Ipf- und Jagst-Zeitung

Millionens­trafe für Heckler & Koch

Heckler & Koch wird wegen umstritten­er Waffenlief­erungen zu Millionens­trafe verurteilt

- Von Andreas Knoch

(epd) - Im Prozess um illegale Waffenlief­erungen durch fünf Ex-Angestellt­e der Oberndorfe­r Rüstungsfi­rma Heckler & Koch nach Mexiko ist das Unternehme­n vom Landgerich­t Stuttgart zur Zahlung von rund 3,7 Millionen Euro verurteilt worden. Drei der Angeklagte­n wurden freigespro­chen, zwei zu Haftstrafe­n auf Bewährung verurteilt. Die Mitarbeite­r waren von 2006 bis 2009 am Verkauf von rund 4700 Gewehren in mexikanisc­he Unruheprov­inzen beteiligt.

- Im Prozess um umstritten­e Waffentran­sporte der schwäbisch­en Rüstungsfi­rma Heckler & Koch nach Mexiko sind zwei frühere Mitarbeite­r zu Bewährungs­strafen verurteilt worden. Drei weitere Angeklagte – zwei ehemalige Geschäftsf­ührer und ein früherer Vertriebsl­eiter – hat das Gericht freigespro­chen. Vom Unternehme­n selbst sollen 3,7 Millionen Euro eingezogen werden.

Mit der Urteilsver­kündung am Donnerstag ist ein äußerst komplexer Indizienpr­ozess zu Ende gegangen, in dem an 29 Verhandlun­gstagen die Frage beantworte­t wurde, wie in den Jahren 2006 bis 2009 mehr als 4500 Sturmgeweh­re des Typs G36 sowie Maschinenp­istolen und Magazine im Wert von rund 4,1 Millionen Euro in Unruheregi­onen in Mexiko landen konnten, obwohl sie dorthin nicht hätten geliefert werden dürfen.

„Dieses Verfahren ist kein Tribunal über deutsche Rüstungspo­litik“, machte der Vorsitzend­e Richter am Stuttgarte­r Landgerich­t zu Beginn seiner zweistündi­gen Urteilsbeg­ründung klar. Es sei lediglich um die Genehmigun­gen gegangen. Ein Fehlverhal­ten der beteiligte­n Behörden hatte die Staatsanwa­ltschaft nicht gesehen.

Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens sind die zur Genehmigun­g mitgeliefe­rten sogenannte­n Endverblei­bserklärun­gen der mexikanisc­hen Behörden, in denen der endgültige Zielort der Waffen beschriebe­n ist. Der Käufer bestätigt damit, dass die Waffen nicht an Drittlände­r weiterverk­auft werden oder im Falle Mexikos in Bundesstaa­ten kommen, in denen Menschenre­chtsverlet­zungen vermutet werden.

Eine zentrale Rolle spielte insbesonde­re der mexikanisc­he Bundesstaa­t Guerrero, der 2014 in die Schlagzeil­en geriet. Damals verschwand­en dort 43 Studenten spurlos. Polizisten sollen die Männer verschlepp­t und einer kriminelle­n Organisati­on übergeben haben – mit Waffen von Heckler & Koch.

Das Gericht geht davon aus, dass in diesen Erklärunge­n bewusst falsche Angaben über den Endverblei­b gemacht wurden, damit die für die Genehmigun­g zuständige­n deutschen Behörden, das Bundesamt für Ausfuhrkon­trolle (Bafa) und das Wirtschaft­sministeri­um, sie durchwinke­n würden. Damit seien die Genehmigun­gen erschliche­n worden.

Gleichzeit­ig urteilte das Gericht, dass Endverblei­bserklärun­gen nicht Bestandtei­l der Genehmigun­g für Waffenexpo­rte sind. Damit sind die Waffenlief­erungen von Heckler & Koch in die vier kritischen mexikanisc­hen Bundesstaa­ten Jalisco, Chiapas, Guerrero und Chihuahua nicht nach dem strengeren Kriegswaff­enkontroll­gesetz strafbar, sondern lediglich nach dem laxeren Außenwirts­chaftsgese­tz.

Verstöße gegen das Außenwirts­chaftsgese­tz sah das Gericht aber nur bei dem ehemaligen Vertriebsl­eiter Ingo S. und der früheren Sachbearbe­iterin Marianne B. Ihre Freiheitss­trafen von 17 beziehungs­weise 22 Monaten wegen „bandenmäßi­ger Ausfuhr aufgrund erschliche­ner Genehmigun­gen“beziehungs­weise der Beihilfe dazu wurden unter anderem wegen der langen Verfahrens­dauer zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwa­ltschaft hatte ursprüngli­ch Haftstrafe­n von mehr als zwei Jahren gefordert. Ingo S. soll dem Urteil zufolge zudem 80 000 Euro an gemeinnütz­ige Einrichtun­gen zahlen, Marianne B. 250 Sozialstun­den ableisten. Beiden drohen darüber hinaus noch Regressans­prüche der Firma.

Haupttäter nicht greifbar

Die von Gericht und Anklage als Haupttäter ausgemacht­en Männer saßen indes nicht auf der Anklageban­k. Ein früherer Bereichsle­iter lebt nicht mehr. Ein ehemaliger Handelsver­treter für Heckler & Koch in Mexiko, der immer noch dort wohnt, ist seinem Anwalt zufolge zu krank, um nach Stuttgart zu reisen. Die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart hat für ihn inzwischen einen internatio­nalen Haftbefehl beantragt. Nach Ansicht des Gerichts waren die beiden die „Hauptakteu­re bei der Beschaffun­g unproblema­tischer Endverblei­bserklärun­gen“.

Kein strafbares Verhalten konnte die Kammer den beiden Ex-Geschäftsf­ührern von Heckler & Koch, darunter dem ehemaligen Landgerich­tspräsiden­t Peter B., sowie einem früheren Vertriebsl­eiters nachweisen. Für sie endete der Prozess mit Freisprüch­en.

Heckler & Koch selbst werden die Erlöse aus den Waffengesc­häften mit Mexiko im Volumen von 3,7 Millionen Euro eingezogen. Für das undurchsic­htige Unternehme­n, das zuletzt 182 Millionen Euro umsetzte, einen Verlust von gut 13 Millionen Euro einfuhr und unter permanente­n Liquidität­sschwierig­keiten leidet, ein durchaus substantie­ller Betrag. Allerdings haben die Oberndorfe­r dem Vernehmen nach Rückstellu­ng im Volumen von drei Millionen Euro gebildet.

„Wir werden das heutige Urteil sorgfältig prüfen. Wir können allerdings nicht nachvollzi­ehen, dass das Gericht nicht nur den erwirtscha­fteten Gewinn des Mexiko-Geschäfts, sondern den gesamten Kaufpreis eingezogen sehen will, obwohl sich kein Mitglied der Geschäftsl­eitung strafbar gemacht hat. Dies hätte Berücksich­tigung finden müssen“, teilte das Unternehme­n mit und verwies auf die umfassende Kooperatio­n mit der Staatsanwa­ltschaft.

Der Linken-Politiker Jan von Aken, der den Prozess für die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfolgte, erneuerte nach dem Urteilsspr­uch die Forderung nach einem Rüstungsex­portkontro­llgesetz. „Das Prinzip der Endverblei­bserklärun­gen hat sich mit dem heutigen Tag erledigt“, sagte von Aken im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Gleichzeit­ig lobte er die Erlösabsch­öpfung bei Heckler & Koch. „Das hat eine abschrecke­nde Wirkung für Waffenfirm­en.“

Prozessbeo­bachter wie der Friedensak­tivist Jürgen Grässlin, der den Prozess mit seiner Strafanzei­ge im Jahr 2010 ins Rollen gebracht hatte, beklagten hingegen, dass „die Opfer in Mexiko in keiner Weise eine Rolle gespielt haben“.

 ?? FOTO: DPA ?? Soldaten mit dem G36-Gewehr von Heckler & Koch: Für das Gericht hat der Waffenhers­teller „bewusst falsche Angaben über den Endverblei­b“der Waffen gemacht, um sich Genehmigun­gen zu erschleich­en.
FOTO: DPA Soldaten mit dem G36-Gewehr von Heckler & Koch: Für das Gericht hat der Waffenhers­teller „bewusst falsche Angaben über den Endverblei­b“der Waffen gemacht, um sich Genehmigun­gen zu erschleich­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany