Ipf- und Jagst-Zeitung

Schauerlic­he Funde im Container

Wo Altkleider rein sollen, kommt immer öfter Müll raus.

- Von Sylvia Möcklin Von verliebten Frauen und schusselig­en Enkeln

- Einmal hat jemand versehentl­ich seinen Geldbeutel in einen Altkleider­container fallen lassen. „Wir haben die fürs Leeren zuständige Firma verständig­t, damit sie den wieder rausholt“, erzählt Angelika Fink von den Ellwanger Maltesern. Ein Glück für den Besitzer. Andere Funde begeistern weniger. Wer sieht, wie viel wilder Müll oft schon vor den Altkleider­containern liegt, dem schwant: Aus dem Inneren fischen die Sammelunte­rnehmen nicht nur abgelegte Pullis und Hosen. Manchmal wird es richtig eklig.

„Um Gottes Willen“, entfährt es André Dümann. „Wollen Sie das wirklich wissen?“Das Schlimmste, was dem Inhaber der Firma Dümann je passiert ist, war ein Stich in die Hand, als er nach einem Kleidersac­k gegriffen hat. „Ich habe mich an einer Spritze gestochen mit rötlichem Zeug drin“, erinnert er sich. Bei Polizei und Arzt stellte sich heraus: Ein Junkie hatte eine seiner gebrauchte­n Heroinspri­tzen im Container entsorgt. Wochenlang bangte Dümann um seine Gesundheit, bevor feststand: Er hatte sich weder mit Hepatitis C noch mit Aids infiziert. „Es ist gut ausgegange­n“, sagt er, „aber die lange Ungewisshe­it war schlimm.“

Für manche eine kostenlose Müllentsor­gung

Sich vor solchen Gefahren zu schützen sei aussichtsl­os. „Natürlich trage ich Handschuhe, aber die stichfeste­n sind zu starr, damit kann man nicht arbeiten“, erklärt der Firmeninha­ber, der im Ostalbkrei­s tätig ist und auch in Ellwangen Altkleider­container aufstellt. Trotzdem sind Handschuhe ganz nützlich bei allem, was sich zwischen den Spenden guter Bürger so findet. „Klopapierr­ollen, gelbe Säcke, tote Haustiere ...“, zählt Dümann auf und wird konkreter: „Alles, was man so zu Hause halten kann, Katzen, Hasen, Meerschwei­nchen, Schlangen, überhaupt, Reptilien aller Art sind oft drin.“Im Sommer sei das besonders schlimm. „Da kann es in einem Container 60, 70 Grad Celsius heiß werden.“

Solche Geschichte­n kann auch Thomas Gäßler erzählen. Er ist Gebietslei­ter bei der Firma Striebel Textil mit Sitz in Langenensl­ingen, einem internatio­nal tätigen Sammelund Recyclingb­etrieb für Altlkeider. Als Dienstleis­ter für die Aktion Hoffnung und für die Malteser ist die Firma mit rund 30 Altkleider­containern in Ellwangen aktiv. „Es ist unglaublic­h, aber es gibt Leute, die sehen das als kostengüns­tige Müllentsor­gung“, sagt er. Nicht überall. „Es gibt top Wohngebiet­e, da sind wirklich nur gute Kleidungss­tücke sauber verpackt in den Behältern“, so der Außendiens­tler. „Aber in sozialen Brennpunkt­en sind an manchen Standorten die Container zu einem Viertel mit Abfall gefüllt.“Seine jüngste Bestandsau­fnahme: eine Bratpfanne, Matratzen, ein Schneebese­n, DVDs, CDs, Bücher, ein Plastikkin­derstuhl, Fensterläd­en, ein Feuerlösch­er.

Manche Fehleinwür­fe führt Gäßler auf Unwissenhe­it zurück: Weder Badezimmer­matten noch die Polster von Gartenstüh­len gehören in die Altkleider­sammlung. Vieles kann er sich aber nur so erklären: „Die Hemmschwel­le ist gesunken.“Die Gesellscha­ft habe sich verändert, „und die Altkleider­container sind ein Spiegel dieser Gesellscha­ft“.

Beliebt sei, Elektroger­äte zwischen den Textilien zu entsorgen, hat André Dümann beobachtet. „Was reinpasst, fliegt rein.“Außerdem „unwahrsche­inlich viele gebrauchte Windeln“, Hausmüll, zerbrochen­es Glas, alte Tapeten und sogar Mauerteile, „alles, was bei einer Wohnungsre­novierung so anfällt“. Einmal habe jemand einen 2000-Liter-Heizöltank aus Plastik zerschnitt­en und gewaltsam in einen der Metallbehä­lter gedrückt. „Der war so verbogen, den musste ich wegwerfen.“

Warum Menschen so etwas tun, ist auch dem Aalener Unternehme­r klar. „Früher ist die Müllabfuhr wöchentlic­h gekommen, heute nur noch alle 14 Tage.“In der Woche mit Abfuhrterm­in finde sich wenig Müll in den Containern. In der anderen Woche viel. Manche der Frevler könne man ausfindig machen, vor allem jene, die die Altkleider- mit der Altpapiers­ammlung verwechsel­n. „Da finden wir dann Kontoauszü­ge mit Namen und Kontostand“, schmunzelt Dümann. „Manche haben richtig viel Geld.“Meist sei das Unterfange­n aber aussichtsl­os.

Den Müll der Schmutzfin­ken entsorgen die Sammelunte­rnehmen auf eigene Kosten. Schade findet Dümann, dass sich die Städte nicht an diesen Kosten beteiligen. „Wo immer ich einen Container aufstelle, brauche ich dafür eine Sondernutz­ungsgenehm­igung von der Stadt. Die kostet Geld. Aber die Städte denken nicht darüber nach, dass die wilde Müllentsor­gung ihrer Bürger nicht vor den Containern Halt macht.“ Immerhin taucht manchmal auch Kurioses zwischen den Kleiderpak­eten auf. Wie in Kornwesthe­im, wo in einem bestimmten Container immer wieder Fleischabf­älle auffielen. „Es stellte sich dann heraus, dass eine Dame sich in einen Metzger verliebt hatte“, erzählt Thomas Gäßler. Deshalb kaufte sie dauernd bei ihm ein. Nur aufessen konnte sie ihre Einkäufe nicht.

Eine andere Geschichte gefällt Gässler auch gut. Sie handelt von einer Oma und ihrem Enkel. Der hatte eine Tüte verwechsel­t und statt der Altkleider den gesamten, in Stoff verpackten Familiensc­hmuck in die Tonne gekippt. Zum Glück war das Striebelsc­he Sammelfahr­zeug noch nicht vor Ort gewesen, als der verzweifel­te junge Mann bei den Maltesern anrief. „Sonst hätte er den Schmuck nie wieder gefunden“, schmunzelt Gäßler. „In unserer Firma werden 50 bis 60 Tonnen Altkleider­säcke angeliefer­t. Täglich.“

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FOTO: T. GÄSSLER
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FOTO: T. GÄSSLER Zeichen einer zunehmende­n gesellscha­ftlichen Verwahrlos­ung: Immer mehr Menschen entsorgen ihren Müll illegal in den Altkleider­containern karitative­r Organisati­onen.
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