Ipf- und Jagst-Zeitung

In Venezuela liegt fast alles im Dunkeln

Massenkund­gebungen im Schatten eines historisch­en Stromausfa­lls – Opposition­schef Juan Guaidó ruft zum Marsch auf Caracas auf

- Von Klaus Ehringfeld

- Juan Guaidó stand auf einem Autodach, und er schrie sich die Seele aus dem Leib. Denn statt eines Mikrofons und Lautsprech­ern hatte er nur ein Megafon zur Verfügung. Ein massiver Stromausfa­ll und die Staatsmach­t verhindert­en, dass der Opposition­schef in Caracas gewohnt laut zu seinen Anhängern sprechen und gegen die Regierung von Machthaber Nicolás Maduro wettern konnte.

Deshalb konnten ihn nur ein paar hundert Menschen wirklich gut hören, als er seine Anhänger zu weiteren Protesten gegen die chavistisc­he Regierung animierte und zu einem Marsch auf die Hauptstadt aufrief. „Sie denken, sie könnten uns Angst machen“, rief Guaidó. Aber sie werden sich wundern. Sie haben keine Chance, ein Volk aufzuhalte­n, das entschiede­n ist, die Usurpation zu beenden. Wir werden alle zusammen nach Caracas kommen", sagte der 35-Jährige vor seinen jubelnden Anhängern. Auch sie waren weniger als erwartet, denn die Metro fuhr in Caracas nur sporadisch.

Guaidó und Maduro, die beide die Präsidents­chaft des südamerika­nischen Landes für sich in Anspruch nehmen, hatten beide in der venezolani­schen Hauptstadt zu Großkundge­bungen aufgerufen. Der eine, um die Macht der Regierung weiter zu schwächen, der andere, um gegen den „Imperialis­mus“der USA zu protestier­en.

Beide Kundgebung­en litten unter dem Stromausfa­ll, der seit Donnerstag große Teile Venezuelas in ein dunkles und stillstehe­ndes Land verwandelt hat. Genau zur Mittagszei­t, als sich die Anhänger beider Lager auf den Weg zu den Kundgebung­en machten, fiel in Caracas erneut der Strom aus, der erst am Vorabend zurückgeke­hrt war. Während Guaidó die Misswirtsc­haft dafür verantwort­lich macht, sieht Maduro hinter dem Ausfall Cyberangri­ffe der USA.

Guaidó, der sich am 23. Januar zum Präsident ernannt hatte, will in den kommenden Tagen ganz Venezuela bereisen und die Menschen von seinem Plan eines Marsches auf Caracas überzeugen. Am Ende dieser Rundreise will er das Datum für den Sternmarsc­h bekanntgeb­en. Aber man hat das Gefühl, das dem Politiker, den die halbe Welt anerkannt, ein wenig die Ideen ausgehen, wie man die Chavisten von der Macht verdrängen könnte. Maduro sitzt fester auf seinem Präsidente­nsessel im Miraflores-Palast, als viele seiner Gegner wahrhaben wollen.

Im Zentrum von Caracas nutzte Maduro am Samstag einen Moment, in dem es gerade Strom gab, dazu, seine Anhänger auf den Anti-Imperialis­mus einzuschwö­ren. „Sie haben mit Spitzentec­hnologie, über die nur die USA verfügen, unsere Stromverso­rgung sabotiert“. Die staatliche Stromfirma Corpoelec hätte gerade wieder 70 Prozent des Stromnetze­s in Stand gesetzt gehabt, als ein neuer Cyber-Angriff das Wasserkraf­twerk Guri im Bundesstaa­t Bolívar außer Funktion setzte, behauptete Maduro, ohne Beweise zu nennen. Das Kraftwerk deckt gewöhnlich 80 Prozent des venezolani­schen Strombedar­fs.

Seit gut sechs Wochen streiten sich in Venezuela zwei Politiker darüber, wer das Land eigentlich regiert. Und zu allem Überfluss kommt nun zur Lebensmitt­el- und Medikament­enknapphei­t und Hyperinfla­tion auch noch dieser Stromausfa­ll, der in manchen Teilen des Landes am Samstag den dritten Tag infolge anhielt.

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FOTO: AFP Nur mit einem Megafon ausgerüste­t spricht Opposition­sführer Juan Guaidó zu seinen Anhängern – es fehlt stundenlan­g der Strom.

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