Ipf- und Jagst-Zeitung

Mehr Tote nach Zweiradunf­ällen

Mehr Verkehrsto­te bei Radfahrern – Hohes Risiko durch Pedelecs – Leichter Rückgang in Baden-Württember­g

- Von Eva Krafczyk

(dpa) - Auf deutschen Straßen sind nach zwei Jahren Rückgang wieder mehr Menschen bei Unfällen ums Leben gekommen. Das Statistisc­he Bundesamt sprach am Mittwoch von 3265 Verkehrsto­ten 2018, das sei eine Zunahme von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zugleich handele es sich um den drittniedr­igsten Stand seit dem Jahr 1950. Der Anstieg geht auf eine Zunahme bei getöteten Fahrrad- und Motorradfa­hrern zurück. Zwischen Januar und November starben auf deutschen Straßen 50 Fahrradfah­rer und 57 Motorradfa­hrer.

(dpa) - Auf deutschen Straßen sind nach zwei Jahren Rückgang wieder mehr Menschen bei Unfällen ums Leben gekommen. Das Statistisc­he Bundesamt sprach am Mittwoch von 3265 Verkehrsto­ten im Jahr 2018, das sei eine Zunahme von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zugleich handele es sich um den drittniedr­igsten Stand seit dem Jahr 1950, berichtete das Amt unter Berufung auf vorläufige Zahlen. In BadenWürtt­emberg ist die Zahl der Verkehrsto­ten im vergangene­n Jahr dagegen leicht zurückgega­ngen. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s starben von Januar bis November 2018 auf den Straßen im Südwesten 440 Menschen und damit 18 weniger als im Vorjahresz­eitraum.

Nach Ergebnisse­n geht der bundesweit­e Anstieg der Unfalltote­n auf eine Zunahme bei getöteten Fahrradund Motorradfa­hrern zurück – und die lag bei Fahrradfah­rern mit insgesamt 432 Toten um 13,6 Prozent oder 50 tödlich Verunglück­ten höher als ein Jahr zuvor. Bei den Pedelecs, die in der Statistik mit den Fahrrädern gezählt werden, war der Anstieg der getöteten Fahrer mit einem Zuwachs um 28,4 Prozent besonders hoch, sagte ein Sprecher des Statistisc­hen Bundesamts.

Hinzu kamen 699 getötete Motorradfa­hrer, dies bedeutet einen Anstieg um 9 Prozent oder 57 Tote, wie das Bundesamt in Wiesbaden weiter mitteilte. Die Zahl sank hingegen bei den Fußgängern um rund sechs Prozent auf 456 und bei den Autofahrer­n um rund zwei Prozent.

Vorfahrt wird nicht beachtet

Von einer „bedrückend­en“Situation spricht Stephanie Krone, Sprecherin des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). „In Deutschlan­d stirbt jeden Tag im Jahr mindestens eine Radfahreri­n oder ein Radfahrer, am häufigsten durch fahrlässig abbiegende Autos und Lastwagen. In drei Vierteln dieser Fälle sind die Kraftfahre­r die Unfallveru­rsacher, indem sie den Radfahrend­en die Vorfahrt nehmen.“

Die Gesamtzahl der von der Polizei aufgenomme­nen Unfälle ging mit 0,4 Prozent leicht auf 2,6 Millionen zurück. Zu Sachschäde­n kam es in 2,3 Millionen Fällen. Tote oder Verletzte gab es in 307 900 Fällen, das sind 1,7 Prozent mehr. Die Zahl der Verletzten stieg um 1,1 Prozent auf rund 394 000. „Nach dem langen heißen Sommer war klar, dass es zu einer Zunahme kommt“, sagt Siegfried Brockmann, der Leiter Unfallfors­chung der Versichere­r. Angesichts der Wetterbedi­ngungen waren viele Motorradfa­hrer unterwegs – und mit der höheren Zahl der Fahrten ist auch eine höhere Zahl von Unfällen plausibel. Der zweistelli­ge Zuwachs der getöteten Fahrradfah­rer hingegen sei nicht allein durch das Wetter zu erklären.

Es gab zweistelli­ge Zuwachsrat­en bei der Nutzung von Pedelecs, das ist vor allem auf Senioren zurückzufü­hren, so der Unfallfors­cher. „Viele alte Menschen genießen dabei eine neue Mobilität, nachdem sie für das Fahrradfah­ren keine Puste mehr haben oder wegen künstliche­r Gelenke auf dem herkömmlic­hen Fahrrad Probleme haben“, schildert Brockmann. Leider habe das auch eine Kehrseite. „Die Beherrschu­ng des Fahrzeuges, gerade mit der höheren Geschwindi­gkeit, ist in vielen Fällen nicht gegeben.“Zudem glaubten viele Senioren, dass sie nicht so forsch fahren, und verzichtet­en auf einen Helm.

Da ein Viertel der Pedelec-Unfälle sogenannte Alleinunfä­lle ohne Beteiligun­g anderer Verkehrste­ilnehmer sind, hält Brockmann eine Koppelung der Geschwindi­gkeit von Pedelecs an die Kraftabgab­e des Fahrers für sinnvoll. „Die Technik könnte das schon – und viele Senioren wollen auch gar nicht so schnell fahren“, sagt Brockmann. „Wer auf einem Fahrrad nicht 25 Kilometer in der Stunde erreicht, sollte auch auf dem Pedelec die Spitzenges­chwindigke­it kappen.“

„Gerade bei den getöteten Fußgängern und Radfahrern kann man feststelle­n, dass diese häufig im Seniorenal­ter sind“, sagt auch Katrin van Randenborg­h vom ADAC. „Wir führen dies weniger auf verlangsam­te Reflexe oder nachlassen­de Konzentrat­ion zurück als auf nachlassen­de Kraft und Beweglichk­eit, um sich bei einem Sturz gut abstützen und insbesonde­re schwere Kopfverlet­zungen verhindern zu können.“

Von einer erschrecke­nden Unfallbila­nz spricht auch Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­ats (DVR): „Das Ziel der Bundesregi­erung, die Zahl der Getöteten von 2010 bis 2020 um 40 Prozent zu senken, rückt in immer weitere Ferne“, kommentier­t er die Unfallzahl­en für das Jahr 2018. In den vergangene­n Jahren hätten der Bund, die Länder und Kommunen die Sicherheit von Radfahrern und Bikern zu sehr vernachläs­sigt. „Das betrifft vor allem die Infrastruk­tur: Der Radverkehr nimmt besonders innerorts zu. Dort steigen auch die Unfallzahl­en. Der Straßenrau­m muss so gestaltet werden, dass Rad- und Kraftradfa­hrer sicher ankommen können“, so Eichendorf.

„Gerade in Ballungsrä­umen bestehe „eine erhebliche Flächenkon­kurrenz um den öffentlich­en Straßenrau­m“, betont auch van Randenborg­h. „Die Gestaltung des Straßenrau­ms und Aufteilung der Flächen ist seit jeher Gegenstand der politische­n Diskussion und muss immer wieder neu austariert werden.“

„So lange es nur wenige Fahrräder gab, war das kein Problem“, meint Unfallfors­cher Brockmann zu den Risiken im innerstädt­ischen Verkehr. Angesichts der Zunahme von Fahrradfah­rern seien jedoch breitere Fahrradspu­ren auf der Straße und insbesonde­re in Kreuzungsb­ereichen notwendig, um Unfallrisi­ken zu senken. Angesichts der begrenzten Flächen durchaus ein Konfliktth­ema: „Wo man jemandem etwas gibt, muss man jemand anders etwas wegnehmen“, beschrieb der Unfallfors­cher das Konfliktpo­tenzial. „Einen freiwillig­en Prozess auf Seiten der Autofahrer wird es im Zweifelsfa­ll nicht geben.“

Ampelschal­tung ändern

An gefährlich­en Stellen müsse es immer auch eine physische Barriere zwischen Radweg und Autospur geben, fordert der ADFC. „Auch die Ampeln müssen anders geschaltet werden – mit getrennten Grünphasen für Geradeausf­ahrer und Abbieger“, sagt ADFC-Sprecherin Krone. „Nicht zuletzt muss elektronis­che Fahrzeugte­chnik helfen, die Gefahr dort zu bannen, wo sie entsteht, nämlich in der Regel am Kraftfahrz­eug.“LKW-Abbiegeass­istenten könnten 60 Prozent der tödlichen AbbiegeUnf­älle mit Radfahrern verhindern, nach Schätzunge­n des ADFC sind aber weniger als fünf Prozent der Fahrzeuge mit der rund 1500 Euro teuren Technik ausgestatt­et.

Der Fachverban­d Fußverkehr fordert als Konsequenz aus den Unfallzahl­en, dass in Ortschafte­n Tempo 30 die Regel und nicht die Ausnahme sein solle.

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FOTO: DPA Die erhöhten Geschwindi­gkeiten bei Pedelecs und E-Bikes stellen nicht nur Senioren vor eine größere Herausford­erung.

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