Politik als Hindernis für Integration
Vortrag des Islam-Experten Friedemann Eißler im Torhaus stößt auf großes Interesse
- Der evangelische Theologe und Mitarbeiter der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin, Friedemann Eißler, hat am Donnerstagabend im PaulUlmschneider-Saal im Torhaus einen Vortrag zum Thema „Islam verstehen – was glauben Muslime in Deutschland?“gehalten. Dazu eingeladen hatte der christlich-islamische Dialogkreis Aalen. Das Interesse war – trotz Gumpendonnerstag – groß, Volkshochschulleiter Jürgen Wasella, selbst ausgewiesener Islam-Experte, konnte rund 80 Besucher begrüßen.
Friedemann Eißler stammt aus Urach, hat dort als evangelischer Pfarrer gearbeitet und in der Nachbarschaft von Cem Özdemir gewohnt, kam also schon früh auch mit dem Islam in Kontakt. In seinem einstündigen Vortrag absolvierte er quasi einen Schnelldurchlauf vom Jahr 622 nach Christus, als sich der Prophet Mohammed von Mekka nach Medina begab und dort die erste islamische Gemeinschaft begründete, bis in die Gegenwart.
70 Prozent Sunniten, 17 Prozent Schiiten
Die sieht in Deutschland so aus, dass etwa fünf bis sechs Millionen Muslime hier leben. Das sind knapp sechs Prozent der Gesamtbevölkerung. Etwa die Hälfte der Muslime sind deutsche Staatsbürger. Die mit Abstand größte Gruppe der Muslime hat ihre Wurzeln in der Türkei. Innerhalb des Islams gibt es zahlreiche verschiedene religiöse Ausrichtungen wie etwa die Sunniten (Türkei, Saudi Arabien) mit weltweit rund 70 Prozent aller Muslime oder die Schiiten (Iran) mit etwa 17 Prozent. Entsprechend zahlreich sind auch die muslimischen Organisationen und Verbände in Deutschland unter dem Dach des „Koordinationsrat der Muslime“.
Zwischen „Euro-Islam“und Salafisten
Groß ist auch die weltanschauliche Bandbreite. Sie reicht von reformfreudigen Muslimen, die für eine Art „Euro-Islam“eintreten, auf der einen bis zu den fundamentalistischen Salafisten auf der anderen Seite. Größter Verband im Koordinationsrat ist Ditib mit etwa 900 Moscheen in Deutschland.
Das Thema Integration spielte sowohl im Referat von Friedemann Eißler als auch in der darauf folgenden Diskussion, auch mit Vertretern der beiden Aalener Moscheen, der DitibMoschee und der Fatih-Moschee, eine große Rolle. „Was ist schiefgelaufen in den vergangenen Jahren?“, lautete eine immer wieder gestellte Frage. Die Verknüpfung von Religion und Politik kristallisierte sich dabei als eines der Haupthindernisse bei der Integration heraus.
Kritik an Imamen in Deutschland nimmt zu
So werden zum Beispiel die Imame für die Moscheen in Deutschland von der türkischen Religionsbehörde Diyanet für jeweils fünf Jahre nach Deutschland entsandt. Obwohl diese Imame kaum Deutsch sprechen und selbst Teile der türkischstämmigen Jugend Schwierigkeiten haben, sie zu verstehen, war das kein Problem, solange die türkische Politik einen demokratischen, westlichen Kurs verfolgte. Mit Präsident Erdogan hat sich das bekanntlich geändert, und da die Religionsbehörde direkt dem Präsidenten unterstellt ist, wird die Entsendung der Imame nun von der deutschen Politik zunehmend kritisch hinterfragt.