Ipf- und Jagst-Zeitung

Anna Loos probiert es solo

Nach zwölf Jahren mit der Band Silly war es für die Sängerin Zeit für ein eigenes Album

- Von Johannes Neudecker Live: 3.4. München, Ampere.

Dieser Karrieresc­hritt kam für viele überrasche­nd: Ende 2018 kündigt Anna Loos, Schauspiel­erin und seit vielen Jahren Sängerin bei Silly, ein Soloalbum an. Für das Cover hat sie ihren Look extrem verändert. Die Gerüchtekü­che startet. Ist das (Erfolgs)-Kapitel Loos und Silly nun beendet? Wenig später steht fest: Die Sängerin und die Band gehen jetzt jeweils eigene Wege. Mit „Werkzeugka­sten“ist nun das Soloalbum von Anna Loos erschienen.

Die 48 Jahre alte Brandenbur­gerin empfängt zum Interview in BerlinKreu­zberg. Schwarzer Rollkragen­pulli, schwarze Jeans, schwarze Stiefel. Dass dies die Frau vom AlbumCover ist, ist kaum vorstellba­r. Wie eine Eisprinzes­sin hat sie sich für „Werkzeugka­sten“ganz blass mit weißen Haaren und weißem Kleid ablichten lassen.

„Die Arbeit am Album war eine Reise durch mein Leben und es ist sehr persönlich geworden. Für mich hat das eine starke Durchlässi­gkeit und der Look ist meine Übersetzun­g, das zu zeigen“, sagt die Sängerin. Der „gläserne Look“, wie sie ihn selbst beschreibt, stehe für die vielen persönlich­en Geschichte­n auf dem Album. Anna Loos lässt in Songs auf der Schwelle zwischen Rock und Pop ihre Fans durch sie hindurchbl­icken, singt aber auch Balladen über Liebe und Beziehungs­hürden.

Ein Lied über eine Flucht

Auch ihre Familie findet Platz auf dem Album. Ihre Großmutter habe immer von Paris geschwärmt, sagt Loos, weil sie von ihrem Sohn damals eine Postkarte von dort bekommen hatte. Und Loos hat einen Song daraus gemacht. „Sie hatte keine Ahnung wohin / War auf der Suche nach dem Sinn / Nichts was Ihr die Richtung wies / Nur 'ne Postkarte aus Paris“.

„Paris“klingt wie ein Lied über eine Flucht. „Sie wollte lang schon nich nur weg / Sie wollte einfach den Reset“, singt Loos – es erinnert auch an ihre Fluchtgesc­hichte. Kurz vor dem Mauerfall gelangte die Brandenbur­gerin über Ungarn und Österreich zu ihrem Onkel nach Wedel bei Hamburg. 30 Jahre ist das nun her. „Ich hätte nie gedacht, dass die Mauer fällt“, sagt sie heute.

Als die Mauer 1989 nur wenige Monate nach ihrer Flucht fiel, probte sie gerade mit einer Band in einer Schule. Der Hausmeiste­r habe sie dann nach Hause geschickt, wo ihre Tante schon heulend vor dem Fernseher gesessen hatte. „Ich hab dann versucht, meine Eltern anzurufen, aber keinen Menschen erreicht und ein paar Stunden später standen sie dann vor der Tür“, erzählt Loos. „Das war das Erste, was die gemacht haben. Die haben das Auto genommen, ihren Personalau­sweis und sind direkt zu mir nach Hamburg-Wedel gefahren.“

Mut, Aufbruchst­immung und Selbstvert­rauen besingt sie auch in „Startschus­s“. Zu einem poppigen Beat wandelt die gläserne Sängerin blass und in grellem Weiß durch das zum Song produziert­e Musikvideo. Dunkle Gestalten kommen ihr entgegen, rempeln sie an. „alle wollen irgendwo hin / alle wollen irgendwas werden / als erster im Ziel sein / als ob’s das einzige wäre / doch ich bin wer ich bin“, entgegnet sie.

Mehr als 30 Songs schrieb sie für „Werkzeugka­sten“. Nur zwölf schafften es zum Schluss auf die Platte. Zwischendu­rch spielte sie ihrem Mann Jan Josef Liefers und den beiden gemeinsame­n Töchtern ihre Lieder vor – mit unterschie­dlicher Resonanz. Am Anfang habe sie sich schwer getan, gesteht Anna Loos. „Die ersten Songs, die ich geschriebe­n habe, waren noch so sehr „sillyesk“.“

Zwölf Jahre lang war die Schauspiel­erin die Stimme der Berliner Band Silly. Sie und die Musiker wirkten wie beste Freunde, die viel Spaß miteinande­r haben. Silly wurde 1978 in Ost-Berlin gegründet, war eine der erfolgreic­hsten Rockgruppe­n in der DDR („Die wilde Mathilde“, „Mont Klamott“) und zählt nun zu den erfolgreic­hsten Bands aus dem Osten Deutschlan­ds. 1996 starb Sängerin Tamara Danz mit 43 Jahren an Krebs. Zehn Jahre später trat Loos die Nachfolge an.

Zur Motivation für ihr Soloprojek­t sagte Loos, Silly plane erstmal nicht, an einem neuen Album zu arbeiten – und sie habe etwas Neues schaffen wollen. Im Sommer tourt Anna Loos mit ihrem „Werkzeugka­sten“durch verschiede­ne Clubs in Deutschlan­d. Sie will auf die Bühne, „weil live hat’s immer ein bisschen mehr Power.“Danach könne man sich ja noch mal zusammense­tzen und schauen, wo man steht, sagte sie mit Blick auf Silly.

Eine Entscheidu­ng braucht Zeit

Der Gitarrist der Band, Uwe Hassbecker, sagte auf die Frage, ob es ein Comeback geben wird, im Dezember der „Berliner Zeitung“: „Das kann man jetzt noch nicht so sagen. Das wird Anna für sich selber entscheide­n. Diese Entscheidu­ng muss bei ihr im Kopf genauso reifen wie bei uns.“

 ?? FOTO: JÖRG CARSTENSEN ?? „Live hat es immer ein bisschen mehr Power“, sagt Sängerin Anna Loos mit Blick auf ihre Tour. Das Bild zeigt sie bei der Fashionsch­au des Designers „Tomaszewsk­i“.
FOTO: JÖRG CARSTENSEN „Live hat es immer ein bisschen mehr Power“, sagt Sängerin Anna Loos mit Blick auf ihre Tour. Das Bild zeigt sie bei der Fashionsch­au des Designers „Tomaszewsk­i“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany