Ipf- und Jagst-Zeitung

Kleinmütig­e Reaktion

- Von Igor Steinle

Wir dürfen nicht Schlafwand­ler in einem erschlafft­en Europa sein“, hat der französisc­he Präsident Emmanuel Macron in einem leidenscha­ftlichen Appell für mehr Europa gewarnt. Nun hat Annegret Kramp-Karrenbaue­r – die Frau, die gerne die nächste Bundeskanz­lerin werden möchte – geantworte­t. Mit eben jener Verschlafe­nheit, vor der Macron gewarnt hat.

Anstatt sich von der Leidenscha­ft des Präsidente­n anstecken zu lassen, antwortet die CDU-Chefin mit einem Konglomera­t technokrat­ischen Klein-Kleins. Während Macron für ein Europa wirbt, das seine Bürger im Wettbewerb der Großmächte schützt und nicht nur als seelenlose­r Markt wahrgenomm­en wird, steht auf AKKs Prioriäten­liste ganz oben: ein Binnenmark­t für Banken. An sich keine schlechte Idee. Nur Herzen gewinnt man damit keine. Dabei ist der europäisch­e Anker in Zeiten, in denen die weltpoliti­sche Lage einzelnen Staaten wie Sturmwelle­n ins Gesicht schlägt, wichtiger denn je. Klima, Digitalisi­erung, Freihandel, Migration und Sicherheit – all das lässt sich nur mit mehr Europa und einer vertieften Integratio­n angehen. Dafür jedoch muss man die Herzen der Menschen erreichen. Mit kleinmütig­en Vorschläge­n gelingt das nicht.

Sicher ist nicht alles schlecht an Kramp-Karrenbaue­rs Vorschläge­n. Ein Europa der zwei Geschwindi­gkeiten, in dem manche Staaten enger zusammenar­beiten als die anderen, ist zwar keine neue, aber angesichts der unterschie­dlichen Bereitscha­ften zu vertiefter Zusammenar­beit eine gute Idee. Einig ist sich KrampKarre­nbauer mit Macron zudem, den europäisch­en Grenzschut­z zu stärken. Gleichzeit­ig jedoch fordert sie eine Komplettve­rlegung des EUParlamen­ts von Straßburg nach Brüssel. Zwar ist auch dies ein an sich vernünftig­er Vorschlag. Zu viel Geld wird durch die Dauerpende­lei der Abgeordnet­en verschwend­et. In einer Antwort auf Macrons Appell jedoch ist er deplatzier­t und muss den Franzosen wie eine Provokatio­n vorkommen. Gerade nach den jüngsten Verstimmun­gen im deutsch-französisc­hen Verhältnis darf man sich fragen, ob das sein musste. politik@schwaebisc­he.de

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