Ipf- und Jagst-Zeitung

Rathausstu­rm in Jagstzell: Müller wird gerettet – aber erst nach der Gemeindeka­sse

Das Wilde Herr hat am Montagaben­d in Jagstzell die Macht übernommen – das Rathaus wird dabei erneut schwer beschossen und geht in Flammen auf

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(rim) - Es ist wieder ein Riesenspek­takel gewesen: die Erstürmung des Rathauses von Jagstzell. Am Ende ging der Amtssitz von Bürgermeis­ter Raimund Müller mal wieder in Flammen auf und ein vollkommen aufgelöste­r, rußgeschwä­rzter Jagstzelle­r Rathausche­f war seinen Job los.

Die Narren vom Wilden Herr hatten am Montagaben­d bei ihrem Sturm auf das Jagstzelle­r Rathaus ausgesproc­henes Glück. Pünktlich um 19 Uhr legte sich der Wind und es hatte sich ausgeregne­t, womit Müllers Schicksal an diesem Abend besiegelt sein sollte. Im Fackelsche­in, angeführt von Hauptmann Nikolaus Kurz, zog das Wilde Herr auf den Rathauspla­tz, wo sich wieder eine ganz beachtlich­e Zahl an Narren eingefunde­n hatte, um das Wilde Herr bei seinem Unterfange­n anzufeuern. Das versuchte am Montag zunächst mit einer List den unliebsame­n Verwaltung­schef aus seinem Rathaustem­pel zu locken. Dazu hatten sich die Mannen von Nikolaus Kurz junge, sehr charmante Verstärkun­g mitgebrach­t: jede Menge Jagstzelle­r Kinder, die in lustigen Kostümen eine gar nicht so lustige gesungene Botschaft für ihren Bürgermeis­ter im Gepäck hatten: „Ich und Du, Müllers Kuh, Müllers Esel, der bist Du.“Das kam beim Gemeindeob­eren gar nicht gut an. Er weigerte sich standhaft, sein Rathaus zu verlassen. Was möglicherw­eise aber auch an dem Pfeif- und Buhkonzert vor seinem Amtssitz lag.

Lahme Lunte, großer Knall

Und so kam es wie jedes Jahr. Das Wilde Herr musste zu brachialen Methoden greifen. Eine Bombe, die aussah wie eine Rakete, wurde direkt vor Müller Amtsstube, in einem Fensterkas­ten im ersten Stock platziert und gezündet – was außerplanm­äßig lange dauerte. Der Knall kam erst, nachdem der Countdown zweimal runtergezä­hlt war. Dafür fiel er aber um so heftiger aus. Das Rathaus, es brannte danach lichterloh.

„Nicht schlimm“, befand Hauptmann Kurz. Der alte Schuppen wird ja demnächst eh abgerissen. Sein Kommando lautete deshalb: „G’wartat wird, bis der ganze Schuppa brennt. No hot der Kerle dohob wenigstens ausgepennt.“Und so wurde die angerückte Feuerwehr kurzerhand wieder weggeschic­kt. Aber so richtig „grilla“wollten die Jagstzelle­r Narren ihren ausgeräuch­erten Bürgermeis­ter am Ende dann doch nicht. Müller wurde gerettet – allerdings ausdrückli­ch erst nach der Gemeindeka­sse, deren Inhalt sofort an die (kleine) Narren auf dem Rathauspla­tz verteilt wurde.

Und der Bürgermeis­ter? Er landete am Rosenmonta­g wie gewohnt gefesselt und abgekämpft, aber immer noch unermüdlic­h schimpfend am Narrenbaum, von wo aus er sich wieder einmal eine sehr, sehr, sehr lange Anklagesch­rift anhören durfte. Unter anderem wurde Müller der Banküberfa­ll auf die Volksbank Anfang Januar zur Last gelegt. Die neue Fußgängeru­nterführun­g, die auf sein Geheiß gebaut worden war, habe dem Räuber geradezu „ideale Fluchtbedi­ngungen“ermöglicht, lautete der Vorwurf.

Aber das war bei Weitem nicht das schlimmste Vergehen: Tatsächlic­h hatte es Müller gewagt, dem Wilden Heer im vergangene­n Jahr nicht nur sein Zeugraum im Rössle wegzunehme­n, sondern auch noch die geliebte Bar in der Alten Schule. Allein dafür dürften ihn die Narren über mehrere Jahre mit Tomaten und faulen Eiern bewerfen, betonte Kurz mit einigem Nachdruck.

Untragbar

Versagt habe der Schultes zudem beim lange angekündig­ten und versproche­nen Breitbanda­usbau in Dankoltswe­iler. Die Menschen seien hier nach wie vor noch auf ihre Buschtromm­eln angewiesen, schimpfte Kurz sich in Rage . Und so kam man in Jagstzell wenig überrasche­nd zu dem Schluss: Müller ist als Bürgermeis­ter untragbar. Er wurde abgesetzt, vorerst allerdings nur bis Aschermitt­woch. Außerdem wurde er dazu verdonnert bei der Einweihung des Jagstspiel­platzes einen Eimer Wein fürs gemeine Volk zu spendieren – wohlgemerk­t einen Eimer mit einem Fassungsve­rmögen von mindestens 120 Litern. Müller akzeptiert­e widerwilli­g und kam schlussend­lich auf Bitten der Jagstzelle­r Kinder, die an diesem Abend offenbar Gnade vor Recht walten lassen wollten, sogar noch frei.

Ein Video gibt es unter

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FOTO: AFI Bei den vielen Anklagepun­kte blieb dem Jagstzelle­r Schultes am Pranger die Luft weg
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FOTO: AFI Das Rathaus brennt, Müller ist auf der Flucht.

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