Ipf- und Jagst-Zeitung

Zwei Atommächte beginnen zu schießen

Lage zwischen Indien und Pakistan eskaliert – Worum es im Konflikt um die Region Kaschmir geht

- Von Nick Kaiser und Veronika Eschbacher

(dpa) - Der brisante Konflikt zwischen den verfeindet­en Atommächte­n Indien und Pakistan hat sich weiter zugespitzt. Nachdem Indiens Luftwaffe in der Nacht zum Dienstag zum ersten Mal seit 1971 einen Angriff auf pakistanis­chem Gebiet geflogen hatte, schoss Pakistan nach eigenen Angaben am Mittwoch zwei indische Kampfflugz­euge ab. Ein Pilot sei festgesetz­t worden. Pakistans Armeesprec­her Asif Ghafoor veröffentl­ichte auf Twitter ein Foto des sichtbar im Gesicht verletzten Oberstleut­nants.

Indiens Außenminis­terium bestellte nach eigenen Angaben Pakistans Botschafte­r ein und beschwerte sich über diese „vulgäre Darstellun­g“des Gefangenen, die gegen internatio­nales Recht und die Genfer Konvention verstoße. Indien erwarte seine sofortige, sichere Rückkehr. Nach indischer Darstellun­g hatte der Angriff der pakistanis­chen Luftwaffe militärisc­hen Installati­onen auf indischem Gebiet gegolten. Indien habe ihn abgewehrt und einen Jet aus Pakistan abgeschoss­en. Dabei habe Indien einen Abfangjäge­r verloren.

Im Mittelpunk­t des Jahrzehnte alten Konflikts zwischen den Nachbarlän­dern steht das Gebiet des früheren Fürstensta­ates Jammu und Kaschmir. Nach dem Ende der britischen Herrschaft über den Subkontine­nt im Jahr 1947 und der Spaltung Britisch-Indiens in Indien und Pakistan blieb dessen Status zunächst offen. Sowohl Indien als auch Pakistan beanspruch­ten das Himalaya-Tal für sich. Sie führten 1947 und 1965 Kriege wegen des Gebiets, 1999 gab es erneut Gefechte.

Gewaltausb­rüche seit Jahrzehnte­n

Beide Länder beherrsche­n jeweils einen Teil des Tals Kaschmir. Die sogenannte Kontrollli­nie gilt als Defacto-Grenze. Im indischen Teil – dessen Bevölkerun­g im Gegensatz zum Rest des mehrheitli­ch hinduistis­chen Landes überwiegen­d muslimisch ist – gibt es seit Ende der 1980er Jahre immer wieder Gewalt zwischen Separatist­en und Sicherheit­skräften. Indien wirft dem pakistanis­chen Militärgeh­eimdienst ISI vor, islamistis­che Terroriste­n im indischen Teil Kaschmirs zu unterstütz­en. Pakistan bestreitet dies.

Indiens Luftangrif­f am Dienstag traf nach Angaben des Außenminis­teriums ein Ausbildung­slager der islamistis­chen Terrorgrup­pe Jaish-eMohammed. Diese hatte einen Selbstmord­anschlag mit einer Autobombe am 14. Februar im indischen Teil Kaschmirs für sich reklamiert, bei dem 40 indische Sicherheit­skräfte getötet worden waren. Sie war ebenfalls an einem Angriff auf das indische Parlament im Dezember 2001 beteiligt gewesen, der fast einen Krieg auslöste.

Indien gab an, mit dem Luftangrif­f „eine sehr große Zahl“Angehörige­r der Gruppe Jaish-e-Mohammed getötet zu haben. Bewohner der betroffene­n Gegend sagten auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, ihnen seien weder Todesopfer noch größere Schäden durch die Bomben bekannt.

In einer Fernsehans­prache bot der pakistanis­che Premiermin­ister Imran Khan am Mittwoch Indien Gespräche an. „Mit den Waffen, die wir beide haben – können wir uns eine Fehlkalkul­ation leisten?“, fragte er. Indiens Regierung um die hindu-nationalis­tische Partei BJP von Premiermin­ister Narendra Modi steht allerdings unter Druck, Stärke zu zeigen, weil in wenigen Monaten eine Parlaments­wahl ansteht.

Zahlreiche Länder äußerten Besorgnis über die Situation. Viele von ihnen forderten Pakistan auf, konsequent gegen Terrorgrup­pen vorzugehen – darunter Deutschlan­d und die USA.

Auch in Indien und Pakistan waren viele Menschen besorgt. Manche nahmen es mit Galgenhumo­r – etwa der indische Journalist Shivam Vij, der auf Twitter fragte: „Und was ist euer letzter Wunsch vor dem nuklearen Armageddon?“

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FOTO: DPA Ein indischer Soldat neben den Trümmern indischer Kampfflugz­euge in Kaschmir. Pakistanis­che Streitkräf­te schossen zwei Flugzeuge ab – nachdem Indien Luftschläg­e verübt hatte.

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