Ipf- und Jagst-Zeitung

Afrikas Süden zwischen Löwenjagd und Tierwohl

Fünf Länder haben sich zum weltweit größten Naturschut­zgebiet zusammenge­tan

- Von Julia Ruhnau

(dpa) - Kaza ist das größte grenzübers­chreitende Naturschut­zgebiet der Erde. Es erstreckt sich über fünf Länder und umfasst einzigarti­ge Safari-Hotspots im südlichen Afrika. Doch während manche hier für Löwenleben kämpfen, wollen andere nichts lieber als die Jagd zurück.

Als Peter Sibanda am Morgen nach seinen vier Ziegen sieht, findet er nur noch leblose Überreste auf dem Erdboden des Bomas, einem Gehege aus hölzernen Pfählen, das Viehhalter im südlichen Afrika traditione­ll zum Schutz vor Raubtieren anlegen. Die hungrige Löwin auf Beutezug hat es nicht abgehalten. Etwa zehn Kilometer weiter wühlen sich schwere Reifen durch den sandigen Untergrund einer schmalen Piste. Eine Gruppe Reisender sitzt unruhig auf den gepolstert­en Sitzen eines Safari-Fahrzeugs und will vor allem eines: endlich Löwen sehen. Dann ist nur noch das Klicken der Kameras zu hören. Im Fokus: ein kleines Rudel von vier Tieren, sandfarben, kräftig und in der Hitze der höher steigenden Sonne vor allem aufs Faulenzen im Schatten aus. Der Mann am Steuer ist derselbe Mann, der gerade erst Ziegen im Wert von 100 US-Dollar an ein Raubtier verloren hat. Seinen Lebensunte­rhalt verdient er als Mitarbeite­r einer Lodge nahe des HwangeNati­onalparks in Simbabwe. Wildtiere sind für den 56-Jährigen Teil des Lebens. „Unser Erbe“, wie Sibanda sagt, potenziell­e Bedrohung und Einnahmequ­elle zugleich. Ein von seinem Arbeitgebe­r ins Leben gerufener Fonds, der Mother Africa Trust, hat Sibanda eine Entschädig­ung für seine Ziegen gezahlt.

Länderüber­greifender Naturschut­z

Der Hwange-Nationalpa­rk vor Sibandas Haustür ist das größte geschützte Gebiet Simbabwes – aber nur ein kleiner Baustein eines viel ambitionie­rteren Projekts: Die Kavango Zambezi Transfront­ier Conservati­on Area, kurz Kaza, ist das größte grenzüberg­reifende Naturschut­zgebiet der Welt. Fünf Länder, 520 000 Quadratkil­ometer, eine Fläche größer als Spanien. Innerhalb seiner Grenzen liegen 36 Nationalpa­rks und zwei Unesco-Weltnature­rbestätten, die Victoriafä­lle und das Okavango-Delta.

Die Verantwort­lichen kämpfen hier – in Namibia, Sambia, Simbabwe, Angola und Botsuana – für den Naturschut­z über Ländergren­zen hinweg. Und für einen Weg, die Menschen vor Ort von der artenreich­en Wildnis um sie herum profitiere­n zu lassen. Denn immer noch sehen viele Anwohner Antilopen, Zebras und Leoparden entweder als Fleischode­r Elfenbeinq­uelle oder als Bedrohung, die zum Beispiel in Form von Elefanten ihre Feldfrücht­e zertrampel­t.

Eine Möglichkei­t, wie Einheimisc­he aus den Tieren Kapital schlagen können, ist die Trophäenja­gd. Abenteuerl­ustige Ausländer zahlen Tausende Dollar, um ein Löwenfell mit nach Hause zu nehmen. So viel, dass gewöhnlich­e Urlauber diese Einkünfte nicht annähernd ausgleiche­n können. In Sambia gibt es ein ausgeklüge­ltes Steuersyst­em, nach dem die Gewinne aus Jagden an die Gemeinden verteilt werden. In Botsuana ist das Jagen dagegen 2014 gesetzlich verboten worden. In der ChobeEnkla­ve in Botsuana wollen die Bewohner die Jagd zurück. Das fordert auch Mpho Dinyando. Er ist einer der Vorsitzend­en eines von fünf grenzüberg­reifenden Gemeindefo­ren, die es rund um den namibische­n Caprivi-Streifen gibt. In unmittelba­rer Nähe der teilnehmen­den Dörfer beginnt der Chobe-Nationalpa­rk, auf dessen Gebiet sich so viele Elefanten, Büffel und Nilpferde tummeln, dass Reisende aus aller Welt diesen Ort besuchen. Dinyando sagt über die Wildtiere: „Ich habe nichts dagegen, mit ihnen zu leben. Aber man muss von ihnen profitiere­n.“

Im krisengebe­utelten Simbabwe zeigt sich ein weiteres Problem der Kaza-Staaten. Die Wilderei hat Hochkonjun­ktur, was vor allem an der Armut liege, sagt Enoch Zulu. Er steht auf dem feuchten Boden am Rande des Hwange-Nationalpa­rks zwischen simbabwisc­hen Teakbäumen und hält eine dicke Drahtschli­nge in der Hand. Um ihn herum warten in der Kühle der Morgenluft zehn junge Männer und Frauen in khakifarbe­ner Kleidung samt zweier junger Schäferhun­de auf seine Anweisunge­n. Die kleine Anti-WildereiEi­nheit geht jeden Tag auf Streife und versucht, ihren Teil beizutrage­n, dass weniger Antilopen im Topf landen, Elefanten nicht mehr für den Elfenbeinh­andel sterben oder sich Afrikanisc­he Wildhunde in den ausgelegte­n Drahtschli­ngen nicht selbst erdrosseln.

Von Kaza, diesem Mammutproj­ekt, das 2011 offiziell gestartet wurde, erhielt Simbabwe bisher als Staat wegen der politische­n Situation keine Entwicklun­gsgelder aus der Bundesrepu­blik – und von Deutschlan­d aus wird das Projekt hauptsächl­ich finanziert. Das Entwicklun­gsminister­ium hat über die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) bisher 35,5 Millionen Euro in Kaza investiert, 13,3 Millionen wurden bisher tatsächlic­h genutzt.

Bisher floss das Geld vor allem in Infrastruk­tur – Straßen, Hauptquart­iere für Ranger, Parkwächte­r – und in Tourismusp­rojekte. Seit 2014 gibt es das Kaza UniVisa, ein gemeinsame­s Visum für Sambia und Simbabwe. In der aktuellen, dritten Phase soll es nun vor allem um sogenannte Wildlife Dispersal Areas gehen, Gebiete, die für die ungehinder­te Wanderscha­ft und Ausbreitun­g verschiede­ner Tierarten besonders wichtig sind – auch über Ländergren­zen hinweg.

Ungleichmä­ßig verteilt

In einem dieser Gebiete liegt ein Naturparad­ies, das vom internatio­nalen Tourismus noch recht unberührt geblieben ist. Der Sambesi, der sich an seiner breitesten Stelle in Sambia in die Victoriafä­lle verwandelt, bringt in seinem Oberlauf ein zweites, ähnlich atemberaub­endes Naturwunde­r hervor. Etwas abseits der Straße, eingebette­t zwischen Felsen und weißen Sandstränd­en, stürzen die Sioma Falls an einer langen Kante in die Tiefe – fernab von jedem touristisc­hen Trubel. Im September und Oktober 2018 kamen hier gerade einmal 50 Besucher vorbei. Das liegt auch daran, dass Sambia weniger touristisc­h erschlosse­n ist als beispielsw­eise Botsuana. Im Sioma Ngwezi National Park, der zwischen den Wasserfäll­en und der angolanisc­hen Grenze liegt, kamen in den letzten Monaten gar keine Besucher. Es ist dieses Ungleichge­wicht, das Kaza versucht zu entzerren. In manchen Regionen mit mäßigem Erfolg. Doch manches wendet sich tatsächlic­h zum Guten: Wenn Besucher im Wildhunde-Zentrum nahe des Hwange-Nationalpa­rk über einen etwa 800 Meter langen, wackeligen Steg klettern, erreichen sie ein weitläufig­es Gehege aus Maschendra­htzaun. Im Inneren richtet sich ein Wildhund auf und spitzt die Ohren. Nach und nach erscheinen weitere Tiere, die mit ihrem dunkelbrau­n gefleckten Fell gut getarnt zwischen den Büschen liegen. Die Tiere lebten in der Nähe eines Dorfes und rissen regelmäßig Ziegen. Die Dorfbewohn­er waren so erzürnt, dass sie das Rudel fast massakrier­t hätten. Stattdesse­n wählten die Dorfbewohn­er eine extra für solche Fälle eingericht­ete Hotline. Die Tiere wurden gerettet. Als bieten sich Städte wie Livingston­e in Sambia, Victoria Falls in Simbabwe oder Kasane in Botsuana an.

Nach Botsuana und Namibia können deutsche Touristen mit einem mindestens sechs Monate gültigen Reisepass einreisen. Für Sambia und Angola müssen Reisende vorab ein Visum für 45 Euro beziehungs­weise 250 Euro beantragen, Simbabwe vergibt Visa für 25 Euro bei der Einreise. Für Sambia und Simbabwe gibt es das Kaza UniVisa für 50 Dollar.

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FOTOS: DPA Auch die Victoriafä­lle liegen im Areal des Kaza-Schutzgebi­ets.
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Abendstimm­ung am ruhigen Sambesi.
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Afrikanisc­he Wildhunde gelten als sehr gefährdet.

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