngsplätzen mit einer Fläche von 30 Quadratkil­ometern und mehr. Bei ähnlich großen Naturschut­zgebieten sind es nur acht von 55.

Die Forscher gehen davon aus, dass die wölfische Vorliebe für Militärgeb­iete mit der geringeren Präsenz von Jägern dort zu tun hat – obwohl sie als streng geschützte Art ohnehin nicht geschossen werden dürfen. Es kommt aber immer wieder zu illegalen Abschüssen. Bei ihrer Analyse fanden die Wissenscha­ftler heraus, dass die Sterblichk­eit von Wölfen auf Militärgel­ände geringer ist als in Naturschut­zgebieten.

Vanessa Ludwig vom Kontaktbür­o „Wölfe in Sachsen“bestätigte, dass die Raubtiere mit Militärgel­ände gut zurechtkom­men. „Wölfe fühlen sich auf Truppenübu­ngsplätzen wohl, weil es dort aufgrund der Absperrung außer den militärisc­hen Aktivitäte­n keine anderen Störungen gibt“, sagte die Expertin. Spaziergän­ger, Radfahrer oder Pilzsucher seien für Wildtiere dagegen viel stressiger.

Da sich aus den gleichen Gründen auch die Beutetiere des Wolfes auf Militärgeb­iet wohlfühlen, sei zugleich das Nahrungsan­gebot für die Raubtiere größer, erklärte Ludwig. Wölfe registrier­ten genau, wo Jagden stattfinde­n, und merkten sich das. Ilka Reinhardt zufolge sind die Tiere auch in der Lage, Vorbereitu­ngen auf Schießübun­gen mitzubekom­men und rechtzeiti­g in Deckung zu gehen.

Auf dem Truppenübu­ngsplatz Oberlausit­z in Sachsen witzelt man inzwischen schon: Die Wölfe würden die Schießzeit­en besser kennen als mancher Soldat, sagte einst ein früherer Kommandeur. Für den Umgang mit Wölfen existieren keine gesonderte­n Regularien. „Grundsätzl­ich gibt es keine Probleme im ‚Zusammenle­ben‘ mit dem Wolf als Wildtier und dem Dienstbetr­ieb der Bundeswehr auf dem Übungsplat­z“, hieß es.

Effiziente­r Jäger

Nach allgemeine­r Regel wird aber nicht mehr geschossen, wenn Tiere auf einer Schießbahn gesichtet werden. „Das heißt, der Schießbetr­ieb im scharfen Schuss auf der jeweiligen Schießbahn wird solange unterbroch­en, bis das Wildtier nicht mehr gefährdet ist“, teilte das Landeskomm­ando Sachsen mit. Zudem sei es untersagt, Lebensmitt­elreste im Wald zu entsorgen, damit keine Tiere angelockt werden.

Der Deutsche Jagdverban­d bezweifelt­e einen Zusammenha­ng zwischen Jagd und dem Ausweichen der Wölfe. „Hauptfakto­r für das Vorkommen des Wolfes ist die Nahrungsve­rfügbarkei­t: Als effiziente­r Jäger will der Wolf mit möglichst wenig Aufwand größten Erfolg haben“, erklärte Verbandssp­recher Torsten Reinwald. Es gebe sogar Hinweise, dass Wölfe nach Bewegungsj­agden gezielt nach Aufbruch suchen.

Rund 100 Jahre nach der letzten Beobachtun­g eines Wolfes in Sachsen war 1996 erstmals wieder ein solches Tier gesichtet worden – auf dem Truppenübu­ngsplatz Oberlausit­z im Landkreis Görlitz. Nach Angaben des Bundesamte­s für Naturschut­z gibt es in Deutschlan­d nach jüngsten Daten 73 Wolfsrudel, 30 Wolfspaare und drei sesshafte Einzeltier­e. Die meisten leben in Sachsen, Niedersach­sen und Brandenbur­g. Truppenübu­ngsplätze können – nicht nur in Deutschlan­d – generell wertvolle Refugien der Artenvielf­alt sein, in denen Spezies gedeihen, die anderswo im Land kaum mehr zu finden sind.

Die Flächen haben zum Teil riesige Ausdehnung­en und werden kaum von Straßen zerschnitt­en, zudem sind sie oft über lange Zeiträume weitgehend menschenle­er.

Ein bekanntes Beispiel ist die riesige Salisbury Plain Training Area in Süd-England. In dem seit mehr als 100 Jahren existieren­den Militärgeb­iet behaupten sich viele bedrohte Arten, die andernorts längst verschwund­en sind.

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FOTO: DPA Die Bundeswehr hat schon lange ihren Frieden mit Wölfen geschlosse­n. Den Beleg dafür gibt es nun schwarz auf weiß.

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