Romantik durch die Brille des Youtubers
E. T. A. Hoffmanns „Der goldene Topf“wird beim Aalener Theater zum Fantasyerlebnis
(ij) - Als bildgewaltiges Märchen quasi in Cinemascope haben die Aalener Theatermacher E. T. A. Hoffmanns „Der goldene Topf“angelegt. Bei der Premiere in der fast voll besetzten Stadthalle im Rahmen des Theaterrings blieb manchem Zuschauer die Spucke weg.
- Als bildgewaltiges Märchen quasi in Cinemascope haben die Aalener Theatermacher E. T. A. Hoffmanns „Der goldene Topf “angelegt. Bei der Premiere in der fast voll besetzten Stadthalle im Rahmen des Theaterrings blieb manchem Zuschauer die Spucke weg.
Man wolle die Geschichte durch die Brille des Romantikers sehen, heißt es im Begleitheft. Es ist wohl eher die Brille des YouTubers, wobei das eine das andere ja nicht ausschließt. Alles in allem ist die Inszenierung des Regie-Duos Tonio Kleinknecht/Marco Kreuzer – mit einigen kleinen Abstrichen – durchaus sehens- und erlebenswert.
Den Inhalt wollen wir an dieser Stelle nur ganz kurz umreißen. Student Anselmus (Manuel Flach) steht am Scheideweg zwischen Karriere und Kunst, zwischen Realität und Fantasie, und nicht zuletzt zwischen der bürgerlichen Veronika (Mirjam Birkl) und der mystischen Serpentina (per Videoeinspieler: Diana Wolf). Auf der Suche nach seiner Bestimmung, nach der wahren Liebe und nach dem eigentlichen Sinn des Lebens erlebt er eine wilde Geschichte, bis er sich schließlich für die Poesie, die Romantik, entscheidet. So weit Hoffmanns Rahmen.
Beeindruckende Bilder auf drei Projektionsflächen
Die beiden Regisseure Tonio Kleinknecht (Bühne) und Marco Kreuzer (Video) machen daraus ein wahres Fantasyerlebnis. Hexenstimmen aus dem Off, ein Erzähler als hippeliger Influencer auf Video, übergroße Gesichter, Drachen, Fantasiewälder, Formen, Farben, von feuerrot bis quietschgrün, alles fließt. Die knallig-bunten Kostüme von Birgit Barth, angelehnt an die Zeit der Romantik, tun ihr Übriges.
Auf drei Projektionsflächen lassen die Regisseure Bilder auf die Zuschauer los, die gewaltiger, farbenfroher, beeindruckender nicht sein könnten. Eine Traumwelt voller Donner und Blitze, voller Vogelgezwitscher, verzerrter und verfremdeter Stimmen. So manches Mal wähnt der Zuschauer den „verträumten Typen“Anselmus, so Intendant Kleinknecht in der Stückeinführung, der sich nach etwas anderem sehnt, fast im Drogenrausch – so kräftig sind die Bilder. Nicht umsonst meinte eine Zuschauerin schmunzelnd in der Pause: „Keine Ahnung, was der genommen hat.“
Auch wenn der fast zweistündige Abend (mit Pause) an der einen oder anderen Stelle etwas zu videolastig war, die Schauspieler haben durchaus ihre Bühnenzeiten. Besonders beeindruckend ist einmal mehr Bernd Tauber als Archivarius Lindhorst, Vater der „holden und lieblichen“Serpentina und praktisch der Türöffner zur Traumwelt. Mit stoischer Ruhe redet er auf den Studenten ein, marschiert getrieben, aber ruhig von der einen Bühnenecke zur anderen. Sein Gesicht kommt bei den Videoeinspielern am besten zur Geltung. Und auch Arwid Klaws als Konrektor Paulmann, Veronikas Vater, weiß zu überzeugen mit Bewegungen und Gesten, die einer so großen Bühne wie die in der Stadthalle gerecht werden. Mirjam Birkl als Veronika stöckelt ein ums andere Mal lautstark über die Bühne und lässt ihren Gesichtszügen freien Lauf, als sie den Kampf um Anselmus als verloren erkennt und sich dem Registrator Heerbrand (Philipp Dürschmied) zuwendet.
Manuel Flach als verpeilter Student Anselmus
Und da wäre natürlich noch Manuel Flach als Anselmus, ein verpeilter, orientierungsloser junger Mann mit, so der Text, „kindlichem Gemüt“. Er ist im Saal nicht immer leicht zu verstehen. Das mag aber auch an der Sprache des Stücks mit teils vergessenen
„Anselmus? Ein verträumter Typ, würde man heute wohl sagen“, Tonio Kleinknecht bei der Stückeinführung.
Vokabeln des 19. Jahrhunderts liegen, von Gehrock über das „garstig Äpfelweib“bis zum Hofrat, von „Gehab dich wohl“, „Lass ab“.
Kleinknecht und Kreuzer haben „Der goldene Topf “in eine zeitgemäße Form gegossen. Hoffmanns „Der goldene Topf“ist in diesem Jahr Abiturthema. So war der Saal nicht nur mit den üblichen Theaterring-Abonnenten, sondern auch mit zahlreichen Schülern und Lehrern besetzt. Ob die Aalener Inszenierung des von Hoffmann als „Kunstmärchen“angelegten Werks den Schüler tatsächlich als Interpretationshilfe nützt, das muss jeder selbst entscheiden. Auf jeden Fall hat das Aalener Stadttheater den angehenden Abiturienten Bilder mit auf den Weg gegeben, die so leicht nicht aus den Köpfen verschwinden werden und den Schülern bei der Betrachtung der Romantik durchaus eine Stütze sein können.
Weitere Termine: 5. und 13. April, 20 Uhr, Wi.Z. Dazu gibt’s im April einige Schulvorstellungen. Karten: Telefon 07361 / 522 600, E-Mail kasse@theateraalen.de oder unter www.reservix.de. Infos: www.theateraalen.de