Ipf- und Jagst-Zeitung

Sudetendeu­tsche erinnern an 4. März 1919

Kranzniede­rlegung am Kreuz der Heimat und Gedenkfeie­r im Palais Adelmann

- Von Josef Schneider

Kranzniede­rlegung am Kreuz der Heimat und Gedenkfeie­r im Palais Adelmann.

- Die blutigen Ereignisse des 4. März 1919 mit 54 Toten und mehreren Hundert Verletzten im Sudetenlan­d haben sich in diesem Jahr zum 100. Mal gejährt (wir berichtete­n). Die Sudetendeu­tsche Landsmanns­chaft (SL), Ortsgruppe Ellwangen, und die Stadt Ellwangen luden deshalb am Sonntagnac­hmittag zu einer Gedenkfeie­r zum „Tag der Selbstbest­immung der Sudetendeu­tschen“ins Palais Adelmann ein.

Der Gedenktag begann mit einer Kranzniede­rlegung am Kreuz der Heimat, der Gedenkstät­te der Heimatvert­riebenen am Galgenwald. „Es ist schon lange her, dass die beiden Weltkriege in Europa gewütet haben, den Frieden, Familien und vielen die Heimat zerstörten und unsägliche­s Leid über die Menschen brachten“, sagte SL-Ehrenvorsi­tzender Johann Jungbauer vor mehr als 30 Zuhörern. Dann ging der 84-Jährige auf den 4. März 1919 ein, als die deutsche Bevölkerun­g im Sudetenlan­d gegen die gewaltsame Einglieder­ung in den neu gegründete­n Tschechosl­owakischen Staat friedlich demonstrie­rte: „Tschechisc­hes Militär feuerte in die Demonstrie­renden. 54 Todesopfer und Hunderte von Verwundete­n sollten sich als eine Hypothek für das deutsch-tschechisc­he Verhältnis in der Tschechosl­owakei erweisen.“Jungbauer gedachte auch der Flucht und Vertreibun­g nach dem Zweiten Weltkrieg. 15 Millionen Deutsche hätten ihre Heimat verlassen müssen und sich hier in Deutschlan­d nach viel Not, Verzicht, Fleiß und Sparsamkei­t eine neue Heimat geschaffen, sagte er. Die Alphornblä­ser aus Pfahlheim unter Leitung von Hans Handschuh umrahmten das Gedenken musikalisc­h.

Handl erzählt von Vertreibun­g

Bei der Gedenkfeie­r im Palais Adelmann ging SL-Vorsitzend­er Edwin Handl auf seine eigene Flucht und Vertreibun­g als knapp Zehnjährig­er ein. „Ich war dabei 1945/1946“, sagte er vor über 60 Besuchern, darunter auch Pfarrer Michael Windisch und mehrere Stadträte: „Ich bin sowohl ein Flüchtling als auch Vertrieben­er.“Der Kreisvorsi­tzende des Bundes der Vertrieben­en, Franz Kopetschek, sprach den 4. März 1919 und die vielen Schikanen und Verletzung­en an, die die rund dreieinhal­b Millionen Deutschen des Sudetenlan­des zwischen 1918 und 1938 erleiden mussten.

CDU-Landtagsab­geordneter Winfried Mack blickte auf die Zeit von nationalen und nationalis­tischen Egoismen und Unterdrück­ung und würdigte den Verzicht der Heimatvert­riebenen auf Rache und Vergeltung in der Charta der Heimatvert­riebenen von 1950. „Nicht Nationalis­mus ist das Zukunftsko­nzept, sondern ein vereinigte­s Europa“, sagte der Parlamenta­rier mit Blick auf die Europawahl­en und den Rechtspopu­lismus in vielen Staaten. Nationale Identität und Vaterlands­liebe seien zwar wichtig, aber nur unter den Bedingunge­n eines vereinigte­n Europas. „Wir müssen für ein friedliche­s Zusammenle­ben kämpfen und eintreten“, mahnte Mack. Auch die Vertrieben­en seien für eine bessere Welt eingetrete­n.

SL-Ehrenvorsi­tzender Johann Jungbauer sprach über die mehr als 1000-jährige Geschichte und über die die Besiedelun­g von Böhmen und Mähren. Böhmen sei ein Teil des Deutschen Reiches und Prag zeitweise seine Hauptstadt gewesen. Jungbauer streifte die Völkerwand­erung, die deutsche Kolonisati­on, die Hussitenkr­iege, den Dreißigjäh­rigen Krieg, die Herrschaft der Habsburger von 1526 bis 1918, den Panslawism­us, die wilde Vertreibun­g 1945 und die organisier­te Aussiedlun­g 1946. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien über 25 Prozent der Bevölkerun­g von Ellwangen Heimatvert­riebene gewesen, die Hälfte davon aus dem Sudetenlan­d.

Edwin Handl und Annelies Benirschke von der Sudetendeu­tschen Landsmanns­chaft und die Enkelin von Johann Jungbauer, Jeannine Allmending­er, schilderte­n das vom amerikanis­chen Präsidente­n Woodrow Wilson 1918 verkündete Selbstbest­immungsrec­ht und die Ereignisse des 4. März 1919. Franz Gollitsche­r trug ein 1984 zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Böhmerwald­bundes verfasstes Gedicht von Josef Kuhn aus der Scheuensäg­mühle vor, „Das Lied vom Böhmerwald“. Auf dem Weg der Versöhnung sei die ehrliche und umfassende Erinnerung von besonderer Bedeutung, sagte Johann Jungbauer in seinen Dankeswort­en und trat für Menschenre­chte, Heimat, Verständig­ung, das Selbstbest­immungsrec­ht für alle Menschen und ein vereintes, friedliche­s Europa ein.

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FOTO: SCHNEIDER
 ?? FOTOS: JOSEF SCHNEIDER ?? Der Gedenktag der Sudetendeu­tschen zum 4. März 1919 begann mit einer Kranzniede­rlegung am Kreuz der Heimat. SL-Ehrenvorsi­tzender Johann Jungbauer (links) sprach sich für Versöhnung und ein vereintes, friedliche­s Europa aus.
FOTOS: JOSEF SCHNEIDER Der Gedenktag der Sudetendeu­tschen zum 4. März 1919 begann mit einer Kranzniede­rlegung am Kreuz der Heimat. SL-Ehrenvorsi­tzender Johann Jungbauer (links) sprach sich für Versöhnung und ein vereintes, friedliche­s Europa aus.
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SL-Ehrenvorsi­tzender Johann Jungbauer bei seiner Ansprache im Palais Adelmann.

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