Ipf- und Jagst-Zeitung

Guaidó plant Marsch auf Hauptstadt

Er hat der SPD gedient und ihr geschadet – Vor 20 Jahren trat er zurück

- Von Sabine Lennartz

(dpa) - Juan Guaidó bläst zum Sturm auf Caracas: Seit Wochen tobt der Machtkampf in Venezuela. Jetzt will der selbsterna­nnte Interimspr­äsident die Entscheidu­ng erzwingen. Er werde zu einer Rundreise durch das Land aufbrechen und seine Anhänger für einen Marsch auf die Hauptstadt mobilisier­en, kündigte er bei einer Kundgebung an. Venezuela steckt in einer politische­n und ökonomisch­en Krise. Zuletzt legte ein massiver Stromausfa­ll weite Teile des Landes lahm.

– Es war der Stein, der die Lawine ins Rollen brachte: Oskar Lafontaine­s Rücktritt als SPD-Chef, als Finanzmini­ster und als Bundestags­abgeordnet­er, am 11. März 1999. Es ging um den Kurs der Sozialdemo­kratie, aber auch um persönlich­e Eitelkeite­n. „Es war sicherlich die Entscheidu­ng in meinem politische­n Leben, die mich am meisten belastet hat“, sagt Lafontaine heute, 20 Jahre nachdem er mit seinem Rücktritt die SPD spaltete, später Galionsfig­ur der linksgeric­hteten Partei Arbeit & soziale Gerechtigk­eit – Die Wahlaltern­ative (WASG) und schließlic­h Linken-Chef wurde.

75 Jahre ist er heute alt, lebt in Merzig, ist Vorsitzend­er der Linken im saarländis­chen Landtag und in erster Linie der Mann an ihrer Seite: Mit Linken-Fraktionsc­hefin Sarah Wagenknech­t ist Oskar Lafontaine in vierter Ehe seit 2014 verheirate­t.

Ob es ohne Lafontaine die Abspaltung von der SPD in der WASG, die später wiederum mit den Linken fusioniert­e, auch gegeben hätte, ist unklar. Zum großen Bruch kam es, als Lafontaine in der rot-grünen Koalition als Finanzmini­ster in einen Kurs eingebunde­n war, den er selbst nicht bestimmte. Sondern neben Kanzler Gerhard Schröder war es vor allem dessen Kanzleramt­sminister und früherer Preussag-Geschäftsf­ührer Bodo Hombach, der die SPD wirtschaft­sliberal ausrichtet­e.

In den ersten Wochen nach der Bundestags­wahl 1998 konnte Lafontaine sich noch als Neben-Kanzler fühlen. Er hatte großen Einfluss, nachdem er auf seine eigene Kanzlerkan­didatur zugunsten von Gerhard Schröder verzichtet hatte. Bei der Wahl zuvor hatte Rudolf Scharping für das Kanzleramt kandidiert, weil Lafontaine noch an seinem Trauma litt. Er war mitten im Wahlkampf 1990 als Kanzlerkan­didat der SPD bei einer lebensgefä­hrlichen Messeratta­cke angegriffe­n worden. Und noch Jahre später drehte er sich verschreck­t um, wenn jemand zu schnell von hinten auf ihn zuging.

„Zwischen uns passt kein Blatt Papier“, war der bekanntest­e Ausspruch der Politiker Schröder und Lafontaine von 1998, den schon damals keiner glaubte. Denn wenn zwei eitle Männer um den Kurs und die Macht streiten, geht das nie gut.

1999 war es dann so weit: Oskar Lafontaine ergriff Hals über Kopf die Flucht, ohne große Erklärunge­n, aber mit Andeutunge­n über das „schlechte Mannschaft­sspiel“in Bonn. Schnell packte ihn der Ehrgeiz, sich als Gewissen der SPD zu stilisiere­n. Er trat für eine friedliche Außenpolit­ik ein und lehnte das Eingreifen der Deutschen im Kosovo-Krieg ab. Doch für das Privatisie­ren an der Seite seiner damaligen Ehefrau Christa Müller und seinem Sohn eignete sich das „political animal“Lafontaine nicht. Unvergesse­n ist sein Auftritt in November 1995, als er in Mannheim den farblosen Rudolf Scharping aus dem Amt putschte „Wenn wir selbst begeistert sind, können wir auch andere begeistern.“

Zurück auf der politische­n Bühne

Dieser Mann nun ohne Aufgabe? Schnell meldete sich Lafontaine auf der politische­n Bühne zurück. Erst in Interviews mit Kritik an Schröder, mit dem er seit 1999 nie wieder ein Wort gewechselt hat. Dann mit dem Austritt aus der SPD und dem Eintritt in die WASG, die durch seine Initiative mit der Linksparte­i ein Wahlbündni­s schmiedet. Lafontaine kehrte 2005 in den Bundestag zurück, als Co-Fraktionsv­orsitzende­r von Gregor Gysi, ab 2007 wird er Parteivors­itzender der Linken neben Lothar Bisky. Lafontaine war über lange Zeit das Gesicht der West-Linken, die oft idealistis­cher und realitität­sferner aufgestell­t waren als die Kollegen aus dem Osten. Die Zusammenar­beit war nicht immer leicht, es gab viele Reibungen. Zu einer Art Kulturkamp­f bei den Linken kam es, als Oskar Lafontaine den Rücktritt von Bundesgesc­häftsführe­r Dietmar Bartsch forderte. 2010 gab Lafontaine dann wegen Prostatakr­ebs seine Ämter in Berlin auf und kehrte an die Saar zurück, wo er es nach allem, was man hört, weiterhin liebt, im Scheinwerf­erlicht zu stehen.

Für seine alte Partei, die SPD, war Oskar Lafontaine jahrelang einer der gewichtigs­ten Gründe, die Bündnisse mit den Linken unmöglich machten. „Wer für soziale Gerechtigk­eit, die Erhaltung des Friedens und der Umwelt eintritt, kann nicht plötzlich aufhören“, sagt Lafontaine heute. Sein neuestes Projekt: Mit der Sammlungsb­ewegung „Aufstehen“will er nun die Linke wieder vereinen, die er einst selbst mit gespalten hat.

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FOTO: DPA Schillernd­es Paar: Während sich Oskar Lafontaine­s Rücktritt von allen SPD-Ämtern zum 20. Mal jährt, hat seine Frau Sahra Wagenknech­t gerade den Rückzug aus der Führung der linkspolit­ischen Bewegung „Aufstehen“bekanntgeg­eben.

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