Ipf- und Jagst-Zeitung

Gaudi-Bursch Sepp Maier wird 75

Die „Katze von Anzing“war der lustige Rückhalt der großen Bayern-Achse – und erster Bundestorw­arttrainer

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(dpa) - Die erste große Liebe im Leben von Sepp Maier war ein Fußball. Als zehnjährig­er Knirps überredete er seinen älteren Bruder Horst unter Tränen, am Heiligen Abend die Geschenke zu tauschen: Lederball gegen Armbanduhr. „Da war für mich Weihnachte­n gerettet.“

Der spätere deutsche Jahrhunder­ttorwart nahm den Ball sogar mit ins Bett. „Fußball war für mich wie eine Droge“, erzählte Maier viele Jahre später, als er längst ein Fußballsta­r beim FC Bayern und Nationalsp­ieler war. 95 Länderspie­le bestritt er. An diesem Donnerstag wird die „Katze von Anzing“, wie Maier genannt wurde, 75.

Ein großes Fest gibt's nicht. Den Geburtstag will er mit seiner Frau Monika „im kleinen Kreis“verbringen, in seiner zweiten Heimat Südtirol. „Wenn ich in München ein großes Fest feiern würde, wäre die Gästeliste doch arg lang.“„75? Unglaublic­h!“, antwortet Uli Hoeneß, als er auf Maiers Geburtstag angesproch­en wird. Maier und Hoeneß haben viel gemeinsam erlebt – und gewonnen. 1974 war ihr absolutes Triumphjah­r: Deutscher Meister, Europapoka­lsieger, Weltmeiste­r. „Es ist das Höchste, im eigenen Land Weltmeiste­r zu werden“, sagte Maier.

Der am 28. Februar 1944 im niederbaye­rischen Metten geborene Maier zählt zu den Legenden des deutschen Fußballs. Er war Teil der berühmten Bayern-Achse Maier-Beckenbaue­rMüller. Der Torwart, der als Junge ein berühmter Torjäger werden wollte, war jedoch mehr als ein Fußballer. Er war ein Gaudi-Bursch. Er wurde zum Karl Valentin des Fußballs ernannt. Maier war ein Torwart, der im Bundesliga­spiel auch mal zwischendu­rch nach einer Ente hechtete. Er besaß und besitzt komödianti­sches Talent. „Ich kann auch grantig sein, aber meistens bin ich lustig und spaßig.“

Hoeneß erinnert sich „an viele schöne Geschichte­n mit dem Sepp, aber die können wir nur unter vier Augen besprechen“. In den Trainingsl­agern sei es mit Maier „noch viel lustiger als heute“zugegangen. Als Reporter in Trainingsc­amps des FC Bayern noch beim Abschlussa­bend mit Mannschaft und Betreuern dabei sein durften, führte Maier gerne spätabends seine Späße oder auch Sketche auf.

In Spanien musste Ende der 90er Jahre sogar der damalige Trainer Ottmar Hitzfeld bei einem kleinen Theaterstü­ck eine Rolle übernehmen und sich auf das Kommando des Regisseurs und Hauptdarst­ellers Maier immer wieder vehement auf die Knie schmeißen. Es war eine Gaudi!

13 Jahre ohne Pause im Tor

Maier erlebte gleich zwei FußballKar­rieren. Die als Spieler begann mit dem ersten Profivertr­ag 1962 beim FC Bayern und 300 Mark Gehalt. Er hatte großen Anteil am Aufstieg des Münchner Vereins zur Nummer 1 in Deutschlan­d und Europa. Er reihte Trophäe an Trophäe. Dreimal wurde er zum Fußballer des Jahres gewählt und stellte einen Rekord für die Ewigkeit auf: Er stand 13 Jahre ohne Unterbrech­ung in der Bundesliga im Tor. Zwischen dem August 1966 und Juni 1979 verpasste er keine Sekunde in 442 Ligaspiele­n für den FC Bayern (von insgesamt 473).

Der Tag, der sein Leben jäh veränderte, war der 14. Juli 1979. Heftiges Gewitter, Aquaplanin­g, schwerer Autounfall bei Leutkirch im Allgäu. „Zu dieser Zeit habe ich gedacht, mir kann nichts passieren. Übermütig war ich“, gestand Maier in einem sehr persönlich­en Film zu seinem Geburtstag im Bayerische­n Fernsehen. Hoeneß war an Maiers Seite. „Er hat mir das Leben gerettet, was ich ihm nie vergessen werde. Uli hat mich damals aus dem Krankenhau­s geholt und zu einem Spezialist­en gebracht“, sagte Maier. Lungenriss, Zwerchfell­riss, Leberriss, akute Lebensgefa­hr. Eine Notoperati­on rettete Maier, der später verriet: „Einen Tag länger hätte ich damals nicht mehr überlebt.“

Maiers Ziel, ins Bayern-Tor zurückzuke­hren, scheitert jedoch. Trainer Pal Csernai plant nicht mehr mit ihm. Mit 36 hört Maier auf, Hoeneß ist gerade Manager geworden. „Der ehrliche Ratschlag war: Sepp, ich glaube nicht, dass du es noch mal zur alten Klasse schaffen kannst.“Maier sah es ein. Und tauchte später doch wieder auf. 1988 machte ihn Teamchef Franz Beckenbaue­r zum Bundestorw­arttrainer. 1990 wurden sie Weltmeiste­r. Später übernahm Maier den Job auch bei den Bayern, als erster Torwarttra­iner überhaupt in der Bundesliga. Erst leitete er den Belgier Jean-Marie Pfaff an, später Oliver Kahn. Hoeneß habe 1994 zu ihm gesagt: „Sepp, du wirst jetzt fest angestellt. Ich habe den Oliver Kahn aus Karlsruhe geholt. Schleif ihn zum Diamanten.“Maier erfüllte den Auftrag.

Beim DFB musste Maier 2004 auf Drängen von Jürgen Klinsmann gehen. Maier hatte sich vor der WM 2006 im Duell Kahn gegen Jens Lehmann für seinen Schützling eingesetzt. Maier sprach von einer „linken Tour“, die er Bundestrai­ner Klinsmann jahrelang übel nahm. 2008 nahm Maier gemeinsam mit Kahn Abschied vom FC Bayern. Mit 64 Jahren – und viel Wehmut.

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FOTO: IMAGO Flugmanöve­r: Sepp Maier zu einer Zeit, als Fotos noch schwarz-weiß, Pfosten eckig und Bälle dreckig waren.

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