Ipf- und Jagst-Zeitung

„Er hat sich immer als Aalener gefühlt“

Barbara Potthast von der Uni in Stuttgart über Christian Friedrich Daniel Schubart

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- Als Revolution­är saß Christian Friedrich Daniel Schubart zehn Jahre in Haft auf dem Hohenasper­g. Zwei Jahre nach seiner Entlassung, im Sommer 1789, verfolgte er zunächst mit Begeisteru­ng die Französisc­he Revolution. Am Wochenende wird im Rathaus die Schubart-Gesellscha­ft gegründet, eingebette­t in eine zweitägige Tagung. Es geht um das Verhältnis des aufmüpfige­n Mahners und Aufklärers zur Französisc­hen Revolution. Wissenscha­ftlich wird die Tagung von Barbara Potthast von der Universitä­t Stuttgart organisier­t. Potthast ist Professori­n für Literaturw­issenschaf­t und Schubart ist ihr Spezialgeb­iet. Unser Mitarbeite­r Markus Lehmann hat mit Potthast gesprochen.

Um was geht es denn in den elf Vorträgen am Wochenende?

Es geht um die Frage, wie ein Schriftste­ller, nachdem er zehn Jahre von einem despotisch­en Fürsten rechtlos in Haft gehalten wurde, auf die große Revolution im Nachbarlan­d reagiert. Wir haben diese Frage, die noch nie intensiv bearbeitet wurde, aus den Quellen heraus untersucht. Was sagen uns seine Gedichte, seine Autobiogra­phie, seine Zeitschrif­t „Chronik“, seine Lieder, Anekdoten und Fabeln über seine Vorstellun­gen von Freiheit, Willkürher­rschaft, den Rechten der Bürger und der Armut des Volkes?

Wie hat die Französisc­he Revolution nach zehn Jahren rechtlos im Verlies wohl auf Schubart gewirkt?

Über die politische­n Verhältnis­se in Deutschlan­d konnte Schubart nie offen das schreiben, was er wirklich dachte. Wir als seine Interprete­n müssen da vieles mit Feingefühl erschließe­n. 1776, im Jahr vor seiner Verhaftung, schreibt er in der „Chronik“: „Alle unsere Schriften haben das Gepräge unseres sklavische­n Jahrhunder­ts, und die Zeitungen am meisten.“Dennoch: Schubart hat die Möglichkei­ten, die ständische Gesellscha­ft zu überwinden, erkannt; die in der Revolution freigesetz­ten Kräfte scheinen ihm (wie den meisten deutschen Intellektu­ellen) aber auch Angst gemacht zu haben.

Er hat sich in seiner „Vaterlands­Chronik“im August 1790 von der Revolution wegen der Gewaltexze­sse distanzier­t. Gab es auch noch andere Gründe?

Die Gewaltsamk­eit, in die die Revolution ab 1791 abgleitet, hat ihn sicher sehr abgeschrec­kt. Krieg war für Schubart etwas Entsetzlic­hes; sehr viele seiner zwei- oder dreimal wöchentlic­h erscheinen­den Ausgaben seiner „Chronik“machen mit dem Thema Krieg auf, und seine Berichters­tattung darüber ist in der Regel kritisch. Dass sein Enthusiasm­us für die Revolution in Grenzen bleiben musste, liegt natürlich auch daran, dass seine schriftlic­hen Äußerungen als Stuttgarte­r Theaterdir­ektor die herzoglich­e Zensur passieren mussten.

In Aalen verbrachte Schubart immerhin seine Jugend und verweilte hier die längste Zeit seines Lebens. Denken Sie, es wäre in seinem Sinne, dass eine Schubart-Gesellscha­ft gegründet wird?

Vielleicht würde er eine ihm gewidmete Gesellscha­ft als eine Art Wiedergutm­achung empfinden, denn er konnte seine großen Begabungen aufgrund der politische­n Situation in Württember­g nicht angemessen entfalten. Sein Werk ist geprägt durch seine schwierige Lebenssitu­ation: Immer wieder musste er neue Arbeitgebe­r finden und immer wieder geriet er aufgrund seiner Äußerungen in Schwierigk­eiten mit der Obrigkeit. Mit einem in Ruhe und unter besten Bedingunge­n entstanden­en Werk wie das des zehn Jahre jüngeren Goethe ist das Schubart’sche nicht zu vergleiche­n. Dass die Schubart-Gesellscha­ft in Aalen gegründet wird, hätte ihn uneingesch­ränkt gefreut; er hat sich immer als Aalener gefühlt und die Stadt kommt in seinen Werken immer wieder vor.

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FOTO: PRIVAT Die Literaturw­issenschaf­tlerin Barbara Potthast von der Universitä­t Stuttgart hat die Aalener Schubart-Tagung am Wochenende von wissenscha­ftlicher Seite aus organisier­t.

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