Ipf- und Jagst-Zeitung

Nordkorea: Eine Farce namens Wahl

- Von Dirk Godder, Seoul

Es sieht aus wie ein Feiertag für die Nordkorean­er: Das Parlament wird gewählt. Während die verarmte Atommacht internatio­nal um Nahrungsmi­ttelhilfe nachsucht, wird der bedeutungs­lose Stimmgang als bunte Veranstalt­ung inszeniert. Auf den Straßen in Pjöngjang wird an vielen Stellen getanzt. So stellt sich die Staatsführ­ung unter Machthaber Kim Jong-un die alle fünf Jahre stattfinde­nden Wahlen zur Obersten Volksversa­mmlung vor: Trotz wirtschaft­licher Misere sollen die Menschen des 25-MillionenV­olks fröhlich sein.

Die Parteizeit­ung „Rodong Sinmun“preist das Wahlsystem zwar als „das überlegens­te der Welt“. In den Augen des Westens ist die Parlaments­wahl in Nordkorea aber eine Farce. Zwar gibt es nominal mehrere Parteien, doch praktisch existiert ein Einparteie­nsystem. Daher gibt es auch keinen Wahlkampf, die Sieger stehen gewöhnlich vorher fest.

Die Wähler können in ihrem Bezirk praktisch nur mit „ja“oder „nein“für einen von der Arbeiterpa­rtei nominierte­n Kandidaten stimmen. Aus Furcht vor Repressali­en stimmen die Menschen normalerwe­ise dem gesetzten Kandidaten zu. Zwei Tage nach der Parlaments­wahl 2014 verkündete­n die Medien ein perfektes Ergebnis für die 687 handverles­enen Kandidaten. Sie hätten 100 Prozent Zustimmung erhalten. Auch Kim Jong-un ließ sich in die Volksversa­mmlung wählen.

Das gewählte Parlament ist zwar nominell das höchste Machtorgan des Landes mit gesetzgebe­rischer Funktion. Doch kommen die Abgeordnet­en nur ein- bis zweimal im Jahr zusammen, um sich mit politische­n Leitlinien und Budgetfrag­en zu befassen. Dabei nicken sie in der Regel vorher gefasste Beschlüsse der Staatsführ­ung ab.

Die Wahlen erfolgten zu einem kritischen Zeitpunkt für Nordkorea. Die Sanktionen, denen das Land wegen seines Atomwaffen­programms unterworfe­n ist, knebeln es mehr als früher. Sie blockieren den wirtschaft­lichen Wiederaufb­au. Als Kim Jong-un Ende Februar in Hanoi zum zweiten Mal US-Präsident Donald Trump zu einem bilaterale­n Gipfel traf, war die Aufhebung eines großen Teils der Strafmaßna­hmen seine wichtigste Forderung. Das Treffen scheiterte; die US-Seite verlangte umfangreic­here Schritte zur atomaren Abrüstung, als Nordkorea zu unternehme­n bereit war.

Umso wichtiger ist es für Nordkorea, mit der Wahl die innere Einheit zu stärken. Kim selbst steht unter Druck, seine Verspreche­n zu erfüllen, bessere Lebensverh­ältnisse zu schaffen. Seit Ende des vergangene­n Jahres mehrten sich die Warnungen internatio­naler Organisati­onen vor einer Verschärfu­ng des chronische­n Mangels an Nahrungsmi­tteln in Nordkorea. Die Lebensmitt­elprodukti­on sei 2018 auf ein Zehn-JahresTief gefallen, schrieb der UN-Landeskoor­dinator für Nordkorea, Tapan Mishra,vergangene Woche.

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