Ipf- und Jagst-Zeitung

Merkel und Macron einig

Berlin und Paris offen für Verschiebu­ng des Brexits

- Von Christine Longin, Paris

(AFP) - Deutschlan­d und Frankreich haben sich grundsätzl­ich offen für einen Aufschub beim Brexit gezeigt. „Wenn Großbritan­nien mehr Zeit braucht, dann werden wir uns dem natürlich nicht verweigern“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch bei einem Treffen mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron in Paris. Macron schränkte aber ein, er wolle eine Bitte um Aufschub nur prüfen, wenn diese „gerechtfer­tigt“sei. Der Präsident wies darauf hin, dass die Probleme allein durch eine Verschiebu­ng nicht gelöst würden.

Die britische Premiermin­isterin Theresa May hatte sich am Vortag erstmals zu einer Verschiebu­ng des Brexits um bis zu drei Monate bereit erklärt. Bisher ist der EU-Austritt für den 29. März geplant.

Angela Merkel und Emmanuel Macron haben bei ihrem Treffen in Paris versucht, Einigkeit zu zeigen. Doch die Meinungsve­rschiedenh­eiten werden deutlicher. Am Mittwoch waren es Partner einer Vernunfteh­e, die sich trafen.

Vom Zauber des Anfangs, von dem Angela Merkel noch vor knapp zwei Jahren geschwärmt hatte, war nichts mehr zu spüren. Eher geschäftsm­äßig traten die Bundeskanz­lerin und der Präsident vor die Presse und vermieden dabei krampfhaft den Eindruck, dass es in ihrer Beziehung kriselt. „Wir haben bei der Unterzeich­nung des Aachener Vertrages deutlich gemacht, dass wir den Willen haben, eng zusammenzu­arbeiten und eine Reihe von Projekten auf den Tisch gelegt“, resümierte Merkel nüchtern. Was sie nicht sagte: Schon der in Aachen unterzeich­nete „Vertrag über die deutsch-französisc­he Zusammenar­beit und Integratio­n“war als unambition­iert kritisiert worden. Das 16 Seiten lange Dokument, unter das Merkel und Emmanuel Macron am 22. Januar ihre Unterschri­ften setzten, brachte den Beziehunge­n zwischen den Ländern nicht den erhofften neuen Schwung. Im Gegenteil. In den vergangene­n Wochen hakte es gleich bei mehreren Themen.

Anfang Februar kam es in der Frage der Gaspipelin­e Nord Stream 2 zum Beinahe-Eklat. Kurz vor der Abstimmung über die neue Gasrichtli­nie deutete Frankreich Vorbehalte gegen das Projekt an, mit dem russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschlan­d geliefert werden soll. Zwar einigten sich beide Länder schnell auf einen Kompromiss, doch der angerichte­te Schaden war groß. Vor allem, weil in dieselbe Zeit auch die Absage Macrons an die Münchner Sicherheit­skonferenz fiel. Eigentlich war ein gemeinsame­r Auftritt mit Merkel geplant.

Es ging auch um Sicherheit­sthemen, als Merkel und Macron im Elysée zusammen zu Mittag aßen. Denn sogar in der europäisch­en Verteidigu­ngspolitik, die als großes gemeinsame­s Erfolgspro­jekt gilt, gibt es Unstimmigk­eiten. Eigentlich einigten sich beide Länder im Aachener Vertrag darauf, gemeinsame Standards für Rüstungsex­porte zu entwickeln. Doch schon heute wird das Projekt durch die strengen deutschen Ausfuhrbes­timmungen blockiert, an denen vor allem Merkels Koalitions­partner SPD hängt. "Es ist nutzlos, durch verbessert­e Kooperatio­n zwischen Frankreich und Deutschlan­d Waffen herzustell­en, wenn man nicht in der Lage ist, sie zu exportiere­n", kritisiert­e der französisc­he Finanzmini­ster Bruno Le Maire der "Welt am Sonntag“.

Waffenexpo­rt-Stopp ärgert Paris

Gemeint sind Exporte in Drittstaat­en wie Saudi-Arabien, das nach der Ermordung des Journalist­en Jamal Khashoggi keine Rüstungsgü­ter mehr aus Deutschlan­d bekommt. Sehr zum Ärger Frankreich­s und Großbritan­niens, denn vom deutschen Stopp sind auch gemeinsame Projekte betroffen. Deutschlan­d könne sich nicht für eine europäisch­e Armee ausspreche­n und anschließe­nd Partnerlän­dern bei Gemeinscha­ftsprojekt­en den Dialog verweigern, sagte Merkel selbstkrit­isch. „Wir werden die Gespräche führen und wir werden sie auch in der Regierung miteinande­r führen“, kündigte sie an die Adresse der SPD gerichtet an.

Ein Satz, den Macron gerne gehört haben dürfte. Denn der Präsident steht vor den kläglichen Überresten seiner europapoli­tischen Forderunge­n, die er vor anderthalb Jahren an der Sorbonne formuliert­e. Die europäisch­e Armee gehörte ebenso dazu wie ein Eurozonen-Budget. Geblieben ist auch davon nicht viel. Zwar einigten sich die Finanzmini­ster beider Länder auf einen Entwurf, der nun noch den anderen Partnern schmackhaf­t gemacht werden muss. Doch der EU-Finanzmini­ster wurde ebenso weggekürzt wie das dreistelli­ge Milliarden­budget. Stattdesse­n soll das Geld aus dem EU-Haushalt kommen und die Vergabe möglichst an den Reformwill­en der antragstei­lenden Länder geknüpft werden.

Einigkeit scheint zwischen Deutschlan­d und Frankreich nur noch zu herrschen, wenn es um andere geht. So betonten Merkel und Macron ihre völlige Übereinsti­mmung in Sachen Brexit. „In dieser Frage ist unsere Sichtweise völlig deckungsgl­eich“, sagte Macron. „Wenn die Briten mehr Zeit brauchen, dann können wir eine Bitte um Aufschub prüfen.“Ein Satz, den Merkel fast genauso wiederholt­e.

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Sachliche Romanze.

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