Millionenstrafe für Heckler & Koch
Heckler & Koch wird wegen umstrittener Waffenlieferungen zu Millionenstrafe verurteilt
(epd) - Im Prozess um illegale Waffenlieferungen durch fünf Ex-Angestellte der Oberndorfer Rüstungsfirma Heckler & Koch nach Mexiko ist das Unternehmen vom Landgericht Stuttgart zur Zahlung von rund 3,7 Millionen Euro verurteilt worden. Drei der Angeklagten wurden freigesprochen, zwei zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Die Mitarbeiter waren von 2006 bis 2009 am Verkauf von rund 4700 Gewehren in mexikanische Unruheprovinzen beteiligt.
- Im Prozess um umstrittene Waffentransporte der schwäbischen Rüstungsfirma Heckler & Koch nach Mexiko sind zwei frühere Mitarbeiter zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Drei weitere Angeklagte – zwei ehemalige Geschäftsführer und ein früherer Vertriebsleiter – hat das Gericht freigesprochen. Vom Unternehmen selbst sollen 3,7 Millionen Euro eingezogen werden.
Mit der Urteilsverkündung am Donnerstag ist ein äußerst komplexer Indizienprozess zu Ende gegangen, in dem an 29 Verhandlungstagen die Frage beantwortet wurde, wie in den Jahren 2006 bis 2009 mehr als 4500 Sturmgewehre des Typs G36 sowie Maschinenpistolen und Magazine im Wert von rund 4,1 Millionen Euro in Unruheregionen in Mexiko landen konnten, obwohl sie dorthin nicht hätten geliefert werden dürfen.
„Dieses Verfahren ist kein Tribunal über deutsche Rüstungspolitik“, machte der Vorsitzende Richter am Stuttgarter Landgericht zu Beginn seiner zweistündigen Urteilsbegründung klar. Es sei lediglich um die Genehmigungen gegangen. Ein Fehlverhalten der beteiligten Behörden hatte die Staatsanwaltschaft nicht gesehen.
Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens sind die zur Genehmigung mitgelieferten sogenannten Endverbleibserklärungen der mexikanischen Behörden, in denen der endgültige Zielort der Waffen beschrieben ist. Der Käufer bestätigt damit, dass die Waffen nicht an Drittländer weiterverkauft werden oder im Falle Mexikos in Bundesstaaten kommen, in denen Menschenrechtsverletzungen vermutet werden.
Eine zentrale Rolle spielte insbesondere der mexikanische Bundesstaat Guerrero, der 2014 in die Schlagzeilen geriet. Damals verschwanden dort 43 Studenten spurlos. Polizisten sollen die Männer verschleppt und einer kriminellen Organisation übergeben haben – mit Waffen von Heckler & Koch.
Das Gericht geht davon aus, dass in diesen Erklärungen bewusst falsche Angaben über den Endverbleib gemacht wurden, damit die für die Genehmigung zuständigen deutschen Behörden, das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa) und das Wirtschaftsministerium, sie durchwinken würden. Damit seien die Genehmigungen erschlichen worden.
Gleichzeitig urteilte das Gericht, dass Endverbleibserklärungen nicht Bestandteil der Genehmigung für Waffenexporte sind. Damit sind die Waffenlieferungen von Heckler & Koch in die vier kritischen mexikanischen Bundesstaaten Jalisco, Chiapas, Guerrero und Chihuahua nicht nach dem strengeren Kriegswaffenkontrollgesetz strafbar, sondern lediglich nach dem laxeren Außenwirtschaftsgesetz.
Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz sah das Gericht aber nur bei dem ehemaligen Vertriebsleiter Ingo S. und der früheren Sachbearbeiterin Marianne B. Ihre Freiheitsstrafen von 17 beziehungsweise 22 Monaten wegen „bandenmäßiger Ausfuhr aufgrund erschlichener Genehmigungen“beziehungsweise der Beihilfe dazu wurden unter anderem wegen der langen Verfahrensdauer zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich Haftstrafen von mehr als zwei Jahren gefordert. Ingo S. soll dem Urteil zufolge zudem 80 000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen zahlen, Marianne B. 250 Sozialstunden ableisten. Beiden drohen darüber hinaus noch Regressansprüche der Firma.
Haupttäter nicht greifbar
Die von Gericht und Anklage als Haupttäter ausgemachten Männer saßen indes nicht auf der Anklagebank. Ein früherer Bereichsleiter lebt nicht mehr. Ein ehemaliger Handelsvertreter für Heckler & Koch in Mexiko, der immer noch dort wohnt, ist seinem Anwalt zufolge zu krank, um nach Stuttgart zu reisen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat für ihn inzwischen einen internationalen Haftbefehl beantragt. Nach Ansicht des Gerichts waren die beiden die „Hauptakteure bei der Beschaffung unproblematischer Endverbleibserklärungen“.
Kein strafbares Verhalten konnte die Kammer den beiden Ex-Geschäftsführern von Heckler & Koch, darunter dem ehemaligen Landgerichtspräsident Peter B., sowie einem früheren Vertriebsleiters nachweisen. Für sie endete der Prozess mit Freisprüchen.
Heckler & Koch selbst werden die Erlöse aus den Waffengeschäften mit Mexiko im Volumen von 3,7 Millionen Euro eingezogen. Für das undurchsichtige Unternehmen, das zuletzt 182 Millionen Euro umsetzte, einen Verlust von gut 13 Millionen Euro einfuhr und unter permanenten Liquiditätsschwierigkeiten leidet, ein durchaus substantieller Betrag. Allerdings haben die Oberndorfer dem Vernehmen nach Rückstellung im Volumen von drei Millionen Euro gebildet.
„Wir werden das heutige Urteil sorgfältig prüfen. Wir können allerdings nicht nachvollziehen, dass das Gericht nicht nur den erwirtschafteten Gewinn des Mexiko-Geschäfts, sondern den gesamten Kaufpreis eingezogen sehen will, obwohl sich kein Mitglied der Geschäftsleitung strafbar gemacht hat. Dies hätte Berücksichtigung finden müssen“, teilte das Unternehmen mit und verwies auf die umfassende Kooperation mit der Staatsanwaltschaft.
Der Linken-Politiker Jan von Aken, der den Prozess für die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfolgte, erneuerte nach dem Urteilsspruch die Forderung nach einem Rüstungsexportkontrollgesetz. „Das Prinzip der Endverbleibserklärungen hat sich mit dem heutigen Tag erledigt“, sagte von Aken im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Gleichzeitig lobte er die Erlösabschöpfung bei Heckler & Koch. „Das hat eine abschreckende Wirkung für Waffenfirmen.“
Prozessbeobachter wie der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, der den Prozess mit seiner Strafanzeige im Jahr 2010 ins Rollen gebracht hatte, beklagten hingegen, dass „die Opfer in Mexiko in keiner Weise eine Rolle gespielt haben“.